Demokratiegeschichten

Emmeline Pankhurst: Well done, Sister Suffragette!

Was haben das Lied „Sister Suffragette“ aus dem Musical Mary Poppins und Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett in London gemeinsam?
Richtig: Beide würdigen Emmeline Pankhurst und die Frauenbewegung – jedoch auf sehr unterschiedliche Weise.

Wer war Emmeline Pankhurst?

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Emmeline Pankhurst um 1913; Foto: gemeinfrei.

Emmeline Pankhurst, geborene Goulden, kam 1858 in Manchester zur Welt. Ihre Eltern, Robert Goulden und Sophia Crane, vertraten radikal-demokratische Einstellungen. Sie setzten sich beispielsweise für die Abschaffung der Sklaverei ein – und eben auch für die Einsetzung des Frauenwahlrechts. So kam es, dass Emmeline schon im Alter von 14 Jahren an ihrer ersten Versammlung über das Frauenwahlrecht teilnahm. Dieses Thema beschäftigte sie ihr Leben lang.

Es war auch das Thema ihres Mannes Richard Marsden Pankhurst, der für die Sozialisten im britischen Unterhaus kandidierte und den sie 1879 heiratete. Gemeinsam hatten sie fünf Kinder und engagierten sich in der Independent Labour Party, bis zu Richards Tod 1898. Die nächsten Jahre war Emmeline damit beschäftigt, die Familie über Wasser zu halten. Unterstützung hatte sie dabei von ihren zwei ältesten Töchtern Christabel und Estelle. Beide trugen nicht nur finanziell zum Haushalt bei, sondern unterstützen ihre Mutter auch in ihren politischen Aktivitäten.

Women’s Social and Political Union

Emmeline Pankhurst widmete sich verstärkt dem Thema Frauenwahlrecht. Schließlich gründete sie im Oktober 1903 gemeinsam mit Christabel und vier weiteren Frauen die Women’s Social and Political Union (WSPU). Die Organisation ist der radikal-bürgerlichen Frauenbewegung zuzuordnen.

Bereits in den Jahrzehnten zuvor hatte es Anträge und Vorschläge zur Erweiterung des Wahlrechts (engl. „suffrage“) für Frauen gegeben. Doch die Vorschläge und Reden im Parlament waren stets verpufft, ohne eine Veränderung zu bewirken. Selbst fortschrittliche und liberale Politiker wollten den Frauen das Wahlrecht nicht zugestehen oder konnten sich nicht durchsetzen. Unter Emmeline entwickelte sich nun ein Teil der Frauenbewegung, der für die Rechte tatsächlich kämpfen wollte. Dazu sagte Pankhurst einmal:

Wenn es für Männer richtig ist, für ihre Freiheit zu kämpfen, ist es auch für Frauen richtig, für ihre Freiheit und die ihrer Kinder zu kämpfen. Dies ist das Glaubensbekenntnis der militanten Frauen Englands.

zitiert nach Pusch, Luise (2002): Emmeline Pankhurst. Biografie.

Gewaltfrei, aber militant

Eine Veranstaltung von Suffragetten in Manchester um 1908; Foto: gemeinfrei.

Emmeline entwickelte daraufhin eine Theorie des gewaltlosen Widerstands. Damit ist Widerstand gemeint, der auf Gewalt an anderen Menschen verzichtet. Dazu gehören etwa Protestschreiben, Demonstrationen, Sitzstreiks – aber auch bestimmte Formen der Sachbeschädigung.

Die Methoden der WSPU radikalisierten sich zunehmend. Schließlich führten ihre Mitglieder sogar Brand- und Bombenanschläge durch. Angezündet und gesprengt wurden beispielsweise Briefkästen, aber auch in leerstehenden Landsitzen und Kirchen wurden Feuer gelegt und Schaufenster von Geschäften mit Steinen eingeworfen.

Emmeline Pankhurst und andere Frauen der WSPU kamen aufgrund solcher Aktionen mehrmals als Durchführende oder Verantwortliche in Haft. Polizei und Justiz gingen mit Härte gegen die Proteste vor, es kam zu zahlreichen Verhaftungen, Verfolgung von Aktivist:innen und handgreiflichen Auseinandersetzungen.

Während der Verhaftungen setzten die Suffragetten – den von der Presse abwertend gemeinten Namen hatten sie sich bereits zu eigen gemacht – auf eine neue Protestform: den Hungerstreik. Emmeline Pankhurst selber trat etwa während einer 18-monatigen Haftzeit zehnmal in Hungerstreik. Auf die Hungerstreiks reagierten die Wärter:innen oft mit Zwangsernährung. Doch Bilder von diesen Prozeduren, Berichte der Frauen und die offensichtliche Schwäche von Entlassenen brachten den Frauen zunehmend die Sympathie der Öffentlichkeit ein. Ab 1913 fanden daher keine Zwangsernährungen mehr statt.

Emmeline Pankhurst Verurteilung

Ebenfalls 1913 stand Emmeline Pankhurst vor Gericht. Als Drahtzieherin eines Bombenanschlags auf das Landhaus des britischen Schatzkanzlers David Lloyd George erhielt sie eine dreijährige Haftstrafe. Am 3. April erfolgte das Urteil und ihre anschließende Inhaftierung.

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Verhaftung Emmeline Pankhursts am 21. Mai 1914 vor dem Buckingham Palace; Foto: gemeinfrei.

