Demokratiegeschichten

„Der Wahnsinn“ – Erinnerung an den Mauerfall

„Hast Du gestern Abend auch die Nachrichten gesehen – der Hammer so viele Leute auf der Straße und nix ist passiert!“ – so fing mein Schultag am 10.10.1989 an.

Am Tag zuvor, dem 09.10.1989, waren tausende von Menschen in der damaligen DDR während der Montagsdemonstrationen in Leipzig, Dresden und vielen anderen Orten auf der Straße, um friedlich für ein anderes Land, ein anderes System, für ihre Rechte zu demonstrieren.

Wie üblich standen wir damals vor der 1. Schulstunde noch vor dem Klassenzimmer rum und fanden das „den Wahnsinn“. So viele Menschen und nichts ist passiert, kein Blutvergießen. Wir waren total beeindruckt, denn in meinem damaligen Verständnis einer 15-jährigen, die im Süden der Republik groß wurde und so überhaupt gar keinen Bezug zur DDR hatte, war das einfach „der Wahnsinn“.

Meine Vorstellung der DDR war

  • Mauer
  • Grau
  • keiner darf hingehen, wohin er möchte
  • Westpakete

Heute betrachtet eine relativ einseitige Denke – wir waren die Guten, die da drüben die Bösen – Kalter Krieg eben. Umso aufregender fanden wir die Szenen im Fernsehen.

Unterrichtsbeginn und wir waren einfach nicht ruhig zu kriegen, was dazu führte, dass Deutsch-Unterricht nicht stattfinden konnte, sondern unser Deutschlehrer ein kleines Transistorradio aus seiner Tasche holte und anstellte.

Unserer Lehrer – selbst in den 60er-Jahren aus der DDR geflüchtet, wie wir nun erfuhren – war damals schon der Meinung, dass dieser 9.10.1989 ein besonderer Tag gewesen ist und es für uns wichtig wäre, die Nachrichten zu verfolgen, falls noch mehr passieren würde. Und es passierte noch mehr, wie wir heute wissen.

Versuchen wir uns doch einfach nochmal genau zu erinnern, was haben wir denn damals in den westdeutschen Bundesländern eigentlich so gemacht, während „die auf der anderen Seite der Mauer“ auf der Straße waren. Nichts Besonderes, Alltag wie immer – aber im Fernsehen und dem Radio war etwas Außergewöhnliches zu sehen.

Damals waren wir Jugendlichen begeistert und ich selbst hatte den Eindruck, dass es allen so ging. Was in den nachfolgenden Tagen und Monaten kommen sollte, war offen. Als letztlich am 09.11.1989 auch noch die Grenzen geöffnet wurden, war bei uns Jugendlich die Begeisterung riesig. Alle waren nun „frei“ und glücklich.

Positive Erinnerungen

Rückblickend ist bei mir der 09.10.1989 mit ausschließlich positiven Erinnerungen behaftet. Für die Gegenwart wäre es schön, diese Erinnerungen einfach einmal wieder abzurufen, nachzudenken was hat sich denn geändert, dass wir in der Gegenwart oftmals so kritisch sind, was die Thematik der Wiedervereinigung angeht. Was ist aus unserer Freude und Begeisterung geworden? Persönlich bin ich davon überzeugt, dass diese positiven Erinnerungen uns in der Gegenwart helfen können, wieder mehr aufeinander zuzugehen und den Weg als ein gemeinsames Land weiter zu gehen, ohne Vorbehalte, Vorwürfe und Ausgrenzungen, aber auf jeden Fall miteinander.

Astrid wurde 1974 in Freiburg geboren und ist heute Mitglied von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.

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