Demokratiegeschichten

Posting Paulskirche

Große Reden, gefüllte Zuschauerränge, Fraktionstreffen in umliegenden Tagungslokalen. Vom Mai 1848 an standen Frankfurt und das dortige Paulskirchenparlament im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Hier diskutierten die 587 Abgeordneten über eine deutsche Verfassung, Staatsform und vieles mehr.

An sechs Tagen die Woche trafen sie sich in Ausschüssen, Fraktionen, im Plenum, Kleingruppen usw. Doch wie erlebten die Parlamentarier selbst diese Zeit? Mit welchen Hoffnungen reisten sie an? Und wie empfanden sie die Zusammenarbeit mir ihren Kollegen?

Das Projekt „Posting Paulskirche“

Logo des Live-Blogs Posting Paulskirche

Diesen und anderen Fragen widmet sich der Live-Blog der KGParl (Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien). In Posting Paulskirche finden sich Ausschnitte aus Briefen und Tagebüchern, die die Abgeordneten während ihrer Zeit in Frankfurt schrieben.

Dabei gehen die Themen weit auseinander, sind aber immer tagesaktuell. Ende Juni 1848 bringt die Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser die Reisepläne des Abgeordneten von Rotenhan durcheinander:

Was wirst Du, was werdet Ihr alle sagen! Soeben bin ich erwählt einer der Sieben zu sein, die als Deputation nach Wien reisen, um dem Erzherzog Johann die Stelle eines Reichsverwesers anzutragen. Statt zu Deinem Geburtstage Dich zu überraschen, wie es mein geheimer Vorsatz war, siehst Du mich nach Wien ziehen.


Hermann von Rotenhan an seine Ehefrau Marie Karoline, 29. Juni 1848

Und über das, war wir heute Work-Life-Balance nennen würden, wird berichtet:

Es sind von hier aus, auch ohne Eisenbahnen zu benutzen, sehr schöne Ausflüge zu machen, wozu ich die Gelegenheit noch mal mehr benutze, wenn ich mir Sitzungsfreie Tage dazu nehmen darf. Dieses ist schon so eine Frage! Es gibt immer solche Masse zu lesen, daß ich vieles nur flüchtige ansehe, nur mit einigen wichtigen Sachen, die ich zu meiner Belehrung vornehmen muss, noch zurück bin.


Ysaak Brons an seine Ehefrau Antje Brons, 15. Juni 1848

Etwas pragmatischer hält dazu ein anderer Abgeordneter in seinem Tagebuch fest:

Mittwoch, Sitzung. Abendspaziergang in den Bierkeller auf dem linken Mainufer.


Tagebuch Jacob Ludwig Theodor Reh, 24. Mai 1848

Die Themen und Töne, die der Blog präsentiert, sind also weit gestreut.

Paulskirche persönlich

Durch den Blick auf Briefe und Tagebücher der Abgeordneten erhalten wir heute einen persönlichen Blick auf die Paulskirche. In ihren privat verfassten Schriften sind die Abgeordneten nicht mehr nur Staatsmänner. Sondern Ehemänner, Väter, Freunde, die in ihren Briefen reflektieren und auch Antworten erhalten. Bis Mai 1849 wird der Blog noch kommentieren – dann löste sich das Paulskirchenparlament auf.

Wer an diesem persönlichen Blick auf die Frankfurter Nationalversammlung interessiert ist, sollte sich Posting Paulskirche unbedingt anschauen. Die Beiträge orientieren sich an historischen Daten, doch sind sie immer auch thematisch überschrieben und von den Historiker:innen der KGParl kommentiert und eingeordnet. Diese Mischung aus Kommentar und historischen Quellen ist eine große Stärke des Blogs, da sie auch Personen mit wenig Vorwissen einen Zugang zu 1848 ermöglicht.

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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