Demokratiegeschichten

Rosa Parks und die Bedeutung des Sitzenbleibens

Protest zeigt sich in vielen verschiedenen Formen. Widerstand gegen Ungerechtigkeit muss dabei nicht zwingend auf Barrikaden und mit der Waffe in der Hand geleistet werden. Es sind manchmal die auf den ersten Blick unscheinbarsten Handlungen, die ganze Gesellschaften verändern können. Selbst einfach sitzenzubleiben, wenn man gedrängt wird aufzustehen, kann hierbei ein Zeichen unglaublichen Mutes sein. Eine weltberühmte Frau hat genau dies bewiesen.

Der Weg in den politischen Aktivismus

Ein Schild an einer Busstation in Rome, Georgia, das auf einen Warteraum nur für Afroamerikaner:innen hinweist (1943), Foto: Library of Congress, gemeinfrei

Rosa Luise McCauley wird am 4. Februar 1913 in Tuskegee, Alabama, geboren. Nach der Trennung der Eltern ziehen die Mutter und Großeltern sie und ihren Bruder Sylvester auf. Sie besucht die Industrial School for Girls und die Booker T. Washington High School, beides Bildungseinrichtungen ausschließlich für Afroamerikaner:innen. Zur Schule muss sie darüber hinaus immer zu Fuß gehen, weil Schulbusse nur weiße Schüler:innen mitnehmen. So erlebt Rosa von Anfang an, dass in der amerikanischen Gesellschaft Menschen unterschiedliche Chancen bekommen, je nachdem, welche Hautfarbe sie haben.

Die gläubige Methodistin, Mitglied der Gemeinde der African Methodist Episcopal Church, heiratet 1932 den Frisör Raymond Parks. Sie nimmt seinen Nachnamen an und findet durch die Heirat auch einen Zugang zum politischen Aktivismus. Denn Raymond ist in der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) aktiv, die sich für die Wahlrechte von Afroamerikaner:innen einsetzt. Ab Dezember 1943 arbeitet Rosa dann selbst für die NAACP als Sekretärin in Montgomery, Alabama neben ihrer Tätigkeit als Schneiderin.

Montgomery ist zu diesem Zeitpunkt ein trauriges Paradebeispiel für die Rassentrennung in den USA. Schilder mit den Aufschriften „Whites only“ und „Coloreds only“ sind omnipräsent. Schulen, Parkbänke und Aufzüge sind strikt getrennt – ebenso wie Busse. Gerade in den öffentlichen Verkehrsmitteln folgt die Rassentrennung einer im Detail ausgearbeiteten und zutiefst diskriminierenden Logik.

Ein Trinkbrunnen nur für Afroamerikaner:innen in Halifax, North Carolina (1938), Foto: Library of Congress, gemeinfrei

Können Busse rassistisch sein?

Vorne in den Fahrzeugen sind vier Reihen nur für Weiße reserviert, die Plätze für Afroamerikaner:innen befinden sich im hinteren Teil des Busses. Dazwischen gibt es einen Abschnitt, in dem Afroamerikaner:innen zwar sitzen dürfen, allerdings müssen sie eine komplette Sitzreihe räumen, sobald auch nur eine weiße Person einen der Plätze für sich beansprucht. Der Bereich für Afroamerikaner:innen im Bus kann zudem durch ein verschiebbares Schild verkleinert werden, wenn mehr Sitzplätze für Weiße benötigt werden.

Rosa stört dieses offensichtlich ungerechte und diskriminierende System schon lange, weshalb sie so viele Strecken wie möglich zu Fuß zurücklegt. Doch für viele Afroamerikaner:innen ist es in einer Stadt wie Montgomery nahezu unmöglich, komplett auf den öffentlichen Nahverkehr zu verzichten. Deshalb nimmt auch Rosa gelegentlich den Bus.

Gesetz ist Gesetz…

So auch am 1. Dezember 1955. Am Abend dieses Tages ist Rosa nach einem langen Arbeitstag auf dem Heimweg mit dem Bus, als ein weißer Fahrgast sie und alle anderen Afroamerikaner:innen in ihrer Sitzreihe auffordert, ihre Plätze zu räumen. Der Busfahrer James Blake verschiebt daraufhin das „colored“-Schild bekräftigend in die Reihe hinter Rosa.

Der Bus, in dem Rosa Parks Geschichte schrieb, ist heutzutage ausgestellt im Henry-Ford-Museum in Dearborn, Michigan, Foto: CC BY-SA 3.0

Parks ist die Einzige, die sich weigert. Es gibt ansonsten keine freien Plätze mehr im Bus und sie sieht nicht ein, dass sie die restliche Fahrt hindurch stehen soll. Doch in diesem Moment geht es ihr nicht einfach nur darum, dass der lange Arbeitstag sie so erschöpft hat, wie später häufig erzählt wird. Ihr geht es ums Prinzip: In ihrer Autobiographie My Story gibt Rosa an, dass sie es schlicht leid war, immer nachgeben zu müssen.

Busfahrer James Blake ruft daraufhin die Polizei, die Parks wegen Störung der öffentlichen Ruhe verhaftet. Im Moment ihrer Festnahme möchte Parks von dem Polizeibeamten, der sie gerade abführt, wissen, warum man Afroamerikaner:innen eigentlich so behandele. Daraufhin antwortet dieser: „Ich weiß es nicht, aber Gesetz ist Gesetz und Sie sind verhaftet!“ Unbeabsichtigt hat er damit auf den Punkt genau die absurde Logik hinter jeglicher Art von strukturellem Rassismus offengelegt.

Der Preis des mutigen Handelns

Das Gericht verurteilt Rosa zu zehn Dollar Strafe, zusätzlich muss sie die Gerichtskosten von vier Dollar übernehmen. Als der Vorfall bekannt wird, reagiert der zu diesem Zeitpunkt noch weitestgehend unbekannte Baptistenprediger Martin Luther King Jr., indem er den Montgomery Bus Boycott organisiert.

Rosa Parks während eines Interviews in Zusammenhang mit dem Black Women Oral History Project (1978), Foto: Flickr

Dieser wird über ein Jahr lang andauern und letztlich dazu führen, dass das Oberste Gericht die Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn als unrechtmäßig erklärt. Ebenso gilt er, zusammen mit den Protesten im Fall Emmett Till, als Initialzündung für die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA.

Ihre mutige Entscheidung an diesem Dezemberabend im Jahr 1955 macht Rosa zu einer Ikone der noch jungen Bürgerrechtsbewegung. Doch sie zahlt einen hohen Preis. Drohungen und beleidigende Telefonanrufe gehören schnell zu ihrem und dem Alltag ihres Mannes Raymond. Bei ihm führt der ständige psychische Druck schließlich zu einem Nervenzusammenbruch.

Das Paar zieht deshalb 1957 nach Detroit. Nichtsdestotrotz bleiben die Parks in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Vor allem Rosa setzt sich weiterhin für ihre Überzeugungen und ein gerechtes Leben ohne Rassentrennung für alle US-Amerikaner:innen ein.

Rosa war zwar nicht die erste, die sich weigert, ihren Sitzplatz zu räumen – Irene Morgan etwa hat dies schon elf Jahre vorher getan. Doch ihr Protest richtet sich erstmals gegen alle Rassentrennungsgesetze und damit gegen das System als Ganzes.

Für ihren Mut und ihr Engagement erhält Rosa Parks zahlreiche Auszeichnungen, etwa die Presidential Medal of Freedom (1996) und die Congressional Gold Medal (1999), die zwei höchsten zivilen Auszeichnungen der USA. Sie verstirbt schließlich am 24. Oktober 2005 in hohem Alter.

Rosa Parks wurde die seltene Ehre zuteil, nach ihrem Tod im Kapitol in Washington, D.C. aufgebahrt zu werden (2005), Foto: CC BY-SA 2.0

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Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

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