„Heimtransport der Amerikaner am Rhein“ – Unter diesem Titel berichtet die „Langenberger Zeitung“ am 23. November 1921 über den Beginn des Abzugs amerikanischer Besatzungstruppen aus dem Rheinland.
Deutschland ist nach dem Ersten Weltkrieg zwar nicht komplett besetzt wie nach dem Zweiten Weltkrieg, wohl aber das Rheinland. Das ist im Versailler Vertrag festgelegt worden. Betroffen sind die linksrheinischen Gebiete und die „Brückenköpfe“ Koblenz, Mainz, Köln und Kehl. Die Besetzung ist ein Faustpfand für die Tilgung der dem Deutschen Reich auferlegten Reparationsleistungen. Spätestens nach 15 Jahren, wenn die Reparationen abgezahlt sind, soll die Rheinlandbesetzung vertragsgemäß enden. Der Unmut in der deutschen Bevölkerung ist groß.
Die „schwarze Schmach“ – …
Und es kommt noch etwas hinzu: Frankreich setzt als Besatzungstruppen auch Kolonialtruppen ein. Das empfinden viele Deutsche bis weit ins republikanische Lager hinein als Schmach. Der zentrumsnahe „Badische Beobachter“ beruft sich im September 1921 auf die englische „Daily Mail“ als Zeugin für die Zumutung, die das bedeute:
„Daily Mail schreibt in einem Leitartikel über die schwarze Schmach: Man sei erstaunt, daß ein so edelmütiges Volk, wie das französische, so etwas geduldet habe, was in Wirklichkeit nichts anderes sei, als ein häßlicher Fleck auf seiner eigenen Ehre.“
In einer Zeit, in der schwarze Menschen als „Attraktionen“ in Tierparks gezeigt werden, empfindet es die Bevölkerung als zusätzliche Demütigung, wenn diese Obrigkeitsfunktionen gegenüber Deutschen ausüben sollen. Ängste vor der Sexualität von schwarzen Männern werden geschürt.
… Besatzungstruppen als Zielscheibe rassistischer Phantastereien
Die nationalistischen „Hamburger Nachrichten“ kommentieren am 23. November 1921 die französische Besatzung so:
„Weshalb behält dies selbe Frankreich ohne Haß im Herzen eine beträchtliche Anzahl deutscher Landeskinder in seiner schmutzigen Gewalt, weshalb schikaniert es die Bevölkerung der deutschen Rheinlande bis ins Perverse, verlangt es vom Deutschen Reich für seine Truppen die offizielle Unterhaltung von Lasterstätten, denen Weiber deutscher Rasse als Objekt dienen müssen, schindet es die Deutschen in den Rheinlanden bis aufs Blut? […]
Und während derselben Zeit, da dieser Briand als verantwortlicher Mann seines Landes redet, hausen im Rheinland, in Deutschlands teuerstem Gebiet, französische Neger, Halbneger, Gelbe, hausen in den meistbesungenen Gefilden Deutschlands afrikanische Wilde, üben die scheußlichsten Gewalttaten und werden, wenn überhaupt das unterdrückte und gequälte Deutschtum sich zu wehren wagt, von hämisch hohnlachenden französischen Offizieren gedeckt und im ernstesten Fall mit Scheinstrafen belegt, vor denen das deutsche Rechtsgefühl sich in qualvollen Zuckungen aufbäumt.“
Reale Situation
Belege für die unterstellten Ausschreitungen und Übergriffe gibt es nicht. Aber die deutsche Regierung tritt der Propaganda über die sogenannte „schwarze Schmach“, den Gerüchten und Legenden selten entgegen. Nur vereinzelt kommen Menschen wie der Geheime Sanitätsrat Dr. Reuter zu Wort, der an das liberale „Berliner Tageblatt“ schreibt, dass sich zwar viele Deutsche vor „Schikanen und Belästigungen […] namentlich durch die farbigen Truppen“ fürchten würden, aber:
„Diese Furcht ist nach unserer persönlichen Erfahrung ganz unbegründet. Niemand werden aus einem Aufenthalt im besetzten Gebiet irgend welche Unannehmlichkeiten erwachsen, und aus keinem einzigen Bade ist mir auch nur ein einziger Fall bekannt geworden.“
Doch die rassistische Propaganda ist wirkungsmächtiger, sie verstärkt den Argwohn gegen die Republik.
Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe „100 Jahre politischer Mord in Deutschland“ .
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