Demokratiegeschichten

Ein Freiheitskampf aus Treue zu Wien: der Tiroler Volksaufstand von 1809

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts läuft in Europa nichts ohne Napoleon Bonaparte, den Kaiser der Franzosen. So schließt 1805 auch der bayerische Kurfürst ein Bündnis mit Frankreich. Anschließend muss Bayern zusammen mit seinem neuen Verbündeten Krieg gegen Österreich führen, an dessen Seite es fünf Jahre zuvor noch gegen Frankreich gekämpft hatte.

Nach der Niederlage in diesem Krieg muss Österreich Tirol an die Sieger abtreten. Frankreich übergibt es dann offiziell im Februar 1806 an seinen Verbündeten Bayern, zusammen mit der Erhebung zum Königreich. Die Tiroler:innen selbst sind alles andere als begeistert von ihrer neuen bayerischen Landeszugehörigkeit, weswegen sich schnell Unmut breit macht.

Eine Sonderrolle, aber nicht für lange

Der (jetzt) König von Bayern weiß das und ist deshalb bereit, den Tiroler:innen mit einigen Zugeständnissen entgegenzukommen:

  • Unantastbarkeit der Tiroler Landesverfassung
  • Bestätigung der Sonderstellung Tirols
  • Garantiezusage, dass kein Tiroler zum Kriegsdienst außerhalb Tirols einberufen werden wird
  • Ernennung eines Tirolers als Verwaltungschef des neuen bayrischen Landesteils

Diese Sonderbehandlung widerspricht allerdings den Plänen der bayerischen Regierung in München, ihren neuen Status als Königreich zu konsolidieren. Sie macht Tirol zur Provinz Südbayern. Außerdem hebt sie die Steuern massiv an, obwohl es wirtschaftlich bergab geht.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt

Quelle: Geiserich77, CC BY-SA 3.0 DEED

In dieser sowieso schon aufgeheizten Situation greift der bayerische Staat dann auch noch in den einen Lebensbereich ein, den im Verständnis der tiefgläubigen Tiroler:innen aber wirklich gar niemanden außer sie selbst etwas angeht: ihren Glauben. Im Rahmen ihres Modernisierungs- und Reformprogramms verbieten die Bayern unter anderem die Mitternachtsmesse, schaffen bäuerliche Feiertage ab und konfiszieren Stiftsgüter. Für die fundamentalkonservative Tiroler Landbevölkerung bricht eine Welt zusammen.

Als dann Bayern Anfang Mai 1808 eine neue Verfassung für sein Königreich ausruft und damit auch die Tiroler Verfassung außer Kraft setzt, ist das Maß für viele voll. Tirol wird in drei Kreise aufgeteilt und Tiroler können nunmehr auch ganz regulär zum Dienst an der Waffe eingezogen werden. Als bayerische Soldaten im März 1809 dies umzusetzen versuchen, nehmen wütende Bauern ihnen kurzerhand ihre Waffen ab und jagen sie zurück nach Innsbruck.

Mit Österreich im Rücken

Am 9. April 1809 bricht der Tiroler Aufstand vollends aus. Zeitlich erklärt Österreich Frankreich den Krieg und rückt umgehend mit Truppen auf bayerisches Gebiet vor. Außerdem verfasst der österreichische Erzherzog eine Urkunde, die alle kämpfenden Tiroler zum Teil einer Streitmacht und eben nicht zu Rebellen erklärt – und Tirol wieder zum Besitz Österreichs. Denn Bayern habe durch die Aufhebung der Tiroler Verfassung sein Besitzrecht verwirkt.

Tiroler Aufständische bei der Schlacht am Bergisel 1809. Gemälde von Franz Defregger (1900). Quelle: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, gemeinfrei

Auch wenn es zunächst etwas paradox wirkt, kämpfen die Aufständischen nicht einfach gegen den einen Herren, nur um dann Untertan:innen eines anderen zu werden. Aus ihrer Sicht ist die französische und bayerische eine Fremdherrschaft, die österreichische aber nicht. Denn die Tiroler:innen verstehen sich als treue Untertan:innen der Habsburger.

Auch wenn sie also weder für eine Republik und schon gar nicht für eine Demokratie kämpfen, ringen sie doch um das Recht, selbst entscheiden zu können, welchem Reich sie angehören wollen. In dieser Hinsicht motiviert der Tiroler Aufstand zahlreiche andere Widerstandsbewegungen in Europa gegen die Herrschaft Napoleons, nicht zuletzt den langwierigen Krieg in Spanien.

