Demokratiegeschichten

5. September 1945: Die Rhein-Neckar-Zeitung wird gegründet

Am 5. September 1945 – heute vor 80 Jahren – wurde in Heidelberg die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) gegründet. Mich verbindet viel mit dieser Zeitung. In meiner Kindheit lag sie immer auf dem Wohnzimmertisch. Meine Eltern lesen sie heute noch täglich und ich lernte das Artikelschreiben nach dem Abi in einer Lokalredaktion der RNZ. Jetzt aber gehen wir noch weiter zurück ins Jahr 1945.

Amerikanische Pressepolitik

Heidelberg lag 1945 in der amerikanischen Besatzungszone und hatte den Zweiten Weltkrieg fast unbeschädigt überstanden. Dies führte dazu, dass die US-Armee sehr schnell hohe Kommandostellen in Heidelberg stationierte. Außerdem versuchten die Amerikaner in ihrer Zone als Maßnahme des demokratischen Wiederaufbaus schnell Zeitungen herauszubringen, z.B. die Süddeutschen Mitteilungen, die als Vorläufer der RNZ gelten. Dann gingen die Amerikaner dazu über, Zeitungslizenzen an deutsche Herausgeber zu vergeben.

Drei Herausgeber

In Heidelberg waren es drei Herausgeber, die gemeinsam die Lizenz zur Gründung der RNZ am 5. September 1945 erhielten: Theodor Heuss,
Rudolf Agricola und Hermann Knorr. Drei Menschen, wie sie politisch unterschiedlicher nicht sein können, was sicherlich kein Zufall war.

Der spätere Bundespräsident

Theodor Heuss ist der bekannteste des RNZ-Dreigestirns, denn er wurde 1949 erster Bundespräsident der BRD. Er war ein Liberaler, der schon 1932 ein kritisches Buch über Adolf Hitler veröffentlichte, das den Nationalsozialisten überhaupt nicht gefiel. Dennoch stimmte er 1933 als Reichstagsabgeordneter dem „Ermächtigungsgesetz“ zu. Nationalsozialist wurde er nie, sondern er hält Kontakt zu verschiedenen Widerstandsgruppen. Sein Sohn Ernst Ludwig ist noch stärker in den Widerstand eingebunden als er selbst. Das Kriegsende erlebte er in Heidelberg. Und wie ihm ein amerikanischer Offizier dort das Angebot unterbreitete, Herausgeber der RNZ zu werden, das haben wir schon ausführlich in einem Blogartikel beschrieben.

Aus Haft und KPD zur RNZ

Rudolf Agricola begann politisch bei der SPD, wechselte aber zur SAP und 1933 zur KPD. Er war entschiedener Gegner der Nationalsozialisten und wurde schon 1933 erstmalig verhaftet, 1934 wurde er wegen seiner Widerstandstätigkeit für die KPD als „Hochverräter“ zu acht Jahren Gefängnis verurteilt und kam erst 1943 wieder frei. Er erlebte das Kriegsende in Villingen und wurde von den Amerikanern 1945 in den Vorstand ihrer neu gegründeten Nachrichtenagentur DENA aufgenommen. Zeitglich wurde der Wirtschaftswissenschaftler Herausgeber der RNZ.

Aus SPD und KZ zur RNZ

Der dritte Herausgeber der RNZ, Hermann Knorr, war von 1932 bis 1933 badischer Landtagsabgeordneter der SPD. 1933 wurde er vorübergehend verhaftet und konnte dann in die Schweiz emigrieren, aber nach einem Jahr zog es ihn zurück in die elterliche Textilhandlung bei Heidelberg. Er blieb unter Beobachtung der Gestapo, die ihn 1944 für drei Monate ins KZ Dachau verschleppte. 1945 wurde er Mitherausgeber der RNZ, ab 1946 war er auch wieder Landtagsabgeordneter der SPD.

Nur einer bleibt

Vom ursprünglichen RNZ-Dreigestirn blieb bald nur noch Hermann Knorr übrig. Theodor Heuss wurde noch im September 1945 erster Kultusminister von Württemberg-Baden, schrieb als solcher zwar noch Artikel für die RNZ, aber als Bundespräsident ging das dann irgendwann nicht mehr. Und Rudolf Agricola verlor im August 1948 seine Herausgeber-Lizenz, weil er der KPD treu blieb und außerdem die Westmächte scharf kritisierte. Seine Karriere ging jedoch in der DDR weiter. Er wurde Professor, Institutsleiter, SED-Mitglied, Abgeordneter der DDR Volkskammer und sogar Generalkonsul der DDR in Finnland.

Ein Familienunternehmen

Hermann Knorr blieb Herausgeber und die RNZ wurde ein Familienunternehmen, das der Familie Knorr. Nach ihm
übernahmen seine Söhne die RNZ und danach und bis heute die Enkel.

Die magische Zahl drei

Zum Schluss noch einmal zurück zum Anfang, zum 5. September 1945. Die RNZ war nach den Aachener Nachrichten und der Frankfurter Rundschau die dritte Zeitung der amerikanischen Zone, die eine Lizenz erhielt. Am Anfang erschien sie nicht täglich, sondern dreimal die Woche. Und 1945 hatte sie genau drei Herausgeber, das wisst ihr schon. Und jetzt sage ich:

Herzlichen Glückwunsch zum 80. Geburtstag, liebe RNZ!

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Dennis R. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

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