Demokratiegeschichten

Abschied ohne Scham – Richard Nixons verlässt das Weiße Haus

Die Watergate-Affäre während der Präsidentschaft Richard Nixons gilt bis heute als einer der größten, wenn nicht sogar als der größte Politskandal der US-amerikanischen Geschichte. Allein der Begriff „Watergate“ steht wie kein anderer als Synonym für politische Affären und Verschwörungen. Zuletzt wurden immer wieder angesichts der zahlreichen Skandale rund um den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump Fragen nach einem „neuen Watergate“ aufgeworfen. In Zusammenhang mit der historischen Watergate-Affäre Anfang der 1970er Jahre steht der bisher erste und einzige Rücktritt eines US-amerikanischen Präsidenten. Unter anderem deshalb gilt sie als größte Krise des höchsten Amtes der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ein unnötiger Einbruch

In der Nacht zum 17. Juni 1972 versuchen fünf Angehörige von Nixons Wahlkampfteam im Hauptquartier der Demokratischen Partei im Hotel Watergate in Washington, D.C., Abhörwanzen zu installieren und geheime Dokumente abzufotografieren. Ziel ist es, ihrem amtierenden Präsidenten zur Wiederwahl zu verhelfen. Doch ein Wachmann entdeckt die Einbrecher und ruft die Polizei. Wohl keinem der Ordnungshüter ist zu diesem Zeitpunkt bewusst, was diese Verhaftungen für Folgen haben werden.

Tatsächlich gewinnt Nixon diesen Wahlkampf mit einem der höchsten Siege in der US-Geschichte. Ironischerweise hätte er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne den Einbruch im Watergate-Hotel gewonnen, aber seine Gier nach einem absoluten Triumph ist allen Mitarbeitenden im Weißen Haus bekannt. Vorauseilender Gehorsam ist in einer solchen Situation zumindest wahrscheinlich.

Der Watergate-Gebäudekomplex in Washington, D.C. (2006), Quelle: Indutiomarus, gemeinfrei

Nur die Spitze des Eisbergs

Bereits ab Sommer 1972 wittert die Washington Post eine weitreichende politische Verschwörung, an der das Weiße Haus maßgeblich beteiligt sei. Hier zu nennen sind vor allem die Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein, deren wichtigster Informant, Deckname Deep Throat, sie mit Insiderwissen versorgt. Auch wenn die „vierte Gewalt“ die Watergate-Affäre zweifellos nicht im Alleingang aufdeckt, sind die Rolle von Woodward und Bernstein und ihr investigatives Engagement nicht zu unterschätzen.

Tatsächlich ergeben Ermittlungen des FBI schnell, dass die Auftraggeber des Einbruchs im nahen Umfeld Nixons zu verorten sind. Weitere Nachforschungen ab Frühjahr 1973, da ist Nixon bereits wiedergewählt, führen zum Bekanntwerden zahlreicher weiterer machtmissbräuchlicher Vergehen, die teilweise direkt vom Weißen Haus angeordnet wurden und immer das Ziel hatten, Nixons Gegnern zu schaden. Die Aufforderung an den Präsidenten, mit der Justiz und mehreren Kongressausschüssen zusammenzuarbeiten, um eine umfassende Aufklärung der öffentlich gewordenen Fälle zu garantieren, ignoriert dieser gekonnt.

Eine Wahl zwischen der Verurteilung von Machtmissbrauch und Loyalität zum Präsidenten

Am 27. Juli 1974 empfiehlt der Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses schließlich der Versammlung, Nixon wegen Behinderung der Justiz anzuklagen. Es sind nicht nur die 21 demokratischen Abgeordneten, die gegen den amtierenden Präsidenten stimmen, sondern auch sechs Republikaner. Als der Ausschuss zwei Tage später darüber abstimmt, ob Nixon auch die Macht des Präsidentenamtes missbraucht habe, sind es sogar sieben Republikaner.

Anschließend sprechen sich immer mehr republikanische Politiker auch öffentlich gegen ihren Präsidenten aus. Alles sieht danach aus, als werde im August das Repräsentantenhaus beschließen, Nixon anzuklagen. Daraufhin müsste der Senat darüber abstimmen, ob Nixon seines Amtes enthoben wird oder nicht. Die Demokratische Partei hat hier zwar eine Mehrheit, aber nicht die notwendige, also wäre sie auch im Senat auf einige Stimmen der Republikaner angewiesen.