Kampf für die Freiheit, aber nicht für alle

Andreas Hofer. Gemälde von Franz Defregger (Mitte des 19. Jahrhunderts). Quelle: Tiroler Kaiserjägermuseum, gemeinfrei

Der Tiroler Aufstand läuft dabei sehr dezentral und mit wenigen Anführern ab. Der bekannteste von ihnen, der auch langfristig eine große Strahlkraft entwickeln wird, ist Andreas Hofer (*1767). Er wird bekannt als Tiroler Freiheitsheld und noch heute als solcher verehrt.

Zunächst bringen die Aufständischen große Teile des Landes Stück für Stück unter ihre Kontrolle. Französische Truppen vertreiben allerdings währenddessen die Österreicher wieder aus Bayern und marschieren nun ihrerseits auf die habsburgische Hauptstadt Wien. Gleichzeitig schickt Napoleon Truppen nach Tirol, um es auch wieder unter Kontrolle zu bringen. Die französischen Truppen gehen dabei brandschatzend und brutal gegen die Tiroler Zivilbevölkerung vor.

In dieser Lage positioniert sich Andreas Hofer mit seinem Bauernheer, unterstützt von österreichischen Truppen, in der Nähe von Innsbruck am Bergisel. Die folgende Schlacht geht zwar unentschieden aus, die Bayern räumen aber trotzdem anschließend die Stadt.

Nach dem Einmarsch verüben die Aufständischen ein Pogrom gegen die Jüdinnen und Juden Innsbrucks. Nicht nur hier zeigen sich sehr konservative Dimensionen des Tiroler Freiheitskampfes. Ebenso erlässt Hofer als Regent Tirols etwa restriktive Bekleidungsvorschriften für Frauen und verbietet Wirtshäusern, während des Gottesdienstes zu öffnen.

Im Stich gelassen

Für die Tiroler:innen sieht es für den Moment militärisch nicht schlecht aus. Allerdings ist Österreich gezwungen, einen Waffenstillstand mit Frankreich zu unterzeichnen. Französische Truppen machen sich umgehend daran, Tirol ohne österreichischen Widerstand zu besetzen. Nur in Südtirol bleibt der Widerstand unter Andreas Hofer organisiert. Erfolgreich können seine Aufständische die Franzosen zunächst zurückschlagen und sich dann auf die Verteidigung konzentrieren. Allerdings werden Geld und Nahrungsmittel zusehends knapp.

Karte des Kaisertum Österreich nach dem Frieden von Schönbrunn. Quelle: Staats-Geschichte Europas von dem Frieden von Tilsit bis zur Abreise Napoleons zur Armee in Spanien, gemeinfrei

Nachdem Österreich dann den Friedensvertrag von Schönbrunn mit Frankreich unterzeichnen und darin erneut auf Tirol verzichten musste, stehen die Aufständischen ohne Schutzmacht da. Erneut rücken bayerische und französische Truppen dann ins Aufstandsgebiet ein und schlagen die Tiroler in mehreren Gefechten. Dieses Mal gehen sie langsamer, mit mehr Bedacht und weniger repressiven Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung vor.

Spielball der Fürstenhäuser

Angesichts der militärischen Übermacht ihrer Feinde sehen sich die Aufständischen mit der Aussichtslosigkeit ihres Kampfes konfrontiert. Immer mehr geben ihre Bemühungen auf und kehren den Kämpfen den Rücken. Als die Besatzer dann auch noch das letzte Aufgebot der Aufständischen in einer weiteren Schlacht am Bergisel Anfang November vernichtend schlagen, bricht der Tiroler Widerstand zusammen.

Die Hinrichtung von Andreas Hofer Anfang 1810. Quelle: gemeinfrei

Nach ihrem endgültigen Sieg gehen die französischen Besatzer, anders als vorher versprochen, sehr hart gegen die Tiroler Bevölkerung vor. Vor allem in Südtirol kommt es zu zahlreichen Exekutionen von (vermeintlichen) Widerständlern. Auch Andreas Hofer selbst nehmen Besatzungstruppen nach Flucht und Versteck im Januar 1810 gefangen und richten ihn auf ausdrücklichen Befehl Napoleons wenig später hin. Österreichisch wird Tirol dann wieder 1814, nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft über Europa.

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Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

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