Demokratiegeschichten

Das Frauenwahlrecht in Spanien

Teil drei der Reihe zum Frauenwahlrecht in Europa beschäftigt sich mit den entsprechenden historischen Umständen Spaniens. Das allgemeine Frauenwahlrecht trat dort am 9. Dezember 1931 in Kraft.

Status quo Anfang des 20. Jahrhunderts

Im Vergleich zum Rest des westlichen Europas hatten die Frauen Spaniens zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch eine zivilrechtlich sehr eingeschränkte Stellung. Ihnen wurde zudem größtenteils der Zugang zu höherer Bildung verwehrt und sie hatten keine Möglichkeit, politisch mitzuentscheiden.

Obwohl es im spanischen Parlament bereits vor dem Ersten Weltkrieg vereinzelte Diskussionen zu verschiedenen Formen des Frauenwahlrechts sowie Anläufe dieses umzusetzen, gab, führte man diese überwiegend ohne den Input von Frauen.

Die Frauenwahlrechtsbewegung

Nach dem 1. Weltkrieg begannen sich jedoch immer mehr Frauen in Spanien für das Wahlrecht einzusetzen.  

Es gründeten sich eine Vielzahl an frauengeführten Organisationen, die sich mit dem Thema beschäftigten. Dazu gehörten unter anderem die Asociación Nacional de Mujeres Españolas – ANME (Nationaler Verband spanischer Frauen), die Unión de Mujeres Españolas – UME (Union spanischer Frauen), die Liga Española para el Progreso de la Mujer (Spanische Liga für den Fortschritt der Frau) sowie La Cruzada de Mujeres Españoles (Der Kreuzzug der spanischen Frauen).

Es wurden im folgenden die ersten Demonstrationen organisiert, Publikationen herausgebracht und der spanischen Regierung Vorschläge und Petitionen vorgelegt, die das uneingeschränkte Frauenwahlrecht thematisierten.

Historiker*innen betonen jedoch immer wieder, dass die spanische Frauenwahlrechtsbewegung im Vergleich beispielsweise zur britischen oder französischen nur wenig gesellschaftlichen und politischen Einfluss hatte. Ihr Engagement fand kaum Anklang außerhalb eines kleinen bürgerlich-intellektuellen Kreises.

Clara Campoamor

Clara Campoamor, 1930; Foto: Virgilio Muro, Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Zu den wenigen Feministinnen die sich hervortaten, gehörte Clara Campoamor (1888 – 1972). Die Juristin, Aktivistin und Politikerin gilt heute als Leitfigur der spanischen Frauenwahlrechtsbewegung.

Auf ihrer juristischen und aktivistischen Agenda standen nicht nur das Frauenwahlrecht, sondern auch Themen wie Bildung, das Verbot von Kinderarbeit, die Abschaffung von Prostitution sowie die Reformation des Eherechts.

Das passive und aktive Wahlrecht

Ab 1926 durften spanische Frauen, die das Oberhaupt ihrer Familie waren, bei regionalen Wahlen ihre Stimme abgeben. Erreicht wurde dies auf Erlass des Diktators Miguel Primo de Rivera hin, der jedoch in den darauffolgenden Jahren keine Wahlen zuließ. Erst mit dem Ende seiner Herrschaft und dem Aufbau der Zweiten Spanischen Republik im Frühjahr 1931 fanden wieder Wahlen statt.

Bei den Parlamentswahlen im Juni 1931 durften Frauen dann zwar kandidieren, jedoch nicht selbst wählen. Sie hatten damit vorerst nur das passive Wahlrecht. Doch durch diesen ersten Schritt in Richtung des vollständigen Wahlrechts wurden drei Frauen ins spanische Parlament gewählt.

Clara Campoamor sowie Victoria Kent und Margarita Nelken waren zwischen 1931 und 1933 die ersten weiblichen Abgeordneten.

Der Kampf im Parlament

Obwohl sich alle drei der Verteidigung der Frauenrechte verschrieben hatten, waren sie sich bezüglich des Wahlrechts für Frauen nicht einig. Während Campoamor dieses trotz Widerstandes aus allen Richtungen immer wieder in ihren Reden forderte, waren Kent und Nelken der Meinung, dass Frauen noch nicht bereit für die uneingeschränkte politische Partizipation seien, da vielen von ihnen die nötige Bildung und das Verständnis für die Rolle als Staatsbürgerin fehlen würde.

Clara Campoamor ließ sich allerdings nicht beirren und kämpfte in der Verfassungskommission für die Verankerung des Frauenwahlrechts in der Gesetzgebung.

Am 1. Oktober 1931 wurde mit einer knappen Mehrheit der Artikel 36 zum Frauenwahlrecht per Abstimmung beschlossen. Die am 9. Dezember 1931 in Kraft getretene Verfassung gewährte spanischen Frauen (ab 23 Jahren) damit das allgemeine Wahlrecht.

Die erste Wahl und der erneute Abschied

Die ersten Wahlen in Spanien, bei denen Frauen das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, fanden im November 1933 statt.

Der Erfolg war allerdings nur von kurzer Dauer. Zwischen 1936 und 1939 herrschte der spanische Bürgerkrieg und in der anschließenden Franco-Diktatur wurde dann das Wahlrecht für alle ausgesetzt.

Nach dem Tod Francos Mitte der 1970er Jahre hatten Frauen dann erneut das Recht und die Möglichkeit, zu wählen.

Dass die Durchsetzung des Frauenwahlrechts 1931 erfolgreich war, lässt sich unter anderem auf die Forderungen starker politischer Kräfte nach einer liberal-demokratischen Verfassungsreform zurückführen. Doch ohne das Engagement der Frauenorganisationen und Frauenwahlrechtsaktivistinnen der Zeit wäre es Frauen wie Clara Campoamor nicht möglich gewesen, in die Position zu gelangen, im Parlament für dieses Recht zu kämpfen und die politische Landschaft zu beeinflussen.

Literatur:
Hannam, June et. al.: International Encyclopedia of Women's Suffrage. Santa Barbara 2000. S. 277-280.
Seibert, Katharina: Schlagabtausch der Feministinnen. Spaniens erste Parlamentarierinnen im Kampf um das Frauenwahlrecht, in: Kaiser/Schulz (Hrsg.): »Vorhang auf!« – Frauen in Parlament und Politik (Parlamente in Europa 8). Düsseldorf 2022. S. 179-198.
https://historicalarchives.europarl.europa.eu/de/home/cultural-heritage-collections/buildings/clara-campoamor.html
https://www.frauenwahlrecht-freiburg.de/spanien/
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Anya H. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als studentische Hilfskraft.

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