Demokratiegeschichten

Joan Baez – eine Stimme für den Frieden

Viele von uns schauen diese Tage auf die andere Seite des Atlantiks. Was dort mit der Erstürmung des Capitols in Washington geschah, lässt mitunter an der Fähigkeit zur Demokratie zweifeln. Bei all dem Schock sollten wir nicht vergessen, dass es in den USA immer auch andere Stimmen gab und gibt. Solche, die sich für Frieden, Gewaltfreiheit und Solidarität eingesetzt haben. Eine von ihnen, Joan Baez, wird heute 80 Jahre alt.

Sängerin und Friedensaktivistin

Joan Baez auf dem Frankfurter Ostermarsch 1966, 2. von rechts; Quelle: Wikimedia, CC BY-SA 4.0.

Joan Beaz wurde am 9. Januar 1941 in Staten Island in New York City geboren. Seit ihre Karriere Ende der 1950er Jahre begann ist sie als Sängerin, Bürgerrechtlerin und Pazifistin unterwegs. Bewusst verband und verbindet Baez diese Bereiche. Durch ihre politische Musik galt und gilt sie daher noch heute als Ikone der Friedensbewegung. In den 1960er Jahren nahm sie beispielsweise mehrmals an Ostermärschen in der Bundesrepublik teil.

Statt einen ausführlichen Lebenslauf zu schreiben möchte ich daher ein paar ihrer Lieder vorstellen. Und die Umstände, in denen Baez sie gesungen hat.

We shall overcome

Das Lied „We Shall Overcome“ war eines der wichtigsten Lieder der US-Bürgerrechtsbewegung. Es geht zurück auf ein Gospel des Pfarrers Charles Albert Tindley, der das Lied 1901 als „We will overcome one day“ verfasste.

Die Proteste der Bürgerrechtsbewegung hatten zum Ziel, die Rassentrennung und -diskriminierung in den USA zu beenden. Auch Joan Baez unterstützte die Bewegung. 1962, auf einer Tournee durch die Südstaaten, trat sie ausschließlich in schwarzen Universitäten auf. Sie hatte sich geweigert, an Orten zu spielen, die noch Rassenschranken hatten. Daher kamen nur schwarze Universitäten in Frage.

Am 28. Augst 1963 beteiligte sich Baez am Marsch auf Washington. An dem Tag, an dem Martin Luther King seine Rede „I have a dream“ hielt, sang sie ihre Version von We Shall Overcome. Dadurch verhalf sie dem Lied zum endgültigen Durchbruch.

Quelle: Youtube

Swing Low, Sweet Chariot

Ein weiteres Lied, dass durch die Bürgerrechtsbewegung und den Aufstieg des Folk bekannt wurde, sang Joan Baez 1969 in Woodstock. Zu diesem Zeitpunkt saß ihr damaliger Mann David Harris, ein bekannter Gegner des Vietnamkriegs und Kriegsdienstverweigerer, im Gefängnis. Am Tag ihres Auftritts war Baez zudem im sechsten Monat schwanger.

Trotzdem sang sie insgesamt 12 Lieder, während der Regen das Festival in eine Schlammgrube verwandelte. Unbeirrt sprach Baez auch hier über die Situation in Gefängnissen sowie die Falschheit von Rekrutierungen und Krieg. So viel, das sie später im Interview sagte:

Wenn sie [die Leute] nicht politisch waren, hatten sie schnell von mir die Schnauze voll.

https://www.rollingstone.com/music/music-news/joan-baez-woodstock-69-866677/

I shall be released

Zu Thanksgiving 1972 trat Joan Baez zusammen mit B. B. King und den Voices of East Harlem im Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing auf. Neben einem persönlichen Auftritt unterstützte sie eine Filmprojektgruppe von Insassen, die Interviews von Inhaftierten, Personal und Bilder der Konzertvorbereitungen zusammenschnitten. Durch ihre Mitarbeit wollte Baez mehr Verständnis für Strafgefangene erwirken. Sie eröffnete ihren Konzertauftritt mit dem Lied „I shall be released“.

Where are you now, my son?

Weihnachten 1972 reiste Baez mit einer Delegation der Friedensbewegung durch Nordvietnam. Während sie sich in Hanoi aufhielten, begann die US-Armee einen Luftangriff auf die Stadt, der 12 Tage anhielt. Baez und die anderen Delegationsmitglieder hatten Glück und kamen mit dem Schock – und Trauma – davon.

Ein Jahr später verarbeitete die Sängerin ihre Eindrücke auf der Platte „Where are you now, my son?“. Auf dem gleichnamig vertonten Gedicht hört man in Hanoi live aufgenommene Tonbandaufzeichnungen des Angriffs.

No nos moverán – We shall not be moved

Auch nach Europa zog es Joan Baez wiederholt. So sang sie 1977 in Madrid das Lied „No nos moverán“ , welches 40 Jahre lang verboten gewesen war. Erst nach dem Ende der Francos-Diktatur durfte das Lied, in dem es um Widerstand und Entschlossenheit geht, wieder aufgeführt werden.

China

1989 veröffentlichte Joan Baez den Protestsong „China“. Dadurch solidarisierte sich sich mit der blutig niedergeschlagenen Protestbewegung auf dem Tian’amen Platz. Am 3. und 4. Juni wurden dort laut Amnesty International zwischen mehreren hundert und mehreren tausend Menschen vom chinesischen Militär getötet. Der Vorfall ging als Tian’anmen-Massaker in die Geschichte ein.

Auch in späteren Jähren blieb Joan Baez aktiv, politisch und musikalisch. 2018 spielte sie ihre Abschiedstournee, doch wage ich zu bezweifeln, dass wir nicht mehr von ihr hören werden.

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

3 Kommentare

  1. Kerstin

    11. Januar 2021 - 13:53
    Antworten

    Wunderbar an Joan Baez erinnert zu werden. Danke!!!Ich ziehe den Hut vor ihrem lebenslangen Engagement und ihren leidenschaftlichen Liedern…wie gut an ein anderes Amerika erinnert zu werden.

  2. Rainer Möller

    29. Dezember 2023 - 23:02
    Antworten

    Nach der hier gegebenen Darstellung war Baez eine linke Aktivistin, die nur soweit für den Frieden eintrat, wie es im linken Interesse war.

    • Annalena B.

      3. Januar 2024 - 9:56
      Antworten

      Guten Tag Rainer,

      Könnten Sie Ihren Kommentar etwas ausführen? Ich verstehe leider nicht, worauf Sie hinauswollen.

      Freundliche Grüße

      Annalena B.

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