Demokratiegeschichten

24.10.1950: Klang der Freiheit

69 Jahre ist es her, da erklang zum ersten Mal das Läuten der Freiheitsglocke vom Schöneberger Rathaus. Seitdem hören es die Berliner*innen jeden Mittag um 12 Uhr.

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/gerausch/dkultur_200702111158.mp3

Wie so vieles in Berlin ist auch die Freiheitsglocke ein Relikt aus Zeiten der deutschen Teilung. Außerdem ein Beispiel für amerikanische Propaganda im kalten Krieg. Aber auch ein Freiheits-Versprechen an all die Menschen, die weiterhin in Unfreiheit leben. Wie das alles zusammen passt, erklärt die Geschichte der Glocke.

Eine Idee aus Amerika

Nachempfunden ist die Berliner Freiheitsglocke der Liberty Bell in Philadelphia. Das Leuten jener Glocke verkündete 1776 die amerikanische Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu ihrem Vorbild wurde die „Freedom bell“ jedoch mit einer Inschrift geprägt:

„That this world under God shall have a new birth of freedom.“

„Möge diese Welt mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben.“ Angelehnt ist dies an Abraham Lincolns Rede in Gettysburg. Dort fand die entscheidende Schlacht im amerikanischen Bürgerkrieg statt, der auch um die Abschaffung der Sklaverei geführt wurde. Ein größeres Freiheits-Versprechen kann man kaum geben.

Die Initiative zur Freiheitsglocke stammte vom US-General Lucius D. Clay. Der „Vater der Luftbrücke“ schlug nach Ende der Berlinblockade dem neu gegründeten „Nationalkomitee für ein freies Europa“ vor, West-Berlin ein Symbol der Freiheit zu schenken. Damit sollte das Durchhaltevermögen der Berliner*innen Respekt gezollt und ein Versprechen an die Bevölkerungen im Ostblock gegeben werden, dass auch sie eines Tages frei sein würden.

Das Nationalkomitee stand lange unter Verdacht, eine Tarnorganisation der CIA zu sein. Auch der von ihr ins Leben gerufene Radiosender Radio Free Europe soll mit und für den amerikanischen Geheimdienst gearbeitet haben. Abschließend klären ließen sich beide Verdachtsfälle nicht.

Bevor die Glocke nach Deutschland kam, ging sie auf Rundreise durch die USA. Über 16 Millionen Amerikaner*innen spendeten für die Glocke und unterzeichneten den Freiheitsschwur, der lautete:

„Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen.“

Einweihung 1950 und Klang im Osten

Nach ihrer Rundreise in den USA traf die Freiheitsglocke am 20. Oktober 1950 in Bremerhaven ein. Nur einen Tag später wurde sie im Turm des Schöneberger Rathaus angebracht. Drei Tage darauf weihte General Clay sie in einem feierlichen Festakt vor 500.000 Zuschauer*innen ein. Dieses Datum war nicht zufällig gewählt: Beim 24. Oktober handelt es sich um den Tag der Vereinten Nationen.

Bis zur Wiedervereinigung übertrug der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) jeden Sonntagnachmittag das Läuten der Freiheitsglocke. So kamen auch Bürger*innen in der DDR, die den Sender illegal hörten, in den Genuss des Klanges. Empfanden sie beim Hören Hoffnung oder Frustration? Im Nachhinein betrachtet ist das Glockenläuten fast zynisch zu nennen.

Begleitend zum Läuten wird der Freiheitsschwur verlesen: Bis zu seinem Tod am 10.08.1961 sprach ihn Walter Franck, ein Charakterdarsteller des Berliner Schillertheaters. Danach bis zum Oktober 1993 Wilhelm Borcherts, ebenfalls Schauspieler am Schillertheater. Seitdem spricht Thomas Holländer das Freiheitsgelöbnis, seit 1994 im Folgesender des RIAS „Deutschlandradio Kultur“.

Sonderläuten

Neben dem täglichen Läuten um 12 Uhr erschallt die Glocke zudem am 1. Mai, an Heiligabend und zum Jahreswechsel um Mitternacht. Ein irreguläres Läuten fand seit ihrer Einweihung erst fünfmal statt. Zum ersten Mal zur Trauerfeier für die Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953 am 23. Juni 1953. Dann anlässlich der Kundgebung für die Opfer des Ungarnaufstands 1956 sowie bei der Kundgebung am 16. August 1961 drei Tage nach dem Mauerbau. Und natürlich läutete sie am 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands ein.

Zuletzt erklang die Freiheitsglocke für ganze sieben Minuten: Am 13. September 2001 gedachten tausende Berliner auf dem Platz vor dem Schöneberger Rathaus der Opfer der Anschläge vom 11. September. Ihre Symbolkraft hat die Glocke nach wie vor nicht eingebüßt.

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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