Demokratiegeschichten

Gedenken an das Massaker von Srebrenica 1995

Das Massaker von Srebrenica

Vorgeschichte: Zerfall Jugoslawiens und Bosnienkrieg

Im Kontext des Zerfalls der „Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien“ ab den 1990er-Jahren erklärten Kroatien, Slowenien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina ihre Unabhängigkeit. Vom ursprünglichen jugoslawischen Staat waren nur Montenegro und Serbien übrig geblieben.

Diese Unabhängigkeitsbestrebungen lösten sowohl einen Krieg aus, in dem die Armee Jugoslawiens und die Truppen der unabhängig werdenden Staaten aufeinandertrafen. Als auch Konflikte, die zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen innerhalb der ehemaligen Teilrepubliken ausgetragen wurden.

Karte der Bevölkerung Jugoslawiens 1991 (Wikimedia Commons, wolpertinger)

Auch in Bosnien und Herzegowina trafen die unterschiedlichen Bestrebungen der drei größten Bevölkerungsgruppen spannungsreich aufeinander. Während viele der kroatischen Bosnier den Anschluss des Staats an Kroatien und bosnisch-serbische Nationalisten an Serbien forderten, sprach sich ein großer Teil der bosnischen Muslim*innen/ Bosniak*innen für die Unabhängigkeit aus. Diese Spannungen eskalierten 1992 zum Bosnienkrieg.

Schnell dominierten die Serbischen Nationalisten unter dem politischen Anführer Radovan Karadžić den Krieg. Die Armee der Republika Srpska, welche zudem von der Jugoslawischen Volksarmee unterstützt wurde, kontrollierten mehr als zwei Drittel Bosnien und Herzegowinas und vertrieb die anderen Bevölkerungsgruppen aus diesen Gebietsteilen. Ihr Kriegsziel war die ethnische Säuberung und Errichtung eines „Großserbischen Reichs“.

Von der Schutzzone zum Schauplatz des Völkermords

Nach Ausbruch des Kriegs wurde Srebrenica, ein Ort im Osten des Landes, von den Vereinten Nationen zur UN-Sicherheitszone erklärt. Im Juli 1995 waren es etwa 36.000 Personen, die dort Zuflucht gesucht hatten. Ein Großteil von ihnen waren Bosniak*innen. In Srebrenica wurden von der UN etwa 350 Blauhelmsoldaten stationiert. Eigentlich zum Schutz der Geflohenen entsandt, waren sie jedoch nicht ausreichend ausgestattet, um diesen tatsächlich zu gewährleisten. Als am 11. Juli 1995 die bosnisch-serbischen Truppen Srebrenica angriffen, waren sie nicht in der Lage, die Sicherheitszone zu verteidigen.

Die Geflüchteten in Srebrenica versuchten in das bosnisch-muslimisch kontrollierte Gebiet des Landes oder auf die UN-Basis im zur Gemeinde Srebrenica gehörenden Ort Potočari zu gelangen. Vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen befanden sich unter den 25.000 Personen, die es nach Potočari geschafft hatten.

Als die bosnisch-serbischen Truppen in Potočari einmarschierten, begannen sie die Männer und Frauen zu trennen. Den Großteil der Frauen und Kinder brachten sie bis kurz vor die Grenze zum bosnisch-muslimischen Gebiet. Mehr als 8.000 Bosniak*innen wurden in den darauffolgenden Tagen auf Befehl von Ratko Mladić, dem Oberbefehlshaber der Armee der Republika Srpska, hingerichtet. Auch bereits in Richtung Tuzla, einer Stadt im von der bosnischen Regierungsarmee dominierten Teil des Landes, geflüchtete Personen wurden von Mladićs Armee eingeholt und an Ort und Stelle ermordet.

Die Mehrheit der Opfer waren Muslime, vor allem Jungen und Männer zwischen 13 und 94. Den Massenmord an ihnen versuchten die Täter zu verschleiern, indem die zuvor bereits verscharrten Leichen in andere Gebiete abtransportiert wurden. Auch nach dem Krieg fand dies noch statt.

Das Versagen der UN

Die niederländischen Blauhelmsoldaten in Potočari, die den bosnisch-serbischen Truppen zahlen- und waffenmäßig unterlegen waren, hatten die Luftunterstützung der Nato angefordert, um die Menschen in der Schutzzone verteidigen zu können. Die Unterstützung kam jedoch nie.

Die bosnisch-serbischen Einheiten in Srebrenica hatten in ihrem Tun praktisch freie Hand. Dies wurde von der Tatsache begünstigt, dass einige Staaten im UN-Sicherheitsrat schlicht nicht gewillt waren, der serbischen Kriegspolitik mit militärischer Gewalt Grenzen zu setzen, um die Menschen dort zu schützen.

Erst Jahre später ordnete die UN dieses Nicht-Handeln als Versagen ihrerseits ein.

Der Kampf um Gerechtigkeit und Erinnerung

Die Aufklärung und juristische Verarbeitung des Massakers mit unzähligen Verfahren gegen hochrangige Politiker*innen, Militär- sowie Polizeiangehörige durch das UN-Kriegsverbrechertribunal dauert Jahrzehnte an. Auch Hauptdrahtzieher und Militärchef Ratko Mladić wurde erst 2017 zu lebenslanger Haft verurteilt. Bis Frühjahr 2011 hatte sich dieser auf der Flucht befunden.

Namenstafel an der Völkermord-Gedenkstätte in Potočari
(Wikimedia Commons, Michael Büker)

In Potočari wurde 2000 eine Gedenkstätte als Erinnerungsort an den Völkermord eröffnet sowie 2003 ein Gedenkfriedhof für die Opfer eingeweiht. Mehrere Tausend von ihnen wurden hier bereits beigesetzt.

Trotz mehrfacher Einordnungen des Mordes an den über 8.000 Bosniak*innen als Genozid, unter anderem durch das UN-Kriegsverbrechertribunal, wird der Völkermord jedoch immer wieder verharmlost oder sogar gänzlich geleugnet. Und das seit Jahrzehnten meist ohne Konsequenzen. Zu den Verbreitern solcher Falschinformationen gehören Mitunter hochrangige Politiker in Bosnien und Herzegowina sowie Serbien verbreiten solche Falschinformationen. Unter ihnen der Bürgermeister von Srebrenica, Mladen Grujicic oder auch der Präsident der Republika Srpska (Entität von Bosnien und Herzegowina), Milorad Dodik.

Unter anderem deshalb hat die UN-Generalversammlung 2024 eine Resolution verabschiedet, welche den 11. Juli nun auch international zum Tag des Gedenkens an den Völkermord in Srebrenica 1995 erklärt.

„Die Resolution ist umso wichtiger angesichts des anhaltenden Revisionismus, der Leugnung des Völkermordes von Srebrenica und der Hassreden hochrangiger politischer Führungspersönlichkeiten in Bosnien und Herzegowina sowie in den Nachbarländern“

Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte

Mit der Resolution wurde die Verharmlosung, Leugnung oder sogar Glorifizierung des Genozids und der Täter auf internationaler Ebene verurteilt. Zudem sind die UN-Staaten dazu aufgerufen über den Völkermord aufzuklären, das Wissen über ihn zu bewahren und die Erinnerung daran zu pflegen.

Heute, am 11. Juli 2025, jährt sich so nicht nur der Völkermord zum 30. Mal, sondern es wird auch der erste internationale Gedenktag an diesen begangen.


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Anya H. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als studentische Hilfskraft.

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