Demokratiegeschichten

Ganz modernes Kino

Metropolis, Nosferatu, Der blaue Engel, Im Westen Nichts Neues: Nicht alle werden diese Filme gesehen haben, aber die Titel kennen die meisten. Erstaunlich, denn es sind nicht gerade die Blockbuster des Jahres 2019. Aber sie waren mal sehr neu und modern, nämlich in der Weimarer Republik. Damals löste der Tonfilm gerade den Stummfilm ab. Filme zu Hause gab es noch nicht, wer bewegte Bilder sehen wollte, ging ins Kino.

Zeitreise über drei Etagen

In diese Zeit nimmt uns die Ausstellung „Kino der Moderne. Film in der Weimarer Republik“ mit, die noch bis zum 13. Oktober 2019 in der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz in Berlin zu sehen ist. Eine Zeitreise über drei Etagen mit 23 Themenschwerpunkten, die teilweise sehr modern klingen, z. B. „Stars und Fans“. Dahinter verbirgt sich, dass sich in den 1920ern in Deutschland erstmalig eine Star- und Fankultur nach dem Vorbild Hollywoods ausbildete, die wir bis heute kennen. Nur dass die Stars und Sternchen der 1920er damals nicht posteten, sondern Postkarten drucken ließen. Und um ihren Stars zu folgen, tummelten sich die Fans nicht als Follower auf Instagram, sondern auf Autogrammstunden, um den Filmgrößen nicht nur auf der Leinwand, sondern in echt und in Farbe zu begegnen.

Spiegel der Gesellschaft

Interessant ist, dass die Ausstellung nicht nur viel über Film und Kino, sondern auch über die Gesellschaft der Weimarer Republik erzählt. Denn die Filme, die damals entstanden, sind Spiegel des Zeitgeistes. Sie nehmen Alltagsthemen auf. Zugleich wird der Film in der Weimarer Republik selbst zum Leitmedium, das Trends und Vorbilder setzt. So ist es z. B. beim Thema Mode. Es gab Filme über Modenschauen und Schönheitswettbewerbe. Filmkostüme und Garderoben der Stars wurden in Zeitschriften abgebildet und als stilgebend präsentiert.

Lebensgefühl der 1920er Jahre

Mode, gut und schön, aber erfährt man in der Ausstellung auch etwas über Politik in der Weimarer Republik? Ja, ein Kapitel der Ausstellung ist mit „Poltik und Zensur“ beschrieben, ein anderes mit „Soziales“. Hier wird gezeigt, dass es vor allem Dokumentarfilme waren, die auf soziales Elend aufmerksam machten. Und dass es nach einer kurzen zensurfreien Phase ab 1920 eine verbindliche Regelung zur Zensur gab. Ich habe aber den Eindruck, es geht der Ausstellung eher darum, das Lebensgefühl der 20er Jahre, das sich in Filmen spiegelt, anschaulich zu machen. Dies gelingt durch gekonnte Inszenierungen. So werden z. B. beim Thema „Urbanität“ Kulissen, Wolkenkratzermodelle, Fotokollagen, Kostümbilder und Plakate so kombiniert und in Szene gesetzt, dass etwas von „Metropolis“ und „Der Sinfonie der Großstadt“ spürbar wird. Und natürlich sieht man auch Ausschnitte aus den beiden Filmen von 1927.

Weimar, weiblich

Ein großer Verdienst der Ausstellung ist, dass sie unter dem Themenschwerpunkt „Weimar, weiblich“ breiten Raum Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen und Schauspielerinnen der 1920er Jahre widmet. Denn nach dem Ersten Weltkrieg nutzten viele Frauen die neuen Berufsmöglichkeiten, die sich ihnen in der immer wichtiger werdenden Filmindustrie bot. Viele von ihnen sind in Vergessenheit geraten, z. B., weil ihre Karriere mit dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm endete. So war es beispielsweise bei Rosa Porten, die über zwanzig Stummfilmdrehbücher schrieb, einige Stummfilme mit ihrem Ehemann gemeinsam inszenierte und auch oft vor der Kamera stand. Sie zog sich noch vor dem Ende der Stummfilmzeit ins Privatleben zurück, versuchte sich 1950 noch einmal als Schauspielerin, aber ohne Erfolg.

Ab 1933 verfemt

Andere wurden vergessen, weil sie vor den Nationalsozialisten in den 1930er Jahren fliehen mussten. So ging es der jüdisch-österreichischen Musikerin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin Vicky Baum. Sie emigrierte schon 1932 in die USA und war dort sehr erfolgreich. In Deutschland und Österreich aber wurde sie als „jüdische Asphaltliteratin“ geschmäht, ihre Werke fielen der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 durch die Nationalsozialisten zum Opfer. Auf diese und andere Biografien vergessener Künstlerinnen macht die Ausstellung „Kino der Moderne“ in der Deutschen Kinemathek aufmerksam. Und das ist sehr gut so.

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Dennis R. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

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