Demokratiegeschichten

29.10.1918: Feuer löschen

Am 30. [Oktober 1918] morgens ging ein Gespräch durchs Schiff, dass am Abend vorher ein Zechgelage gewesen wäre der Offiziersmesse. Hier wäre die Rede gewesen von dem ruhmvollen Untergang der Flotte, und dass man sich nicht ergeben wollte. Es ging um die Ehre, man wolle lieber den Heldentod sterben.

Auszug aus dem Vernehmungsprotokolls des Oberheizers Schildgen

Fragt man, wo denn 1918 die Novemberrevolution begann, dann antworten die meisten sicherlich mit „Kiel“. Dort zogen Anfang November Matrosen und Arbeiter:innen in Demonstrationszügen durch die Stadt.

Doch schon am 29. Oktober verweigerten Matrosen vor Wilhelmshaven den Befehl, in eine aussichtslose Endschlacht gegen England zu ziehen. Ihnen war bewusst, dass der Erste Weltkrieg zu diesem Zeitpunkt längst verloren war. Weiter noch: Es gab bereits Vorbereitungen für Friedensverhandlungen. Eine weitere Schlacht, das war den meisten Matrosen bewusst, hätte diese Verhandlungen erschwert. Das Auslaufen der Flotte konnte also nicht im Sinn der neuen Regierung sein.

Einige Offiziere und hohe Militärs konnten die Niederlage jedoch nicht akzeptieren. Sie wollten lieber in einen letzten Kampf ziehen, statt eine für sie schmähliche Niederlage und Verhandlungen ertragen zu müssen. Daher folgte am 29. Oktober der sogenannte „Flottenbefehl“. Damit beabsichtigte die deutsche Marineführung die gesamte Hochseeflotte einzusetzen, um kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges eine letzte große Seeschlacht gegen die englische Marine zu führen.

Als die Matrosen auf den Schiffen davon erfuhren, verweigerten noch am selben Tag die Mannschaften verschiedener Schiffe den Gehorsam. Auch in den folgenden Tagen kam es auf mehreren Kreuzern zu Sabotageakten: Man löschte beispielsweise die Heizkessel, sodass die Schiffe nicht auslaufen konnten. Die Mannschaften weigerten sich, die Schiffe zu übergeben.

Letztlich muss das Militär einschreiten: Mehrere hundert Matrosen verhaftet. So auch der auf der SMS Thüringen angestellte Oberheizer Schildgen, dessen Aussage diesen Artikel einleitete. Nur unter Bedrohung durch Torpedoboote und ein U-Boot konnte die Mannschaft seines Schiffes zur Kapitulation gezwungen werden.

Ein Teil der in Wilhelmshaven meuternden Truppen wurde in Folge zurück in den Heimathafen geschickt – nach Kiel. Dort setzten sie sich unter anderem für die Freilassung ihrer gefangenen Kameraden ein. Und lösten mit ihren Demonstrationen die Novemberrevolution aus.

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Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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