Demokratiegeschichten

Dr. Agnes von Zahn-Harnack

Agnes von Zahn-Harnack war 1908 die erste Frau, die an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin (heute HU Berlin) studierte, nachdem das preußische Kultusministerium mit der Verordnung vom 18. August 1908 die Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium ermöglichte. Ein Fortschritt, welcher unter anderem auf die Frauenrechtlerin Helene Lange zurückzuführen ist.

Im Laufe ihres Lebens engagierte sich Agnes von Zahn-Harnack in der bürgerlichen Frauenbewegung. Die gleichberechtigte Bildung für Frauen blieb dabei immer ein wichtiges Thema für sie.

Kindheit und Bildung

Agnes Harnack (der Adelstitel wurde dem Vater erst 1914 verliehen) wurde am 19. Juni 1884 in Gießen geboren. 1888 zog die Familie dann nach Berlin. Der Vater, Adolf Harnack, hatte hier die Professur für Kirchengeschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität übernommen. Sie wuchs in einem bürgerlich-liberalen Milieu auf und genoss dank der Stellung und des Vermögens der Familie eine gute Bildung. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Lehrerin und unterrichtete an einer Höheren Mädchenschule in Berlin.

Als Externe holte sie 1908 an einem Gymnasium das Abitur nach, welches an Mädchenschulen nicht angeboten wurde. Unmittelbar nach dem Erlass, welcher es Frauen ermöglichte, an Universitäten in Preußen zu studieren, tat sie genau dies. So schrieb sie sich für ein Studium in Germanistik, Anglistik und Philosophie an der Friedrich-Wilhelms-Universität ein. Da sich der zuständige Professor Gustav Roethe an der Berliner Universität geweigert hatte, sie zu prüfen, promovierte Agnes Harnack 1912 allerdings dann an der Universität Greifswald.

Engagement für die Frauenbewegung vor dem Zweiten Weltkrieg

Über den Nationalen Frauendienst während des Ersten Weltkriegs kam von Harnack zur Frauenbewegung und zur sozialen Arbeit. Auch nach dem Krieg blieb sie trotz der Eheschließung mit Karl von Zahn 1919 und der Geburt ihrer Kinder politisch aktiv. Die Familie war wohlhabend genug, um ihr intensives Engagement außerhalb des Hauses zu ermöglichen.

Wie viele bürgerliche Frauenrechtlerinnen schloss sich Agnes von Zahn-Harnack in der Weimarer Republik der linksliberalen Partei DDP an. Zudem gehörte sie 1926 zu den Mitgründerinnen des Deutschen Akademikerinnenbunds (DAB). Der DAB und seine zahlreichen Mitstreiterinnen setzten sich für die Förderung der universitären Frauenbildung und die Gleichberechtigung in der Wissenschaft ein. Sie bildeten damit einen wichtigen Teil der akademischen Frauenbewegung.

1931 wurde von Zahn-Harnack schließlich Vorsitzende des Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF). Der BDF hatte als Dachverband für mehr als 1500 Organisationen der gemäßigt-bürgerlichen Frauenbewegung 1931 etwa eine Millionen Mitglieder. Über den BDF wurden die Anliegen der Frauenbewegung koordiniert und gebündelt, um ihnen mehr Wirkung und Durchsetzungsvermögen zum Beispiel im Reichstag zu verleihen.

Der Vorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine bei der ersten Konferenz in Jena im Jahre 1907; Foto: Wikimedia Commons

Die Auflösung des BDF und Widerstand im Nationalsozialismus

1933 initiierte von Zahn-Harnack als nun letzte Vorsitzende des BDF die Selbstauflösung des Verbands. Damit wollten sie die Gleichschaltung des Bundes verhindern. Dieser hätte den Ausschluss von Jüdinnen und anderen nach nationalsozialistischem Verständnis „nicht-arischen“ Personen sowie die Aufnahme von nationalsozialistischen Funktionärinnen in den Vorstand und die Übernahme der NS-Ideologie bedeutet. Die Gleichschaltung und damit die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten hinzunehmen, kam für sie nicht in Frage. Wie im Podcast „Frauen von damals“ von Bianca Walther treffend ausgedrückt: „Wo sie war, stand die Brandmauer“.

Nach der Auflösung widmete sie sich vor allem dem Schreiben, in welchem sie aber durchaus auch ihre Kritik am Nationalsozialismus einfließen ließ. Sie soll zudem während des Krieges jüdische Kinder unterrichtet haben und hatte über ihre Familie sowie Bekannte aus dem ehemaligen BDF Kontakt zur bürgerlichen Widerstandsbewegung. Mehrere ihrer Familienmitglieder, wie ihr Bruder Ernst von Harnack, wurden als Widerstandskämpfer hingerichtet.

Aktivismus in der Nachkriegszeit

Bereits kurz nach Kriegsende macht sich Agnes von Zahn-Harnack gemeinsam mit weiteren verbliebenen Frauenrechtlerinnen daran, die Organisation der Frauenbewegung wieder von Grund auf aufzubauen. Im Juli 1945 versuchten sie gemeinsam einen Nachfolger für den BDF zu gründen, den Deutschen Frauenbund. Da es sich um eine auf den deutschen Staat bezogene Organisation gehandelt hätte, wurde das Anliegen von den Westalliierten abgeblockt. Stattdessen wurde von Zahn-Harnacks Gründung des auf einen Stadtteil begrenzten Wilmersdorfer Frauenbundes 1945 e. V. genehmigt, wobei dieser sich 1948 in den Berliner Frauenbund 1945 e. V. umbenennen durfte.

Agnes von Zahn-Harnack, aber auch der Verein selbst arbeiteten unter dem Motto: „Vom Nähfaden bis zur Atombombe ist alles Politik“. Man engagierte sich sowohl auf kommunaler Ebene für Frauen als auch in der Friedensbewegung und versuchte, die Gleichberechtigung von Frauen wieder in den politischen Diskurs einzubringen. Die Einbindung von Frauen außerhalb des bildungsbürgerlichen Milieus erfolgte dabei noch kaum. Ein typisches Problem der bürgerlichen Frauenbewegung. Der Berliner Frauenbund 1945 e. V. setzt sich bis heute für ein geschlechtergerechtes Berlin ein.

Auch an der Neugründung des Deutschen Akademikerinnenbund (DAB) im Jahr 1949 war Dr. Agnes von Zahn-Harnack beteiligt. Erneut gemeinsam mit Marie-Elisabeth Lüders sowie weiteren Akademikerinnen der westdeutschen Besatzungszonen. Der Verein ist ebenfalls bis heute aktiv und kämpft für die Gleichberechtigung in Bildung, Berufsleben, Politik und Gesellschaft.

© Foto: OTFW, CC BY-SA 3.0

Neben ihrem aktivistischen Engagement war sie als freie Autorin und Journalistin unter anderem im Rundfunk tätig. Am 22. Mai 1950 starb Dr. Agnes von Zahn-Harnack im Alter von 65 Jahren.

Sehr empfehlenswert ist die Folge zu Agnes von Zahn-Harnack im Podcast „Frauen von damals“ von Bianca Walther.

Agnes von Zahn-Harnack — Humboldt-Universität zu Berlin 
Rückschau & Aufbruch - Berliner Frauenbund 1945 e.V.
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Anya H. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als studentische Hilfskraft.

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