Demokratiegeschichten

Der Offenburger Salmen

„Wir haben in dieser vor mir liegenden Karte, gleich einer magna carta, diejenigen Punkte aufgenommen, welche wir für eine wahre Volksfreiheit unentbehrlich halten. Wir wünschen, daß Sie dem Inhalte dieser Karte Ihre Beistimmung verleihen möchten durch ein lautes Ja.“

Nach diesen Worten Friedrich Heckers, des 36-jährigen Mannheimer Anwalts, berühmt für seine furiosen Auftritte in der Zweiten Kammer des badischen Parlaments in Karlsruhe, verabschieden die fast 900 Zuhörer*innen im Offenburger Salmen am 12. September 1847 – heute vor 173 Jahren – die „13 Forderungen des Volkes“. Die aufsehenerregenden Nachrichten von der Offenburger Versammlung verbreiten sich in fast ganz Deutschland.

Symbol für die deutsche Geschichte

Freiheitshoffnung, Kampf für Demokratie auf der Basis von Grundrechten 1847-49. Aber auch Errichtung eines totalitären Volksstaats und Vernichtung der jüdischen Mitbürger*innen in Deutschland und Europa 1933-1945: Dafür steht der Offenburger Salmen. Am 12. September 1847 trafen sich hier die „Freunde der Verfassung“. Sie waren der radikaldemokratische  und liberale Flügel des späteren Paulskirchenparlaments. Der Salmen war damals ein Gasthaus, das auch Poststation war und als Festsaal diente, Umschlagplatz für Neuigkeiten aller Art. Die „Freunde der Verfassung“ verabschiedeten im Salmen mit den „13 Forderungen des Volkes in Baden“ den ersten umfassenden Grundrechtskatalog der deutschen Geschichte. Sie forderten Pressefreiheit, persönliche Freiheit, gerechte Steuern, Bildung für alle, eine volkstümliche Staatsverwaltung und die „Ausgleichung des Mißverhältnisses zwischen Arbeit und Capital“. Alle Vorrechte sollten abgeschafft werden. Von Offenburg aus wurde das Fundament des Grundgesetzes gelegt.

Später, ab 1875, nutzte die jüdische Gemeinde Offenburgs den Salmen als Synagoge. Die Nazis plünderten und schändeten das Gebäude in der Reichspogromnacht im November 1938.

Wiederentdeckung

Anlässlich der Feierlichkeiten zu „150 Jahre Badische Revolution“ entdeckte die Öffentlichkeit die Bedeutung des Salmen für die deutsche und europäische Geschichte wieder neu. Die Stadt Offenburg erwarb das Gebäude, das nach 1945 ein Elektroladen war, sanierte es und nutzt es seither als Erinnerungs- und Veranstaltungsstätte. Bundespräsident Johannes Rau eröffnete 2002 diesen Ort, der in den Rang einer Kultur- und Erinnerungsstätte von nationaler Bedeutung aufgestiegen war. Der Salmen steht wie kein zweites Gebäude in Deutschland für die Brüche der deutschen Geschichte.

Öffnung des Salmen

In den nächsten beiden Jahren wird der Salmen erneut umgebaut, modernisiert und schließlich der Öffentlichkeit als Teil des Museums im Ritterhaus in höherem Maße als bisher zugänglich gemacht. Eine Multimediaschau sowie Ausstellungen zur Geschichte der Freiheitsbewegung von 1847 und zur jüdischen Geschichte sollen den Salmen und seine Stellung in der deutschen Geschichte bekannter machen.

Die Stadt Offenburg ist mit der Kultur- und Erinnerungsstätte Salmen Mitglied der AG Orte der Demokratiegeschichte.

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