Demokratiegeschichten

Das Wartburgfest – Eine Protestkundgebung mit bitterem Beigeschmack

Der Sieg in den Befreiungskriegen gegen Napoleon weckt in vielen Deutschen Hoffnungen auf die nationale Einheit. Doch es zeigt sich schnell, dass daraus wohl erst einmal nichts wird – zahlreiche Fürsten lassen sich viel Zeit damit, ihren Staaten Verfassungen zu geben, einige unternehmen nicht einmal den Versuch. Vor allem im nationalliberalen Bürgertum ist die Empörung deshalb groß.

Eine Mischung aus Volksfest und Gottesdienst

So treffen sich am 18. Oktober 1817 etwa 500 Studenten und Professoren von 13 verschiedenen Universitäten auf der Wartburg bei Eisenach, um ein Zeichen für die nationale Einheit Deutschlands zu setzen und ihren Wunsch nach einer Verfassung kundzutun. Die Burg in Thüringen ist dabei nicht zufällig ausgewählt. Luther hatte hier 1521/22 Zuflucht gesucht und dort seine Bibelübersetzung ins Deutsche verfasst. Die mittelalterliche Feste gilt deshalb als deutsches Nationalsymbol.

Die studentische Protestkundgebung 1817 gegen die herrschende reaktionäre Politik findet anlässlich des 4. Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig und des in Kürze stattfindenden dreihundertjährigen Jubiläums von Luthers Thesenanschlag statt. Initiator des „Nationalfests“ ist die Urburschenschaft der Universitäten Jena und Halle. Sie war es auch, die Einladungen an zahlreiche deutsche Universitäten verschickte. Tatsächlich nimmt am Ende etwa jeder zwanzigste deutsche Student am Fest teil.

Vorbild der Veranstaltung sollen die Volksfeste während der Französischen Revolution sein. So wird das Wartburgfest im Rittersaal der Burg mit Reden und unter dem Motto „Ehre, Freiheit, Vaterland“ eröffnet. Die Teilnehmenden diskutieren Pläne für die Verwirklichung der deutschen Einheit und schwenken dabei unter anderem Fahnen in den Farben Schwarz-Rot-Gold, angelehnt an die Uniformen des in den Befreiungskriegen kämpfenden Lützowschen Freikorps. Sie werden in den folgenden Jahrzehnten zu den deutschen Nationalfarben werden.

Zug auf die Wartburg (Künstler unbekannt), Quelle: gemeinfrei

Nach dem Singen des Chorals Nun danket alle Gott, der seit Mitte des 18. Jahrhunderts als eine inoffizielle Hymne Preußens gilt, wird ein Schlusssegen gesprochen, was dem ganzen die Aura eines Gottesdienstes verleiht. Es folgt ein Festessen mit zahlreichen Trinksprüchen und Hochrufen, unter anderem auf Luther und allseits bekannte Gefallene der Befreiungskriege. Hiermit endet der offizielle Ablauf des Wartburgfests.

Dort wo man Bücher verbrennt…

Doch die Teilnehmenden wollen es dabei nicht belassen. Im Anschluss an das Bankett ziehen die Studenten und Professoren in einem Fackelzug auf den Wartenberg ganz in der Nähe, wo bereits in Gedenken an die Völkerschlacht Siegesfeuer entzündet worden sind. Dort kommt es zur Verbrennung von Büchern und Gegenständen, die den Obrigkeitsstaat symbolisieren, etwa ein Uniformrock und ein Korporalstock.

Bei der ins Feuer geworfenen Literatur handelt es sich um Werke, die sich für die Kleinstaaterei und gegen einen deutschen Nationalstaat aussprechen oder den Anwesenden schlicht zu frankreichfreundlich sind. So werden etwa der Code Napoléon und Die Germanomanie, eine Streitschrift des jüdischen Publizisten Saul Ascher, Opfer der Flammen. Dabei kommt es auch zu antisemitischen Äußerungen, in denen das Judentum als nicht vereinbar mit Deutschland und den Deutschen geschmäht wird.

Ein Fest wird zur nationalliberalen Legende

Im Anschluss an das Wartburgfest werden die dort proklamierten Ideen in Grundsätzen und Beschlüssen festgehalten. Neben dem Wunsch der Einheit Deutschlands als konstitutionelle Monarchie werden dort auch Gleichheits-, Freiheits- und Persönlichkeitsrechte für alle Deutschen festgeschrieben – zumindest für diejenigen, die den Verfassern als solche gelten.

Die Obrigkeit ist entsprechend alarmiert und intensiviert in der Folge ihre Überwachungsbemühungen an den deutschen Universitäten. Trotzdem gründet sich bald nach dem Wartburgfest die Allgemeine Deutsche Burschenschaft als gesamtdeutscher Verband und Netzwerk für alle deutschen Studenten.

Sich auf das ursprüngliche Wartburgfest von 1817 beziehend finden im Laufe der Zeit einige weitere studentische Kundgebungen auf der Burg in Thüringen statt, so etwa 1848, 1929 und 1948. Das ursprüngliche Wartburgfest wird zu einem deutschen Mythos.

Heute kümmert sich die Wartburg-Stiftung um die Bewahrung dieses Erinnerungsortes und um die Vermittlung seiner durchaus ambivalenten Geschichte. Die Stiftung ist zudem Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Orte der Demokratiegeschichte.

Die Wartburg bei Eisenach in Thüringen, Foto: Moritz Grenke, CC BY-SA 3.0
Artikel Drucken
Markiert in:
Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

0 Kommentare

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert