Demokratiegeschichten

Vom Versuch, die Welt zu retten: Georg Elser

Am 9. April 1945, nur einen Monat vor der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches, erging ein Befehl „von höchster Stelle“. Zu diesem Zeitpunkt war der NS-Führung klar, dass der Krieg für Deutschland nicht mehr zu gewinnen war.

Aus diesem Grund sollten verschiedene Widerstandskämpfer hingerichtet werden. Sie sollten nicht die Gelegenheit erhalten, Deutschland nach dem Dritten Reich mitzugestalten.

Zu ihnen zählten Personen wie Hans von Dohnanyi oder Dietrich Bonhoeffer, die am Attentat des 20. Juli 1944 beteiligt gewesen waren. Es handelte sich um Menschen, die das System mit ihren Taten erheblich gefährdet und sich somit als seine „höchsten Feinde“ erwiesen hatten. Unter ihnen war auch ein Schreiner aus Baden-Württemberg: Georg Elser.

Gerechtigkeitssinn und Freiheitsliebe

Elser wurde am 4. Januar 1903 im württembergischen Hermaringen in prekären Verhältnissen geboren. Seine Familie verfügte über wenig Geld, sein Vater galt als Alkoholiker. Schon früh zeigte der Junge Begabungen im Handwerken und im Zeichnen, weshalb er sich schließlich zum Schreiner ausbilden ließ.

Immer wieder fiel Elsers Sinn für Gerechtigkeit auf. Vehement trat er für seine eigenen und anderer Menschen Rechte ein. So forderte er auch eine angemessene Bezahlung für geleistete Arbeiten. Seine Freiheit sei ihm wichtig gewesen, ebenso wie der christliche Glauben.

Elsers Moral und seine Wertvorstellungen kollidierten bereits zu Beginn des Nationalsozialismus mit denen der NSDAP. Mit großer Ablehnung beobachtete der Schreiner die politischen Entwicklungen in Deutschland. Er habe sich sogar geweigert, den Hitlergruß auszuführen, was seine Antipathie auch öffentlich deutlich machte.

„Ich habe den Krieg verhindern wollen.“ – Georg Elser

Früh gewann Georg Elser den Eindruck, dass sich die Nationalsozialisten einen Krieg zum Ziel gesetzt hatten. Als die Westmächte 1938 auf der Münchner Konferenz den territorialen Forderungen Deutschlands nachgaben, war für Elser klar, dass Hitlers Pläne hier nicht enden würden. Er war sich sicher, dass ein „größeres Blutvergießen“ bevor stünde, das es mit allen Mitteln zu verhindern galt.

So reifte in Elser der Plan heran, die NS-Führung in Form von Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Hermann Göring zu beseitigen. Nur so, glaubte der junge Mann, könne man eine Tragödie für Deutschland und letztlich auch die Welt noch verhindern. Elser richtete sein gesamtes Leben auf dieses Ziel aus.

Akribische Vorbereitungen

Als Datum des Anschlages wählte Elser den 8. November 1939. An diesem Tag würden Adolf Hitler und die Führungsriege im Münchner Bürgerbräukeller anwesend sein.

Der Diktator sollte anlässlich der jährlichen Feier des Hitlerputsches eine Rede halten und würde somit angreifbar sein. Elser plante, das Dritte Reich durch eine Bombe zu beenden.

Ab Herbst 1938 beschaffte Georg Elser sich nach und nach alles, was er für sein Attentat brauchte. Er stahl 250 Presspulverstücke, 100 Sprengpatronen und über 125 Sprengkapseln.

1939 zog er schließlich nach München, um seine letzten Vorkehrungen zu treffen. Nachts ließ er sich heimlich im Bürgerbräukeller einschließen, um das Rednerpult Hitlers zu präparieren.

Er plante, beim Attentat nicht selbst anwesend zu sein. Die Bombe sollte durch einen Zeitschalter zünden. So wäre es ihm möglich, sich noch vor der Detonation in die Schweiz abzusetzen.

Das Attentat schlägt fehl 

Hitler selbst durchkreuzte schließlich Elsers Pläne. Entgegen seiner Gewohnheit beendete der Dikatator seine Rede im Bürgerbräukeller wesentlich früher und verließ das Lokal gemeinsam mit der NS-Führungsriege um 21:07 Uhr. Niemand von ihnen war anwesend, als die Bombe planmäßig um 21:20 Uhr detonierte. Acht Personen starben, 63 wurden verletzt.

Der zerstörte Bürgerbräukeller nach den ersten Aufräumarbeiten. Bundesarchiv, Bild 183-E12329 / Wagner / CC-BY-SA 3.0.

Hinsichtlich der Zerstörungskraft verfehlte die Bombe ihre Wirkung nicht. Die Sonderkommission, die umgehend vom Reichssicherheitshauptamt eingesetzt wurde, sprach von einer „fachmännisch hervorragenden Arbeit“.

Hieraus entspann sich letztlich auch die Erzählung, die vor allem durch Goebbels in die Öffentlichkeit getragen wurde: Es müsse sich um einen Anschlag des britischen Geheimdienstes handeln.

Festnahme und Folter

Elser hatte am gleichen Abend versucht, über Konstanz in die Schweiz zu gelangen. Der Schreiner wurde allerdings um 20:45 Uhr gefasst und festgenommen.

Bei der Kontrolle seiner Tasche fielen den Beamten verschiedene „verdächtige Gegenstände“ auf: eine Ansichtskarte des Bürgerbräukellers, ein Abzeichen des Roten Frontkämpferbundes, Aufzeichnungen über die Rüstungsproduktion sowie einige Teile des Zeitzünders. Elser wurde schließlich nach München überführt.

Hier wurde er verhört und gefoltert. Man verlangte von ihm, dass er seinen Dienst für den britischen Geheimdienst offenbarte. Am 13. und 14. November legte Elser schließlich ein Geständnis ab, das dem NS-Regime zuwider war: Er allein habe alle Vorbereitungen getroffen und den Anschlag verübt. Der britische Geheimdienst sei nicht involviert.

Das Werkzeug Elser?

Diese Erkenntnis lief der Propaganda des NS zuwider. Dass nicht ein fremder Geheimdienst den Angriff auf Adolf Hitler verübt hatte, sondern ein Schreiner aus Baden-Württemberg wäre in den Augen vieler Parteifunktionäre ein Zeichen der Schwäche. Offiziell wurde aus diesem Grund weiterhin von einem Attentat des britischen Geheimdienstes gesprochen, dessen Werkzeug Georg Elser gewesen sei. 

Georg Elser kam 1940 als „Sonderhäftling“ in das KZ Sachsenhausen. Dort blieb er in Isolationshaft, abseits der anderen Inhaftierten. Erst im Februar 1945 überführte man ihn in das KZ Dachau, wo er am 9. April 1945 schließlich erschossen wurde.

Bis in die 1960er Jahre hinein glaubten viele Deutsche nicht daran, dass der Schreiner Georg Elser seinen Anschlag allein geplant und durchgeführt hatte. Seine Angehörigen wurden immer wieder mit Gerüchten und Anschuldigungen konfrontiert.

Späte Anerkennung

Erst spät erfuhr Elser Anerkennung für seine Tat und den mutigen Versuch, die Welt vor einer Katastrophe zu bewahren. Ab den 1980er Jahren entstanden unterschiedliche Publikationen, Ausstellungen und Ehrungen.

Königsbronn errichtete beispielsweise eine Georg-Elser-Gedenkstätte. In Heidenheim entstand 1988 ein Georg-Elser-Arbeitskreis. Das „Denkzeichen Georg Elsers“ des Künstlers Ulrich Klages steht seit 2011 in Berlin Mitte.

Auch in der Ausstellung der „Gedenkstätte deutscher Widerstand“ ist Elsers Geschichte ein Teil. Nicht zuletzt wird alle zwei Jahre der „Georg-Elser Preis für Zivilcourage“ verliehen.

Audiovisuell kann man mittlerweile ebenfalls viel über die Geschichte des Schreiners erfahren: Im Jahr 1989 entstand der Spielfilm „Georg Elser – Einer aus Deutschland“. 2015 erschien eine weitere Verfilmung unter dem Titel „Elser – Er hätte Die Welt verändert„.

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Über uns 
Michèle ist Studentin der Geschichtswissenschaften M.A. an der Humboldt-Universität Berlin und arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

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