Demokratiegeschichten

Der 8. Mai – Tag der Befreiung? Wie BRD und DDR das Kriegsende erinnerten

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Deutschland kapitulierte. Die NS-Herrschaft war somit vorbei. Dadurch begann für Deutschland eine neue Zeit. Heute wird der 8. Mai als Tag der Befreiung gefeiert. Allerdings bewerteten BRD und DDR diesen Tag noch völlig unterschiedlich.

BRD: Vom Tag der Niederlage zum Tag der Verantwortung

In der BRD galt der 8. Mai lange Zeit als Tag der Niederlage. Viele Menschen fühlten sich nicht befreit, sondern besiegt. Statt an Befreiung dachten sie an Verlust, Besatzung und Schuld. Deshalb wurde der Tag lange nicht öffentlich gewürdigt. Die Aufarbeitung der NS-Zeit blieb lange Zeit oberflächlich.

Erst 1985 änderte sich der Blick spürbar. Bundespräsident Richard von Weizsäcker hielt eine historische Rede im Bundestag.

„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. […] Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

Seitdem gilt der Tag als Wendepunkt im politischen Gedenken. Weizsäcker nannte ihn den Beginn der Verantwortung. Zugleich rückte er die Opfer der NS-Zeit in den Mittelpunkt. Außerdem forderte er Erinnerung als Grundlage für Demokratie. Damit wurde der 8. Mai zu einem Symbol für neue Werte.

DDR: Der 8. Mai als antifaschistischer Gründungsmythos

Im Gegensatz dazu feierte die DDR den 8. Mai von Beginn an. Er hieß: „Tag der Befreiung vom Faschismus“. Damals galt er als zentrales Datum im Selbstbild des Staates. Die Sowjetunion wurde als Befreier verehrt. Darum war dieser Tag ein staatlich geprägter Feiertag.

Wilhelm Pieck, erster Präsident der DDR, sagte 1949:

„Am 8. Mai 1945 wurde das deutsche Volk durch die ruhmreiche Sowjetarmee vom Hitlerfaschismus befreit. […] Diese Befreiung war Voraussetzung für eine neue demokratische Ordnung, wie sie sich in der DDR verwirklicht hat.“

Antrittsrede von Wilhelm Pieck 1949 – DDR-Korpus der Humboldt-Universität

Folglich erklärte sich die DDR zur antifaschistischen Alternative zur BRD. Westdeutschland galt als „faschistisch verblendet“. Zugleich diente die Erinnerung der politischen Selbstabsicherung. Jedoch fehlte eine offene Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung.

Vergleich: Zwei Staaten, zwei Deutungen

Die Bedeutung des 8. Mai zeigt tiefe Unterschiede zwischen BRD und DDR:

AspektBRD (Westdeutschland)DDR (Ostdeutschland)
8. Maierst Niederlage, später als
Befreiung anerkannt
von Beginn an als
„Befreiung“ gefeiert
Gedenkkulturkritisch, pluralistisch, selbstreflektierendstaatlich gelenkt und
ideologisch geprägt
Umgang mit NS-Vergangenheitwachsende Selbstkritik,
individuelle Verantwort-
lichkeit
Schuld wurde
dem
Westen
zugeschrieben
Bezug zur Demo-kratieGrundlage für freiheitliche DemokratieLegitimation des
Sozialismus

Daher entwickelten sich zwei ganz unterschiedliche politische Kulturen. Infolgedessen wurde Geschichte in beiden Staaten anders erzählt.

Was bleibt? Erinnerung als demokratische Praxis

Heute wird der 8. Mai als Tag der Befreiung verstanden. Doch das war ein langer Weg. Inzwischen ist Erinnerung Teil der demokratischen Kultur in Deutschland. Außerdem stärkt sie das Bewusstsein für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.

Die Bundesrepublik fördert heute eine offene Erinnerungskultur. Dabei steht die Verantwortung der Gesellschaft im Vordergrund. Die DDR nutzte Geschichte vor allem zur Stabilisierung ihrer Herrschaft.

Insgesamt zeigt der Umgang mit dem 8. Mai: Erinnerung ist nicht neutral. Vielmehr prägt sie unser Verständnis von Freiheit und Demokratie. Deshalb braucht eine lebendige Demokratie kritisches Gedenken. Denn nur wer erinnert, kann auch handeln.


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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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