Demokratiegeschichten

Das Gift der Freiheitsseuche: Die Bergzaberner Republik

Lange bevor sich in Frankfurt das erste gesamtdeutsche Parlament einfand gründeten sich die ersten Republiken auf deutschem Boden. Die erste von ihnen (noch vor der Mainzer Republik!) entstand 1792 in der Südpfalz: die Bergzaberner Republik.

Auslöser Französische Revolution

Zwar hatte Bergzabern weder die Größe von Paris noch eine Bastille. Aber die Bewohner*innen der Südpfalz verfolgten aufmerksam die Ereignisse in der fernen Großstadt. Schließlich kannten sie Konflikte mit ihren Landesherren zu Genüge: Erst 1782 kritisierte der Stadtrat der Zweibrücker Regierung, damals Sitz in Bergzabern, die überaus hohen Steuern. Hinzu kam noch, dass die Einwohnerschaft Bergzaberns überwiegend evangelisch, während das Fürstenhaus katholisch war. Heute kaum von Bedeutung, sorgte dies damals für zusätzliche Spannung.

Liberté, Fraternité und Égalité. Das Motto der Französischen Revolution wirkte zunehmend anziehend auf Bergzabern und die umliegenden Orte. Sie waren quasi die Spitze eines Berges von wirtschaftlichen Beschwerden, die die Landesherren seit Jahren ignorierten. Immer lauter wurde die Kritik an der Obrigkeit, immer deutlicher die Forderungen nach mehr Rechten.

Als die Regierungsvertreter den Ernst der Lage begriffen, war es fast schon zu spät. Die Proteste ließen sich nicht eindämmen und so vermerkte der Regierungsrat Bernhard Ludwig Klick in einem Brief an den Herzog:

„Ich muss zur Schande der Stadt Bergzabern sagen, dass ein sehr großer Teil, wohl die Hälfte und noch mehr, mit dem leidigen Gift der Freiheitsseuche angesteckt ist“.

Klick sollte Recht behalten: Die Bürger*innen von Bergzabern beließen es nicht beim schriftlichen Protest. Am 19. September 1789 läuteten sie die Sturmglocke, besetzten das Rathaus und sperrten den regierungstreuen Stadtrat aus. Die Geburtsstunde der Bergzaberner Republik erfolgte allerdings erst drei Jahre später.

Zwischenjahre

Ab Herbst 1789 entwickelte sich Landau, die französische Festung, zum Kernpunkt der revolutionären Bewegung in der Südpfalz. Hier gründete sich u. a. 1790 ein Jakobinerclub, der in der Stadt und im Umland für die Revolution „missionierte“. Seine Mitglieder zogen durch Dörfer, sangen Freiheitslieder, diskutierten die Ideen der Revolution und gründeten weitere Clubs. So verbreiteten sich die revolutionären Ideen in der Südpfalz. Im Landauer Archiv sind die Protokolle der „Gesellschaft der Constitutionsfreunde“ noch heute zu finden.

Versammlung des Mainzer Jakobinerclubs im ehemaligen kurfürstlichen Schloss.

Was aber war mit den wirtschaftlichen Missständen, die von bürgerlicher Seite angeprangert worden waren? Zwar beschloss die Regierung im Juli 1791, einige der Missstände in Bergzabern, über die sich die Bewohner*innen beschwert hatten, zu beseitigen. Doch für die Bürger*innen war dies nicht mehr genug. Ihnen war bewusst, dass die Regierung wenn, dann nur schwach handelte und überfordert war. Außer Maueranschlägen und Flugblättern, die vor revolutionären Ideen warnten, sowie der Überwachung verdächtiger Personen hatte sie der Revolution kaum etwas entgegen zu setzen.

1792: Aufstand

Im September 1792 besetzten französische Truppen die Pfalz und eroberten die Festung Mainz. Damit gaben sie der revolutionären Bewegung in der Südpfalz den letzten nötigen Anschub, um sich durchzusetzen.

In Bergzabern und im Gebiet des Amt Babelrothe begann der Aufruhr am 4. November 1792. Als erste Handlungen hisste man die Trikolore vom Kirchturm und schlug die herzoglichen Wappen aus dem Riesentor des Schlosses heraus. In den Folgetagen kam es zu einer Reihe von Übergriffen: Beispielsweise wurden zweibrückische Beamte gezwungen, die Kokarden der Revolution anzustecken. Mit der Wahl einer neuen Munizipalität endeten diese Übergriffe allerdings.

