Demokratiegeschichten

Klassenwahlrecht und Co. – Wahlrecht im Laufe der Geschichte

Das Wahlrecht für alle ist eines der wichtigsten Merkmale der modernen Demokratie.

Da der Weg zum allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, freien und geheimen Wahlrecht ein langer war, gab es Vorläufer dieses Wahlrechts, die es lohnt zu kennen. Heute würden wir sie zwar nicht mehr als demokratisch ansehen, doch zu ihrer Zeit ermöglichten sie immerhin einigen Menschen die politische Partizipation.

An dieser Stelle sollen deshalb ein paar dieser Wahlrechtssysteme erläutert werden.

Klassenwahlrecht

Das Klassen- oder Kurienwahlrecht sah vor, dass die Wahlberechtigten in verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Die Zuordnung der Gruppen konnte nach verschiedenen Kriterien erfolgen, wie beispielsweise nach Stand, Bildungsgrad oder Wohnort.

Aufruf der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zur Wählerversammlung der 5. Curie (Österreichische Reichsratswahl 1897). Urheber: Österreichische Socialdemokratische Arbeiterpartei – aus: Rudolf Lehr: Landeschronik Oberösterreich, S. 275.

Durch die meist ungleichmäßige Größe der Gruppen hatten die Stimmen der Wähler jedoch unterschiedlich viel Gewicht. Das Klassenwahlrecht verstieß damit also gegen das Prinzip der Gleichheit.

Dreiklassenwahlrecht

Das Dreiklassenwahlrecht gehört zu den bekanntesten Formen des Klassenwahlrechts. Dieses galt beispielsweise in Preußen von 1850 bis zum Ende der deutschen Monarchie 1918. Hier war die wahlberechtigte Bevölkerung (Männer ab 25 Jahren) in drei Gruppen aufgeteilt, entsprechend ihres Einkommens und der Steuerleistung, die sie erbrachten. Die Gruppen hatten dabei unterschiedliche Stimmanteile.

Dreiklassenwahlrecht: Anteil der Wählerklassen an der Wahl 1849. Abbildung: Hans-Detlef, Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Zensuswahlrecht

Viele der frühen Wahlrechtssysteme basierten darauf, dass einzelnen Gruppen das Wahlrecht gewährt wurde beziehungsweise bestimmte Personen von diesem ausgeschlossen wurden.

So auch das Zensuswahlrecht. Das Zensuswahlrecht stellt eine bestimmte Ausprägung des Klassenwahlrechts dar. Hier erfolgte die Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis, abhängig von deren finanzieller Situation. Der Teil der Bevölkerung, meist der signifikant Größere, der keinen Besitz oder nur ein geringes Einkommen beziehungsweise Steuerleistung vorweisen konnte, wurde von den Wahlen ausgeschlossen. Damit missachtete man die Allgemeinheit von Wahlen.

Diese Bevorzugung wohlhabender und besitzender Staatsbürger existierte bereits in der Antike und blieb bis in die Moderne (frühes 20. Jahrhundert) in vielen Teilen Europas erhalten.

Pluralwahlrecht

Beim Pluralwahlrecht erhielten, wie der Name schon andeutet, bestimmte Einzelpersonen oder Gruppen zwei oder mehr Stimmen bei einer Wahl. Die damit entstehende Bevorzugung ihrer Wahlentscheidung verstieß ebenfalls gegen das heutige Wahlprinzip der Gleichheit.

Ein solches Wahlrechtssystem konnte wie folgt aussehen: Jeder männliche Bürger hatte eine Stimme. Hatte er einen Militärdienst geleistet, erhielt er eine weitere Stimme. Konnte er einen bestimmten Bildungsgrad nachweisen, erhielt er eine Mehrstimme, und bezahlte er eine gewisse Menge an Steuern, stand ihm noch eine weitere Stimme zu.

Das Pluralwahlrecht war historisch gesehen zwar eher selten, wurde jedoch beispielsweise in Belgien von 1893 bis 1919 sowie im Königreich Sachsen von 1909 bis 1918 umgesetzt.

Literatur:
https://www.demokratiezentrum.org/ressourcen/lexikon/zensuswahlrecht/
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17179/beschraenktes-wahlrecht/
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/18459/wahlrecht/
https://www.dwds.de/wb/Zensuswahlrecht
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17367/dreiklassenwahlrecht/
LeMO Zeitstrahl - Kaiserreich - Das Reich - Dreiklassenwahlrecht
Schoeps, Hans-Joachim: Das Pluralwahlrecht, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (Vol. 23, No. 2). 1971. S. 117-128.
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Anya H. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als studentische Hilfskraft.

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