Demokratiegeschichten

„Die Kugel, die mich treffen soll, ist schon gegossen“ – Matthias Erzberger

Vor 100 Jahren, am 26. August 1921, starb der ehemalige Reichsfinanzminister Matthias Erzberger. Er befand sich zu dieser Zeit mit seiner Familie im Urlaub.

Im beschaulichen Schwarzwaldkurort Bad Griesbach suchte Erzberger Erholung, auch von den Attentaten, die er bereits überlebt hatte. Zwei Mal schon hatte man auf den Zentrumspolitiker geschossen – bisher erfolglos. Doch Erzberger ahnte, dass man ihn noch einmal angreifen würde.

Letztlich trafen ihn die Kugeln an diesem Sommertag im August. Während einer Wanderung mit dem Zentrumspolitiker Carl Diez lauerten zwei Attentäter Erzberger auf und richteten ihn gezielt hin. Sie waren Teil der rechtsterroristischen Organisation „Consul„. Vor Ort erinnert heute nur eine kleine Gedenktafel an das Verbrechen.

Demokratisch – trotz rechter Hetzkampagnen

Der Hass auf Erzberger hatte sich durch seine Rolle nach dem Ersten Weltkrieg entfacht. Auf ausdrücklichen Wunsch Paul von Hindenburgs hatte Erzberger den am 11. November 1918 den Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnet. Somit war der Krieg per Vertrag beendet – Verloren war er für das Deutsche Reich allerdings schon lange. Die Waffenstillstandserklärung war nur eine folgerichtige Handlung, die Erzberger auf Befehl hin ausführte.

Eine Illustration rechter Propaganda aus dem Jahr 1924. Sie zeigt Philipp Scheidemann und Matthias Erzberger und illustriert den Mythos der „Dolchstoßlegende“. Quelle: Wikimedia, gemeinfrei

Trotzdem lasteten rechte Agitatoren auch ihm die Niederlage und ihre Folgen an. Erzberger sei ein „Novemberverbrecher„, der für die deutsche Schmach verantwortlich gemacht werden müsse. Sie verbreiteten Lügen und sähten Hass, untermalt mit Antisemitismus. Matthias Erzberger sei ein Jude, da habe der Verrat an Deutschland ja wohl nahe gelegen. Diese kruden Mythen und verqueren Annahmen halten sich bis heute in Teilen der Bevölkerung: Obwohl Erzberger Katholik war.

Ein aufrechter Demokrat

„Allein die Demokratie kann die Zukunft und Rettung des deutschen Volkes verbürgen“

Matthias Erzberger im Jahr 1920.

Matthias Erzberger erlag seinen Angreifern am 26. August 1921. Dennoch hielt er bis zum Schluss an seinen Überzeugungen fest und trat für ein demokratisches System ein. Er trug maßgeblich zum Ende des Ersten Weltkrieges bei und bewahrte somit Menschen vor weiterem Leid. Als Reichsfinanzminister reformierte er das Steuersystem der Weimarer Republik.

Immer wieder kämpfte Erzberger für die deutsche Demokratie. Er zog sich nicht aus der Öffentlichkeit zurück: Obwohl – und gerade weil – er sich der Risiken bewusst war.

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Über uns 
Michèle ist Studentin der Geschichtswissenschaften M.A. an der Humboldt-Universität Berlin und arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

1 Kommentar

  1. Roberto

    26. August 2021 - 20:23
    Antworten

    Auch heute müssen wir wieder die Demokratie gegen rechte Hetze und Gewalt verteidigen, auch im Gedenken an diesen großen Demokraten!

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