Bereits am 6. November fand eine Versammlung der Bergzaberner Bürgerschaft vor dem Rathaus statt. Als Gäste waren auch einige der Jakobiner aus Landau beteiligt. Deren Sprecher, Johann Jakob Groß, machte der Versammlung den Vorschlag, das Oberamt Bergzabern solle mit den umliegenden kurpfälzischen Dörfern eine Republik bilden. Und sich der französischen Republik anschließen.

Der Vorschlag fand Anklang und noch am selben Tag wählten die Versammelten eine neue Gemeindeverwaltung. Bereits am 10. November 1792 verfassten Vertreter der Stadt und der Gemeinden des Oberamtes Bergzabern eine Adresse an den Pariser Konvent, in der sie sich von ihrem Herzog lossagten und um Aufnahme in die Französische Republik baten. Diese wurde am 19. November in Paris vorgetragen:

„Gesetzgeber! Das aus mehr denn zehn Dörfern bestehende, dem Herzog von Zweibrücken bisher zugehörige Oberamt Bergzabern, […]hat plötzlich die Fesseln der schändlichen Knechtschaft, in der es seufzte, abgestreift und stellt sich den erhabenen Stellvertretern der fränkischen Nation frei dar, um ihnen für die große, den Völkern zubereitete Wohltaten zu danken und die Vereinigung mit der Republik zu begehren.“

Landauer Wochenblatt vom 19. November 1792

Gegenwehr und Gründung der Republik

Ohne Gegenwehr wollte sich die Regierung in Zweibrücken allerdings nicht geschlagen geben. Schon am 10. November fanden sich ihre Truppen vor Bergzabern ein. Aber sie mussten erkennen, dass die Anhänger der Bergzaberner Republik vorbereitet waren. Neben der mobilisierten Bürgerschaft war militärische Hilfe aus Weißenburg und Landau eingetroffen. Daraufhin zogen sich die Zweibrücker Truppen zurück.

Die Gründung der Bergzaberner Republik erfolgte im nächsten Jahr. Am 22. Januar 1793 trafen sich Vertreter verschiedener Orte, um über eine gemeinsame Verfassung zu beraten. Am 14. März war es dann so weit: Per Dekret nahm der Pariser Konvent eine Vereinigung 31 südpfälzischer Orte in die französische Republik auf. Von nun an bildeten sie einen Bestandteil des Landauer Distrikts.

Das Ende der Bergzaberner Republik

Schon im Sommer 1793 kam das Ende der Bergzaberner Republik. Preußische und österreichische Truppen drängten im Zuge einer Offensive in der Südpfalz die französischen Truppen zurück. Bereits im August umstellten sie die Festung Landau, im September gab es Gefechte in und um Bergzabern. Zwar unterstützte die Bergzaberner Nationalgarde die Franzosen, doch wurden sie bald zurückgeschlagen. Mit den Franzosen verließen viele der Republikanhänger die Stadt Richtung Elsass.

Nun kehrten die herzoglichen Beamten ins Oberamt Bergzaberns zurück. Auch der alte Stadtrat wurde erneut eingesetzt. Tatsächlich hielt auch die Restauration nicht lange: Schon im November 1793 ging nun die französische Armee ihrerseits zur Offensive über und besetzte die südpfälzischen Gebiete erneut. Diese blieben bis 1815 bei Frankreich. Doch die Bergzaberner Republik und andere Freistaaten wurden nicht wieder hergestellt.

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

4 Kommentare

  1. Norbert Steiner

    29. März 2024 - 20:27
    Antworten

    Da ich meine Jugend in Bad Bergzabern verbrachte, habe ich mit großem Interesse gelesen, dass Bergzabern schon so früh eine Republik war!

