Demokratiegeschichten

„Dieser Feind steht rechts!“ – Die Ermordung von Walther Rathenau

24. Juni 1922. Es ist Samstagmorgen und Walther Rathenau befindet sich auf dem Weg ins Auswärtige Amt. In einer langen Kurve auf der Königsallee in Berlin-Grunewald wird sein Wagen von einem anderen Auto überholt. Plötzlich fallen Schüsse, der Außenminister der Weimarer Republik sinkt getroffen zurück. Sein Fahrer und eine Fußgängerin eilen zu Hilfe, doch zu spät: Wenige Minuten später erliegt Rathenau seinen Verletzungen.

Morde an Politikern in der Weimarer Republik

Walther Rathenau war nicht das erste Opfer eines politisch motivierten Attentats in der Weimarer Republik. Vor ihm fielen bereits der bayrische Ministerpräsident Kurt Eisner und der Reichsfinanzminister Matthias Erzberger Anschlägen zum Opfer. Der frühere Ministerpräsident und amtierende Kasseler Oberbürgermeister Philipp Scheidemann überlebte ein Attentat am 4. Juni nur knapp. Wenige Wochen später, am 3. Juli, überlebte der Journalist und Publizist Maximilian Harden ebenfalls einen weiteren Anschlag. Andere Morde, wie der am USPD-Politiker Karl Gareis, können dieser Mordserie nicht zweifelsfrei zugerechnet werden. Doch gilt die Verbindung als sehr wahrscheinlich.

Zwar stammten diese Männer aus unterschiedlichen politischen Lagern, doch etwas vereinte sie: Sie alle waren Anhänger und öffentliche Vertreter der Republik. Und damit wurden sie wiederholt zur Zielscheibe von republikfeindlicher Hetze. Denn obwohl die Mehrheit die Demokratie unterstützte, versuchten ihre Gegner, an die Macht zu gelangen. So geschehen beispielsweise im März 1920 während des Lüttwitz-Kapp-Putsches, an dem die Marine-Brigade Ehrhardt, ein Freikorps unter der Führung des Korvettenkapitäns Hermann Ehrhardt, einen wesentlichen Anteil hatte.

Walther Rathenau und die Organisation Consul

Für die oben genannten Attentate waren Mitglieder der „Organisation Consul“ (O. C.) zuständig. Nach dem Scheitern des Lüttwitz-Kapp-Putsches im März 1920 hatte der Kommandeur der Marine-Brigade Ehrhardt Soldaten aus der Brigade für die neue Organisation rekrutiert. Genau wie die Brigade zuvor bestand die O. C. aus demokratiefeindlichen ehemaligen Frontsoldaten. Ihre Ziele waren die Destabilisierung der Republik, die Errichtung einer Militärdiktatur und die Revision des Versailler Vertrages. Zudem waren viele ihrer Mitglieder antisemitisch und nationalistisch eingestellt.

Walther Rathenau

Walther Rathenau stand für alles, was die Mitglieder der Organisation hassten. Er war Jude, setzte sich als Außenminister für die internationale Verständigung sowie die Erfüllung des Versailler Vertrags ein. Dass er diese sogenannte „Erfüllungspolitik“ betrieb, um die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung zu zeigen, spielte für seine Gegner keine Rolle. Immer wieder sah sich Rathenau antisemitischen und verleumderischen Hetzkampagnen in der Presse und durch politische Gegner ausgesetzt.

Reaktionen auf das Attentat

Eben jene machte Reichskanzler Joseph Wirth in seiner Trauerrede am Tag nach dem Attentat verantwortlich. Bewusst wandte er sich an die DNVP (Deutschnationale Volkspartei), als er zum Ende seiner Rede kam:

„Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. Da steht der Feind, und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!“

Am selben Tag fanden in den größeren Städten Demonstrationen statt. Allein in Berlin protestierten über 400.000 Menschen gegen das Attentat und demonstrierten für die Weimarer Republik. So wurde
Rathenau zunehmend von der Arbeiterschaft verehrt und sein Todestag, der 24. Juni, ein Tag des öffentlichen Gedenkens,

Rathenaus Ermordung war außerdem Anlass für die Regierung, noch am selben Tag zwei Verordnungen zum Schutz der Republik zu erlassen. Darin wurden u. a. Organisationen verboten, die sich die Zerstörung der Republik zum Ziel gesetzt hatten. Sie konnten fortan aufgelöst werden, dazu zählte auch die Organisation Consul.

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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