Die Nachricht ist noch keine alte Demokratiegeschichte, sondern ziemlich aktuell: Sinan Selen wird Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. OK, er war bisher schon Vizepräsident dieser Behörde und der Posten als oberster Verfassungsschützer ist schon seit November 2024 frei, so eine Riesenüberraschung ist die Besetzung also nicht. Aber schauen wir uns an, was Sinan Selen bisher schon getan hat. Und dann wird es doch eine echte Demokratiegeschichte.
Beim BKA
Schon 2018 schrieb die Süddeutsche Zeitung über ihn:
Süddeutsche Zeitung, 6.12.2018
Selen hat sein ganzes Berufsleben damit verbracht, dass dieses Land nicht zur Todesfalle wird. Nach dem Jurastudium in Köln arbeitete er kurz als Rechtsanwalt, ging dann zum BKA, Abteilung Staatsschutz. Er diente in der Sonderkommission, die nach dem 11. September 2001 die deutschen Spuren der Todespiloten untersuchte. Als 2006 zwei Kofferbomben in Regionalzügen bei Köln und Koblenz gefunden wurden, bekam Selen den Auftrag, die Fahndung nach den flüchtigen Tätern zu leiten. Da war er gerade 34 Jahre alt. Sein Team studierte Tausende Stunden Überwachungsvideos sowie einen zerknüllten Einkaufszettel mit libanesischem Joghurt, am Ende stand ein großer Erfolg.
Die Karriereleiter nach oben
Nach nur einem Monat Fahndung konnten beide Bombenleger gefasst werden. Für Sinan ging die Karriere 2006 im Innenministerium als Referatsleiter weiter. 2009 wechselte er ins Bundespolizeipräsidium, 2012 wieder zurück ins Innenministerium, Abteilung öffentliche Sicherheit. Es folgte ein kurzer Ausflug in die Privatwirtschaft, als Sicherheitsbeauftragter von TUI. 2019 wurde Sinan Selen im Alter von 47 Jahren zum Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ernannt.
Angefeindet
Schon 2019 twitterte ein AfD-Mann „Muslim wird Verfassungsschutz-Vize“.
Na und? könnte man sagen. Falsch ist es außerdem. Weder seine Eltern noch Sinan Selen sind religiös.
Migrationsgeschichte
Wahr ist: Sinan Selen wird der erste Mensch mit Migrationsgeschichte an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz sein. 1972 geboren, kam er im Alter von vier Jahren aus der Türkei nach Köln. Seine Eltern waren Journalist:innen und arbeiteten für die Deutsche Welle. Lange hatte Selen die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit. Aus letzterer wurde er auf eigenen Antrag hin entlassen.
Hetze von rechts- und linksaußen
Trotz Selens beeindruckendem Berufsweg versuchten manche, dem bisherigen Vizepräsidenten Dinge zuzuschreiben, die sie an seiner Migrationsgeschichte festmachten. Dazu zählen die Hetze und Diffamierungen von rechts außen, aber auch die Unterstellung von links außen, Selen würde besonders hart gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgehen.
Ein erfahrener Spitzenmann
Klar ist, dass auf Sinan Selen eine große Aufgabe in schwierigen Zeiten wartet. Aber das Bundesamt für Verfassungsschutz bekommt mit Sinan Selen einen Präsidenten mit viel Erfahrung, der sehr genau weiß, worauf es bei der Verteidigung der Demokratie ankommt.
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