Demokratiegeschichten

Warum Demokratien Helden brauchen

Zu Beginn des Jahres stellte ich mir die Frage, ob Demokratie und Superheld*innen zusammen passen. Viele Superheld*innen lösen Probleme mit Gewalt. In einer friedvollen Demokratie ist das eher unerwünscht. Aber Superheld*innen tragen auch Verantwortung und setzen sich für eine höhere Sache ein. Hier setzt Dieter Thomä in seinem 2019 erschienen Buch „Warum Demokratien Helden brauchen. Plädoyer für einen zeitgemäßen Heroismus“ an.

Die post-heroische Welt

Helden (Gegendert wird im Buch nicht. Frauen sind aber ausdrücklich mitgemeint.) haben es in unserer Welt nicht leicht. Erst recht nicht in der Demokratie: Denn die beruht auf Frieden und Gleichheit. Vor allem letzteres scheint zunächst das Anti-Helden Argument schlechthin zu sein. Denn wer braucht schon Über-Menschen in einer Gesellschaft, in der es reicht, sein eigener Held zu sein.

Das alte Heldenbild, da stimmt Dieter Thomä völlig zu, taugt für die heutige Demokratie nichts. Jenes Bild vom Helden, das war zumeist die Vorstellung vom übermächtigen Kämpfer und Krieger, der sein Leben für eine höhere Sache aufs Spiel setzt. Sich in Gefahr begibt.

Nun leben wir aber in Demokratien – zumeist – im Frieden. Niemand verlangt, dass wir in den Krieg ziehen, um uns zu beweisen. (Selbst das erledigen immer öfter Drohnen für uns.) Fällt ein wichtiger Aspekt des Heldentums – der Einsatz für eine höhere Sache auf eigene Gefahr hin – in der Demokratie völlig weg?

Nein, so Thomä. Denn auch im Frieden lauern Gefahren. Eine davon liegt im sozialen Tod, also dem Zustand, in dem ein Mensch quasi unsichtbar für die Gesellschaft wird. Ein Beispiel aus der Literatur wäre Effi Briest, die nach dem Verstoß aus der Familie in Trauer vergeht und am Ende stirbt. Aber auch in der realen Welt werden Menschen wegen non-konformen Verhaltens aus der Gesellschaft ausgestoßen. Die Möglichkeit des sozialen Todes in Kauf nehmen, kann ein Beleg für heldenhaftes Handeln sein.

Helden für und von uns

Doch es gibt noch mehr, was Helden in der Demokratie auszeichnet. Laut Thomä sind sie Helden für uns und Helden von uns. 

Für uns, das bedeutet, dass der demokratische Held nicht darauf wartet, dass irgendwann jemand handelt. Sondern, dass er sich einsetzt, wo wir noch zögern, auch, wenn er alleine dasteht.

Von uns meint, dass wir merken, dass uns etwas mit dem Helden verbindet. Möglicherweise teilen wir seine Ideale oder würden uns ebenfalls gerne für eine große Sache (Demokratie?) einsetzen. Demokratische Helden regen uns dazu an, uns mit ihnen zu vergleichen. Und uns vielleicht sogar vorzustellen, wie es wäre, so zu sein und zu handeln wie sie.

Wieso braucht die Demokratie Helden?

Wenn man die Nachrichten anschaltet, könnte man denken, dass es vor Anti-Demokraten nur so wimmelt. Populist*innen und Autokrat*innen beherrschen die Nachrichten. Fest entschlossene Menschen, die sich für universelle Werte und Menschenrechte einsetzen, sehen wir zu selten. Aber so richtig aufzurütteln scheint uns das nicht mehr.

„Seltsam gleichgültig“, so Thomä zum Schluss, sei unsere Liebesgeschichte mit der Demokratie geworden. Was fehle, sei die Begeisterung für Demokratie und die Erkenntnis, dass sie Ergebnis vieler Bemühungen und auch Kämpfe sei.

Im Wettlauf mit ihren Gegner*innen gehe es darum, diese Beziehung zur Demokratie neu zu beleben. Dafür brauche es Menschen, die anderen vorangehen und Risiken eingingen. Quasi aufwachen und aktiv werden, bevor der Rest dazu bereit ist. Diese „Frühaufsteher“ könnten die Helden im Rennen um die Demokratie werden.

Lesenswert?

Ja, ich möchte das Buch zum Lesen weiterempfehlen. Meiner Meinung nach ist es ein gut gelungener Mix zwischen Unterhaltung und guten Argumenten. Thomä setzt sich gerade auch mit den Argumenten auseinander, die gegen Helden in der Demokratie sprechen. Und zeigt durch Gegenbeispiele und Gedankengänge, dass es immer schon abweichende Heldenbilder gab. Das Buch inspiriert auf jeden Fall dazu, einige der angerissenen Biografien mal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Helden sind in der Demokratie nicht angekommen, zumindest bisher. Der Argwohn gegenüber ihnen ist groß und auch gegenüber jenen, die sich nach Helden sehnen. Das wird sich auch durch ein Buch nicht von hier und heute an ändern. Dieter Thomä liefert mit „Warum Demokratien Helden brauchen“ dennoch ein gutes Argument dafür, die Debatte um Demokratie-Helden nicht geschlossen zu halten und weiter zu öffnen.

Info zum Buch

Dieter Thomä: „Warum Demokratien Helden brauchen. Plädoyer für einen zeitgemäßen Heroismus“; Verlag: Ullstein, Berlin 2019; 272 Seiten, ISBN 978-3-550-20033-5

Artikel Drucken
Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

1 Kommentar

  1. Wenk

    14. Januar 2020 - 18:01
    Antworten

    die Rezension find ich etwas dürftig, wenn es das Buch auch ist, kann die Rezensentin nichts dafür, hätte aber deutlicher werden können. Mit freundlichem Gruß A. Wenk

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert