Demokratiegeschichten

Ein Angebot, das er durchaus ablehnen kann – Friedrich Wilhelm IV. und die Kaiserkrone

Als die Frankfurter Nationalversammlung Ende März 1849 schließlich die sogenannte Paulskirchenverfassung verabschiedet, gehen anstrengende Verhandlungen zu Ende. Es gab viele Punkte, an denen sich die Abgeordneten nicht einig waren. Doch letztlich haben sie sich für einen kleindeutschen Nationalstaat, also ohne das habsburgische Österreich, unter preußischer Führung entschieden. Reichsoberhaupt soll nun der König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., sein. Wenn es nach den Abgeordneten aus Frankfurt geht, erhält er die Kaiserkrone und wird künftig „Kaiser der Deutschen“ sein.

Eine undankbare Aufgabe

Die Parlamentarier in Frankfurt bestimmen sogleich eine 32-köpfige Gruppe aus den eigenen Reihen zur sogenannten Kaiserdeputation. Sie reisen umgehend nach Berlin und sollen dem preußischen König am 3. April die frohe Botschaft überbringen. Dieser ist aber alles andere als freudig erwartungsvoll – was auch den Abgeordneten langsam dämmern könnte, da sie das Königliche Schloss zu Berlin nur durch den Lieferanteneingang betreten dürfen.

Die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/49. Quelle: gemeinfrei

Der König verliest den Gesandten aus Frankfurt anschließend eine Rede, in der er dem Wortlaut zufolge erklärt, die Kaiserkrone unter bestimmten Bedingungen annehmen zu können. Doch er betont einzelne Passagen in einer solchen Art und Weise, dass den Abgeordneten zunehmend klar wird, dass sie sich die Strapazen der Reise hätten sparen können und sie gerade Opfer eines protokollarischen Theaters werden. So hat der preußische König ganz und gar nicht vor, Kaiser der Deutschen zu werden – zumindest nicht so.

Im Namen des Volkes

Denn ein erneuertes Heiliges Römischen Reichs Deutscher Nation ist durchaus ein Traum des preußischen Königs. Doch ein solches Imperium ohne Österreich, also in Form der geplanten kleindeutschen Lösung, ist für Friedrich Wilhelm IV. und wohl auch viele andere deutsche Fürsten nicht vorstellbar.

So käme es einer öffentlichen Beleidigung Österreich gegenüber gleich, würde der preußische König die an ihn herangetragene Kaiserwürde annehmen. Ein Krieg zwischen den beiden größten deutschen Staaten, naturgemäß mit unabsehbaren Folgen, könnte dann das nicht allzu unwahrscheinliche Ergebnis sein.

Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (Ölgemälde). Quelle: gemeinfrei

Die deutsche Kaiserwürde könne außerdem, so das Verständnis Friedrich Wilhelms IV., nur von den deutschen Fürsten selbst vergeben werden, so wie es bis 1806 die Kurfürsten im Heiligen Römischen Reich taten. Würde er sich die Kaiserkrone einfach so nehmen, ohne seine monarchischen Kollegen miteinzubeziehen, widerspräche das deren historischem Recht.

Und nicht zuletzt versteht sich Friedrich Wilhelm IV. selbstverständlich als ein Monarch von Gottes Gnaden. Eine Krone, sei dies eine königliche oder kaiserliche, die ihm Vertreter des Volkes anbieten, ist in seinen Augen nichts wert. Deshalb ist für ihn die Kaiserkrone aus Frankfurt auch nur ein „aus Dreck und Letten gebackener Reif“ und eine „Krone aus der Gosse“.

Das Nein zur Einheit

Offiziell lehnt Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserwürde schließlich am 28. April 1849 ab. Es kommt zwar noch an zahlreichen Orten in verschiedenen deutschen Ländern zu Protesten der Bevölkerung gegen die Entscheidung des Preußenkönigs. Doch dieses letzte Aufbäumen der Revolution in Sachsen, in der Pfalz und in Baden schlagen preußische Truppen nieder.

Als dann auch noch die preußischen und österreichischen Abgeordneten auf Befehl ihrer Regierungen das Parlament in Frankfurt verlassen, ist das Scheitern der Nationalversammlung und ihrer Verfassung besiegelt. Ein vereintes Deutschland ist damit vom Tisch – vorerst.

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Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

1 Kommentar

  1. Norbert Böhnke

    3. Mai 2024 - 8:49
    Antworten

    Vielen Dank für diesen Beitrag! Wir haben in Halle gerade eine spannende Veranstaltung zu einem liberalen Revolutionär, Rudolf Haym, gehabt: https://stadtmuseumhalle.de/gedenkfeier-rudolf-haym.
    Und daher aus der frischen Erinnerung drei Anmerkungen: 1) „Es gab viele Punkte, an denen sich die Abgeordneten nicht einig waren.“ Das ist nicht richtig. Eine Koalition aus Abgeordneten der „Linken“ und des „Zentrums“ hat am Ende die Paulskirchenverfassung beschlossen. Sie waren sich also, wenn man mal die Anzahl der Paragrafen durchzählt, in 197 Punkten einig. 2) „Doch ein solches Imperium ohne Österreich, also in Form der geplanten kleindeutschen Lösung, ist für Friedrich Wilhelm IV. und wohl auch viele andere deutsche Fürsten nicht vorstellbar.“ Na ja, die Note der 28 vom 14.4.1849 lässt die genaue Anzahl der „fürstlich regierten Staaten“ erkennen, die die kleindeutsche Lösung unter Preußens Führung wollten: Eben genau diese 28 (von 34). Diese Lösung unterstützten nicht die Könige von Bayern, Württemberg, Sachsen und Hannover. Also genau vier „deutsche“ Fürsten unterstützten die Lösung der Nationalversammlung nicht. 3) „Als dann auch noch die preußischen und österreichischen Abgeordneten auf Befehl ihrer Regierungen das Parlament in Frankfurt verlassen…“ Hier ist eine Anmerkung besonders wichtig, weil die Textstelle den leichten Eindruck hinterlässt, die Paulskirchenabgeordneten wären Befehlsempfänger gewesen. Tatsächlich haben z.B. die 65 Abgeordneten der liberalen Mitte, der auch Haym angehörte, auf freien Entschluss (in Verantwortung gegenüber ihren Wählern, nicht ihren Regierungen!) die Versammlung verlassen. Nämlich nachdem klar wurde, dass Wilhelm IV sich der ihm zugedachten Führungsrolle abschließend verweigern würde. All das ist wunderbar nachzulesen in: Rudolf Haym. Die Deutsche Nationalversammlung (3 Bände, 1848-1849). Ein aktueller Kommentar zu Haym ist vom Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Kooperationspartner der städtischen Gedenkveranstaltung, veröffentlicht worden: https://www.freiheit.org/de/rudolf-haym-der-chronist-der-paulskirche. So, jetzt bin auf einen guten Streit gespannt. (Die Veranstaltung ist aus unserer Jahresausstellung Streit, Zoff & Beef hervorgegangen, die noch bis Ende Juni im Stadtmuseum Halle zu sehen ist.)

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