Nixons Rücktrittsschreiben an Außenminister Kissinger, Quelle: U.S. National Archives, gemeinfrei

Von der eigenen Partei im Stich gelassen

Anfang August lässt das Weiße Haus noch verlautbaren, dass der Präsident in bester Stimmung und zuversichtlich sei. Doch das ändert sich schnell, als wenige Tage später, wie vom Obersten Gerichtshof angeordnet, mehrere Tonbänder aus dem Oval Office, dem Büro des Präsidenten, veröffentlicht werden. Sie beweisen eindeutig, dass Richard Nixon persönlich versuchte, den Einbruch im Hotel Watergate zwei Jahre zuvor zu vertuschen. Speziell ein Tonband vom 23. Juni 1972 liefert die entscheidenden Beweise.

Der notorisch misstrauische Nixon selbst war es, der die Gespräche im Weißen Haus hatte aufzeichnen lassen. Dies ist nicht nur ein Vertrauensbruch allen gegenüber, die dachten, sich mit ihrem Präsidenten im Vertrauen zu unterhalten, sondern wird ihm am Ende selbst zum Verhängnis. Ob Nixon an der Planung des Watergate-Einbruchs beteiligt war, kann bis zum Ende nicht zweifelsfrei geklärt werden. Dass er ihn aber im Anschluss versucht hat zu verschleiern, steht zweifelsfrei fest.

Angesichts dieser erdrückenden Beweislast erklärt die Republikanische Partei in Form ihres Fraktionsführers im Repräsentantenhaus, dem Präsidenten die Unterstützung zu verweigern und verkündet ihm, es gebe nicht mehr genügend republikanische Abgeordnete, die noch hinter ihm stünden. Damit scheint der Amtsenthebung (Impeachment) nichts mehr im Wege zu stehen. Doch von den eigenen Leuten aus dem Amt geworfen zu werden, dieser Schande will sich Nixon nicht aussetzen.

Sich der Verantwortung entziehen

Am 8. August um 21:00 Uhr Washingtoner Zeit hält Nixon eine Ansprache an die amerikanische Nation, in der er seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten für den kommenden Tag ankündigt. Für einen Moment scheint das Leben in den USA still zu stehen und alle starren wie gebannt auf die Fernsehbildschirme. Ein Präsident tritt freiwillig zurück, so etwas hat es noch nie gegeben.

Von Scham und Reue ist in Nixons Rede allerdings wenig zu spüren, vielmehr hebt er seine Leistungen als Präsident und die positiven Charaktereigenschaften hervor, die ihn seiner Meinung nach viel eher ausmachen als der eine oder andere kleine Fehler: „Ich war nie ein Drückeberger. Das Amt vorzeitig zu räumen, widerstrebt jedem Instinkt meines Körpers.“

Das Ende eines Albtraums

Am darauffolgenden Tag, am 9. August 1974, verlassen Richard Nixon und seine Familie das Weiße Haus. Als er in den Hubschrauber steigt, reckt er noch einmal triumphierend und breit grinsend die Arme in die Luft und formt seine Finger zu Victory-Zeichen. Reue sieht beim besten Willen anders aus. Ein an Außenminister Henry Kissinger adressiertes Schreiben Nixons, in dem er förmlich seinen Amtsverzicht erklärt, wird um 11:35 Uhr geöffnet. Damit ist der Rücktritt offiziell vollzogen. Sein Nachfolger und bisheriger Vize-Präsident Gerald Ford wird wenige Minuten später vereidigt. Eine seiner ersten Worte im Amt: „Unser langer nationaler Albtraum ist vorbei.“

Präsident General Ford begnadigt Richard Nixon am 8. September 1974, Quelle: University of Michigan, gemeinfrei

Anfang September, also nur wenige Wochen nach Nixons Rücktritt, begnadigt der neue Präsident seinen Vorgänger. Das sprechen die beiden noch vor Nixons Abgang miteinander ab. Somit wird Nixon niemals strafrechtlich verfolgt, geschweige denn verurteilt. Doch es erwächst auch Gutes aus der Watergate-Affäre: In der Folge werden einige Gesetze erlassen, die mehr Transparenz mit Blick auf Wahlkampffinanzierung und die Offenlegung der Finanzen von Regierungsangehörigen garantieren. Ebenso erwarten die US-amerikanischen Bürger:innen seither von ihren Politiker:innen, dass sie ihre Steuererklärungen veröffentlichen. Dies wiederum ist eine „Tradition“, mit der Präsident Trump zwischen 2017 und 2021 bricht.

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Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

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