Als Reaktion auf das Urteil kam es zu mehreren Straßenschlachten zwischen Frauenrechtlerinnen mit der Polizei. Auch Anschläge auf öffentliche Einrichtungen oder prominente Personen folgten. So wurde etwa der damalige Premierminister Herbert Asquith von Aktivistinnen mit Pfeffer und einer toten Katze beworfen. Schließlich nahmen die Proteste ein solches Ausmaß an, dass die Presse die landesweiten Brand- und Bombenanschläge als Reign of Terror („Herrschaft des Terrors“) bezeichnete.]

Pankhurst kam bereits am 12. April 1913 wieder aus der Haft frei. Durch einen Hungerstreik hatte sich ihr Gesundheitszustand massiv verschlechtert.

Trotzdem hielten die Unruhen an. Getreu ihres Mottos des gewaltlosen Widerstands richtete sich die Gewalt nicht gegen Menschen.

Einen traurigen Höhepunkt erreichten die Proteste, als im Juni 1913 die Suffragette Emily Davison ums Leben kam. Bei einem Sommerderby in Epsom warf sie sich während des Rennens vor das Pferd des Königs und erlag wenig später ihren Verletzungen. Die Frauenbewegung, insbesondere die WSPU, stilisierte Davison daraufhin zu einer Märtyrerin der Frauenbewegung. Als „Engel der Rennbahn“ wurde sie auf Zeitungen abgebildet.

Front page of The Suffragette showing an drawing of Davison depicted as an angel. The headline reads "In Honour and in Loving, Reverent Memory of Emily Wilding Davison. She Died for Women."
Das Titelblatt der Zeitung „The Suffragette“ vom 13. Juni 1913; Foto: gemeinfrei.

De Ersten Weltkrieg und danach

Der Erste Weltkrieg ließ die Frauenrechtsbewegung abklingen. Viele Frauen unterstützten stattdessen die britische Mobilmachung und Kriegsanstrengungen. Emmeline Pankhurst selbst setzte sich u. a. für das Wahlrecht für Soldaten und Seeleute ein.

Sie und ihre Töchter unterstützen aber auch aus heutiger Sicht zweifelhafte Organisationen wie den Order of the White Feather. Diese nötigte Männer zum Kriegsdienst, indem junge Frauen ihnen, wenn sie keine Uniform trugen, eine weiße Feder anhängten. Die weiße Feder ist in England ein Symbol für Feigheit, damit sollte dementsprechend öffentlich gemacht werden, dass die gekennzeichneten Männer nicht bereit waren, für ihr Land zu kämpfen.

Während des ersten Weltkriegs unterstützte die WSPU den Kriegseinsatz Großbritanniens und benannte sich 1917 in Women’s Party um. Nach Kriegsende erlangten Frauen in Großbritannien zum ersten Mal das aktive und passive Wahlrecht. Wer 30 Jahre alt war, durfte wählen, ab einem Alter von 21 Jahren durften Frauen sich wählen lassen. Emmeline Pankhurst schloss sich daraufhin der konservativen britischen Partei der Tories an.

Bald verließ sie allerdings England aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustand und verbrachte die nächsten Jahre in Kanada und auf den Bermudainseln. Erst 1925 kehre sie ins Vereinigte Königreich zurück. Am 2. Juli 1928 starb Emmeline Pankhurst – nur wenige Wochen, bevor das allgemeine Wahlrecht für Frauen in Kraft trat.

Sister Suffragette

Ebenso radikal wie die Frauenrechtsbewegung, deren Anführerin sie wurde, war Emmeline Pankhurst in einigen ihrer Entscheidungen und Handlungen. Der Bruch mit ihrer Tochter Adela ging etwa so weit, dass jene 1914 nach Australien auswanderte und ihre Mutter nie wieder sah.

War Emmeline Pankhurst für ihre Zeit zu radikal? Oder vielleicht gerade radikal genug?

File:Westminster emmeline pankhurst statue 1.jpg
Die Statue von Emmeline Pankhurst in den Victoria Tower Gardens in Westminster, London, wurde bereits 1930 aufgestellt. Foto: Fin Fahey, CC BY-SA 2.5 DEED.

Kehren wir zur Eingangsfrage zurück: Was haben das Lied „Sister Suffragette“ aus dem Musical Mary Poppins und Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett in London gemeinsam?

„Sister Suffragette“ ist das Erkennungslied von Mrs. Banks, also der Mutter der zwei Kinder, um die sich die titelgebende Mary Poppins kümmern wird. Weil Mrs. Banks mit der Führung des Haushalts nicht ausgelastet ist, engagiert sie sich in der Suffragettenbewegung. Das könnte man in dem 1964 erschienen Film nun als fortschrittlichen und emanzipatorischen Schritt verstehen. Würde Mrs. Banks ihr Engagement nicht vor ihrem Mann geheim halten und das Engagement nicht als einer der Gründe aufgezeigt werden, warum sich ihre Kinder vernachlässigt fühlen. In dieser Einordnung von Mrs. Banks als zwar engagierte, aber auch inkompetente Suffragette, spiegelt sich womöglich letztlich Walt Disneys Einstellung zur damals aufkommenden zweiten Frauenbewegung.

Anders die Enthüllung bei Madama Tussauds: Zur Enthüllung der Wachsfigur waren drei Feminist:innen der Gegenwart eingeladen. Gemeinsam diskutierten sie über Emmeline Pankhursts Erbe, modernen Feminismus und darüber, welche Ziele noch zu erreichen seien.

„Deeds, not words“ – „Taten statt Worte“. Das Motto der WSPU, das auch Pankhursts Überzeugungen traf, fasst ihr Leben in der Tat recht gut zusammen.

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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