  2. Dieter Wirth

    11. April 2024 - 11:22
    Antworten

    Warum habe ich von der Bergzaberner Republik bislang nichts gewusst? Ich als Pfälzer (aus Ludwigshafen), schon 65 Jahre alt, mit Hauptfach Geschichte in der Oberstufe, … bin ich etwa ein Banause? Bis gestern wusste ich auch nichts von der Mainzer Republik, was die Sache noch schlimmer macht. Wenigstens das Hambacher Fest, darüber weiss ich Einiges, und immerhin gibt es sogar eine Siebenpfeifferstraße in Ludwigshafen. Und natürlich die Paulskirche … das war Unterichtsstoff in Geschichte gewesen.
    Aber zurück zur Eingangsfrage: Warum wusste ich nichts über die Bergzaberner Republik oder die Mainzer Republik? Oder über die Bauernaufstände in der Pfalz im 16. Jahrhundert. Ganz einfach: Weil ich es nicht gelernt habe, weil es im Schulunterricht nicht behandelt oder erwähnt wurde. Oder ist es heute etwa besser als vor 50 Jahren? Ich glaube nicht. Eine einzige Schulstunde würde dafür schon reichen – eine einzige! Und doch ist das zuviel.
    Wer ist dafür verantwortlich? Ich, weil ich mich selbst hätte belesen und bilden können? Das kann ein 65-Jähriger nicht ganz bestreiten, ein Jüngerer aber mit weit mehr Recht.
    Verantwortlich ist unsere Landesregierung, ein rheinland-pfälzisches Kultusministerium voller geschichtsloser Schulunterichtsstoffvorschreiber in einem irgendwie demokratischen deutschen Bundesland. Aber die Geschichtsvermittlung unserer Schulen ist eher wie damals unter der Herrschaft des Adels und der Fürsten. Ist das keine Schande?

    Oder: Wohl fast jede deutsche Großstadt hat eine Moltkestraße, eine Yorkstraße, die Sedanstraßen wurden inzwischen (immerhin) meist ausgemerzt … wo aber sind unsere demokratischen Plätze? Wo? Der Platz der Mainzer Republik, der Platz der Bergzaberner Republik, der Bundschuhplatz oder die Joß-Fritz-Straße usw.? Wer hat davon gehört, dass der pfälzische Kurfürst in Pfeddersheim bei Worms 1525 zigtausende von Bauern niedermetzeln ließ? Wie traurig ist das alles? Für ein Land mit früher einmal doch etlichen mutigen Menschen, die gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch Adel und Klerus aufbegehrten oder sogar kämpften. Sind diese Menschen etwa schlechte Vorbilder für uns heute? Oder könnten wir diese Menschen nicht wenigstens ehren und uns ihrer manchmal erinnern? Ich bin entschieden der Meinung, dass dies besser wäre. So wie die Stolpersteine.

    • Annalena B.

      11. April 2024 - 12:07
      Antworten

      Lieber Dieter Wirth,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Die Frage „Wer ist dafür verantwortlich?“ würde gerne aufgreifen, bzw. etwas umkehren: „Wie kommt es, dass ich gerade jetzt etwas über die Bergzaberner oder die Mainzer Republik erfahre?“ Diese Frage lässt sich einfacher beantworten, nämlich so, dass das Interesse an Demokratiegeschichte in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist.
      Demokratiegeschichte ist ein Teil der deutschen Erinnerungskultur, der gerade im Vergleich mit der NS-Geschichte bisher noch wenig Beachtung gefunden hat (und dafür gibt es gute Gründe). Doch statt als Konkurrenz sollte man Demokratiegeschichte als eine weitere Perspektive auf die Geschichte begreifen; man kann die positive wie die negative Geschichte (dies ist nicht wertend gemeint) nebeneinander erinnern, ohne eine von beiden herabzuwürdigen. Diese Betrachtungsweise setzt sich erst langsam durch und zeigt sich in der langsam wachsenden Erinnerungslandschaft der letzten Jahre: Seit 2017 gibt es eine AG Orte der Demokratiegeschichte (https://www.demokratie-geschichte.de/), seit letztem Jahr eine Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“, die sich um die Förderung entsprechender Ort kümmert. Auch durch unseren aktuellen Bundespräsidenten, der Demokratiegeschichte als Thema seiner Amtszeit angenommen hat, erhält dieses eine größere Aufmerksamkeit. Es ist also nicht verwunderlich, dass mehr Menschen auf demokratiegeschichtliche Themen aufmerksam werden. Wir freuen uns deshalb sehr, dass auch Sie das Thema für sich neu entdeckt haben und mit und für sich erschließen. Ideen, wie es noch präsenter werden könnte, haben Sie ja bereits.

      Beste Grüße!

  3. Gunter Hilpert

    11. April 2024 - 14:19
    Antworten

    Bin in Dörrenbach (4km von Bergzabern) aufgewachsen (60.70 Jahre)

    Habe von der „Bergzaberner Republik“ ebenfalls nie etwas gehört.

    Das sollte sich in jedem Fall verändern – Bergzaberner wie auch Mainzer Republik das sind dann wohl die Wurzeln deutscher Demokratie – noch weit vorm Hambacher Fest.

    Leider macht Bergzabern nichts daraus

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