Demokratiegeschichten

Dem Kanzler die Anerkennung verweigern – Konrad Adenauer und der Kölner Wahlkampf (I)

Hitler besucht Köln

Es herrscht große Aufregung in Köln. Am 17. Februar 1933 kommt hoher Besuch in die Metropole am Rhein, mit knapp 750.000 Einwohner:innen eine der größten Städte des Deutschen Reiches. Der neue Reichskanzler, Adolf Hitler, kaum drei Wochen im Amt, besucht die Domstadt als Station seiner Wahlkampftour. Das katholisch geprägte Köln ist seit Langem in der Hand des Zentrumspolitikers und Oberbürgermeisters Konrad Adenauer, den die Nationalsozialisten als „Protz“, „Separatist“ und „Judenfreund“ beschimpfen. Um einen Beitrag zur endgültigen Beendigung von dessen Regierungszeit zu leisten, kommt Hitler nach Köln.

Nicht alle Kölner:innen freuen sich über diesen Besuch, das Stadtoberhaupt gehört dazu. Tatsächlich zeigt Adenauer offen wie noch nie zuvor seine Abneigung gegenüber dem Nationalsozialismus und der Person Adolf Hitlers. Zunächst weigert er sich, den Reichskanzler am Flughafen zu begrüßen, wie es das Protokoll für einen Regierungschef eigentlich vorsieht. Als einziger Oberbürgermeister aller Städte, die Hitler im Laufe des Wahlkampfes besucht, bringt er den Mut hierfür auf. Um die Situation allerdings nicht komplett eskalieren zu lassen, schickt er einen Vertreter. Dennoch ist allein das ein Affront dem Reichskanzler gegenüber.

Hakenkreuzflaggen entfernen

Darüber hinaus lehnt Adenauer eine Rheinbeleuchtung für Hitler kategorisch ab und verbietet das Aufhängen von Hakenkreuzflaggen auf allen städtischen Brücken. Bereits in der Nacht zuvor haben SA-Männer auf der Deutzer Brücke mehrere Fahnen angebracht. Diese lässt Adenauer umgehend von städtischen Arbeitern abnehmen. Mit Hakenkreuzfahnen beflaggt sind deshalb beim Besuch des Reichskanzlers statt der Hängebrücke über dem Rhein nur die Kölner Messehallen. Denn hier findet die Kundgebung der NSDAP statt, auf der Parteiführer Hitler spricht.

File:Bundesarchiv Bild 137-004055, Eger, Besuch Adolf Hitlers.jpg
Die Besuche Hiters wurden stets groß inszeniert, hier ein Besuch in Eger 1938; Foto: Bundesarchiv, Bild 137-004055 / CC-BY-SA 3.0

Der Andrang ist groß. Zehntausende Kölner:innen strömen in den Stadtteil Deutz, zum Teil aus Neugier, zum Teil aus Überzeugung. Eintrittskarten werden auf dem Schwarzmarkt für bis zu 100 Reichsmark gehandelt. Während seiner Rede versucht Hitler, Adenauer sein missbilligendes Verhalten ein Stück weit heimzuzahlen. Der Reichskanzler wettert in erster Linie gegen den Oberbürgermeister persönlich, selbstverständlich trotzdem mit der Absicht, die Kölner Zentrumspartei als Ganzes zu diskreditieren.

Sein Handeln begründet Adenauer damit, dass Hitler in seiner Funktion als NSDAP-Parteipolitiker und Wahlkämpfer, nicht als Reichskanzler nach Köln gekommen sei. Das Protokoll mit den üblichen Höflichkeiten treffe hier entsprechend nicht zu. Der Westdeutsche Beobachter interpretiert Adenauers Verhalten als „abgrundtiefe Abneigung“ gegenüber dem Nationalsozialismus und droht, so ein Verhalten werde sich „in Zukunft rächen“. Hitler aber bleibt für den Moment nichts anderes übrig, als die offensichtliche Demütigung über sich ergehen zu lassen.

Weimar und Köln in der Krise

Armenspeisung in Berlin 1931; Foto: Bild 183-T0706-501 / CC-BY-SA 3.0

Anfang der 1930er Jahre steckt die Weimarer Republik in einer Krise. Die Arbeitslosenzahlen steigen kontinuierlich in erschreckende Höhen, Ende 1932 gibt es im ganzen Reich etwa sechs Millionen Arbeitslose, fast ein Zehntel der Bevölkerung. Unzählige Menschen leiden an Hunger und Obdachlosigkeit. Wirtschaft und Industrie schrumpfen gefühlt täglich. Die politischen Folgen dieser Entwicklungen sind verheerend: Mit jeder Wahl gewinnen die radikalen Parteien mehr Stimmen dazu, die Kommunisten auf der einen, die Nationalsozialisten auf der anderen Seite, bis sich die Demokraten schließlich in der Minderheit wiederfinden.

Auch Köln trifft die Krise in dramatischer Weise. Die Stadt steht kurz vor dem finanziellen Bankrott, weil sie Kredite nicht mehr bedienen kann. Zusätzlich sind allein in der Rheinmetropole 100.000 Menschen arbeitslos. So kommt es immer wieder zu Hungerdemonstrationen, abwechselnd organisiert von den Kommunisten und den Nationalsozialisten. Immer häufiger gibt es zudem Straßenkämpfe zwischen den bewaffneten Schlägertrupps dieser Parteien.

Kommunalwahlen 1932

Bei den Kommunalwahlen im Sommer 1932 erzielt die NSDAP in Köln 24,5 Prozent der Stimmen. Auch deshalb befürwortet im Dezember desselben Jahres Oberbürgermeister Adenauer in einem Brief eine preußische Regierung unter Beteiligung der Nationalsozialisten. Er sieht darin eine Chance auszutesten, ob NSDAP-Politiker überhaupt in der Lage sind, hohe Ämter zu bekleiden. Damit lässt Adenauer durchscheinen, dass er sich zu einem späteren Zeitpunkt durchaus auch auf nationaler Ebene eine Regierung mit nationalsozialistischen Ministern, möglicherweise sogar mit einem Reichskanzler Adolf Hitler, vorstellen kann. Dahinter steht die Hoffnung, die viele andere führende Zentrumspolitiker teilen, Hitler dadurch „zähmen“ und kontrollieren zu können.

In der Hoffnung, dass nun endlich Ruhe einkehre, atmen sie deshalb zunächst erleichtert auf, als Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wird. Für viele Zeitgenoss:innen ist es ein Regierungswechsel, wie es in den vergangenen Monaten und Jahren schon so viele gab. Doch schnell wird klar, dass Adolf Hitler und die Nationalsozialisten keine Zeit verlieren, die demokratischen Strukturen der Weimarer Republik abzuschaffen. So lässt der Reichskanzler zunächst am 1. Februar den Reichstag in Berlin auflösen und setzt Neuwahlen für den 5. März an. Gleichzeitig soll auch der Preußische Landtag neugewählt werden, um auch hier die nationalsozialistische Macht zu konsolidieren.

Teil II folgt am 21.10.

Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus der Publikation Vorbilder der Demokratiegeschichte. Handlungen und Einstellungen, die beeindrucken und Orientierung geben können. Diese und weitere Veröffentlichungen von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. können kostenfrei in der Geschäftsstelle bestellt werden und stehen hier zum Download zur Verfügung.

Artikel Drucken
Markiert in:,
Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

0 Kommentare

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert