„Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund hält alljährlich einen Deutschen Tag ab, der im vorigen Jahr in Weimar stattgefunden hat und dieses Jahr vom 14. bis 16. Oktober in Detmold abgehalten werden sollte. Diese deutsch-völkische Veranstaltung ist insofern von den Behörden beschränkt worden, als alle in Aussicht genommenen öffentlichen Veranstaltungen und Versammlungen unter freiem Himmel verboten worden sind, und der Deutsche Tag nur auf Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen beschränkt ist. “
So berichtete die „Freiheit“, die Zeitung der unabhängigen Sozialdemokratie, am 12. Oktober 1921. Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund wurde 1919 in Hamburg gegründet. 1921 war er mit fast 150.000 Mitgliedern eine Massenorganisation. Keine Gruppierung innerhalb der stark zersplitterten völkisch-rassistischen Szene war einflussreicher.
Strenge Disziplin nach innen
Von seinen Mitgliedern verlangte der Bund den Nachweis „arischer“ Abstammung, sein Vereinssymbol war das Hakenkreuz. Mit seinen millionenfach gedruckten Aufklebern, Broschüren und Flugblättern verbreitete er sehr erfolgreich radikal völkisch-antisemitische Propaganda. Seinen Mitgliedern schrieb er verbindliche beispielsweise „Lebensregeln“ vor, die bis weit in den privaten Bereich hineinwirkten. Eine der Regeln lautete:
„Soweit es Deine Lage gestattet, bekämpfe das Judentum auch öffentlich und lasse keine Gelegenheit vorübergehen, Volksgenossen über seine Schädlichkeit im völkischen Leben aufzuklären.“
Unerbittliche Hetze gegen „Feinde“
Demokratische und linke Politiker bezeichnete der Bund als „verjudet“ und hetzte hemmungslos gegen sie. Vor allem jüngere Angehörige der „Frontgeneration“ des Ersten Weltkriegs stieß diese Propaganda nicht ab, sondern machte den Bund im Gegenteil gerade attraktiv. Sowohl die Mörder von Matthias Erzberger 1921 als auch die Rathenau-Mörder 1922 waren Mitglieder des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes.
„Deutscher Tag“ in Coburg
Nach dem Mord an Walther Rathenau im Juni 1922 wurde die Vereinigung durch das Republikschutzgesetz in weiten Teilen des Deutschen Reichs verboten, nicht aber in Bayern und Württemberg. Im fränkischen Coburg fand im Oktober 1922 ein weiterer „Deutscher Tag“ statt – dieses Mal ohne die in Detmold herrschenden Auflagen. Außerdem beteiligten sich erstmals Angehörige der NSDAP in großer Zahl. Die nationalistische „Coburger Zeitung“ schwärmte:
„Besonders die Ansprachen Adolf Hitlers von der „Nat.-soz. deutschen Arbeiterpartei München“ lösten helle Begeisterung und stürmischen Beifall aus. […] Die Rückfahrt der Südd. Teilnehmer an der Tagung erfolgte gestern abends nach 10 Uhr mittels Extrazug. In strammem Schritt ging es unter den Marschklängen der Musikkapelle, begleitet von einer vielköpfigen Menge Publikum zum Bahnhof, woselbst noch begeisterte Heilrufe den sich verabschiedenden Gästen nachklangen.“
Ein massiver Polizeieinsatz gegen linke Proteste hatte in der mehrheitlich sozialdemokratischen Stadt Coburg dazu beigetragen, dass der „Deutsche Tag“ ein solcher Erfolg werden konnte. Viele Völkische suchten daher in der Folgezeit ihre neue politische Heimat bei den Nationalsozialisten, deren Aufmarsch in Coburg sie beeindruckt hatte.
Unter ihnen war auch der einflussreiche Hauptgeschäftsführer des Schutz- und Trutzbundes, Alfred Roth. Er ließ sich 1924 für die Deutschnationale Volkspartei in den Reichstag wählen, wechselte aber 1932 zur NSDAP. Auch andere, später führende Nationalsozialisten wie Julius Streicher oder Werner Best waren zunächst Mitglieder im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund. Dieser versank allerdings ab1924 – nicht zuletzt infolge des Verbots – in der Bedeutungslosigkeit. Die NSDAP indes konnte sich erfolgreich an die Spitze der völkischen Bewegung setzen.
Hinweis zur Sendereihe
Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe „100 Jahre politischer Mord in Deutschland„.
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