Demokratiegeschichten

Wenn das Volk die Grenze zieht

Der Konflikt um das Land Schleswig und damit um die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark hat eine lange Geschichte. Streitigkeiten über die Zugehörigkeit des Gebiets lösten unter anderem die Schleswig-Holsteinische Erhebung (1848-1851) und den deutsch-dänischen Krieg (1864) aus.

Vor 105 Jahren, am 14. März 1920, wurde dann die Grenze, wie sie heute steht, final festgelegt. Wo diese gezogen werden sollte, entschied das Volk.

Wie kam es zum Volksentscheid?

Festgelegt wurde die Klärung der Grenze per Volksentscheid im Zuge des Versailler Vertrags im Jahr 1919. Dieser sah vor, dass die Bevölkerung Schleswigs über die territoriale Zugehörigkeit entscheidet. Auch anderen Gebieten ließ man damals die Wahl zu welchem Land sie gehören wollen.

Die Forderung, die deutsch-dänische Grenze durch eine Volksabstimmung festzulegen, existierte jedoch bereits davor. Maßgeblich getragen wurde diese zu der Zeit durch den dänischen Politiker Hans Peter Hanssen, der sich am 23. Oktober 1918 als Vertreter der dänischen Nordschleswiger im deutschen Reichstag für eine Volksabstimmung einsetzte.

Man berief sich in der Forderung nach einer Abstimmung unter anderem auf das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker.

Die zwei entscheidenden Volksabstimmungen

1920 wurden dann in Vorbereitung auf die Abstimmung zwei Wahlzonen festgelegt. Eine nördliche und eine südliche. Die Grenze zwischen den beiden Zonen bildete die Clausen-Linie. Diese Grenzlinie hatte der dänische Geschichtswissenschaftler Hans Victor Clausen 1890 ermittelt, basierend auf der mehrheitlich dänischen oder deutschen Gesinnung.

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Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Als Gegenentwurf zur Clausen-Linie gab es auch die Tiedje-Linie des deutschen Beamten und Pfarrers Johannes Tiedje, welche weiter nördlich verlief. Sie sollte ein ausgewogeneres Minderheitenverhältnis schaffen. Auf diesen Grenzverlauf konnte sich jedoch nicht geeinigt werden und man blieb bei der Clausen-Linie.

In der nördlichen Zone (Zone 1) erfolgt die Abstimmung en bloc, also als ein einziges Abstimmungsgebiet, ohne die Berücksichtigung örtlich variierender Mehrheitsverhältnisse. Die südliche Zone (Zone 2) wird dagegen in einzelne Stimmbezirke unterteilt. Dänemark setzte dies bei der für die Volksabstimmung eingesetzten alliierten Kommission durch. Trotz starker Kritik auf deutscher Seite, da die zahlenmäßig überlegene Bevölkerung auf dem Land sich mehrheitlich Dänemark zugehörig sah.

Die erste Zone wählte am 10. Februar 1920. Der Norden von Schleswig entschied sich mit einer Mehrheit von 75 % für die Angliederung an Dänemark. Einige Tage später, am 14. März, stimmte dann die zweite Zone ab. Die einzelnen Gemeinden, wie Glücksburg, Sylt, Flensburg und Föhr, stimmten mit durchschnittlich 80 % für den Verbleib in Deutschland.

Abstimmungsergebnis in Schleswig 1920; Wikimedia Commons (Bennet Schulte)

Mit diesem Ergebnis stand offiziell die neue Grenze (Clausen-Linie) zwischen Deutschland und Dänemark fest und am 15. Juni 1920 wurde Nordschleswig an das Königreich Dänemark angegliedert.

Ein Vorbild in der Gegenwart

Trotz weiterer Proteste der Deutschgesinnten im nun dänischen Gebiet, die noch eine Weile nach den Volksabstimmungen anhielten, hat sich der deutsch-dänische Grenzraum inzwischen zu einem Vorbild im Umgang mit nationalen Minderheiten entwickelt.

Zur deutschen Minderheit in Dänemark zählt man etwa 15.000 Menschen und die dänische Minderheit im Norden Schleswig-Holsteins umfasst circa 50.000 Menschen. Sowohl in Südjütland (ehemaliges Nordschleswig) als auch im „neuen“ Norden Schleswigs ist die deutsche wie dänische Kultur lebendig und sichtbar.

14. März 1920: Deutsch-dänische Grenze wird neu gezogen | ndr.de 
Der deutsch-dänische Grenzraum — EGO
Die Geburtsstunde der deutsch-dänischen Grenze | VisitSønderjylland
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Anya H. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als studentische Hilfskraft.

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