Demokratiegeschichten

Heinrich Krone – Ein Katholik in Berlin und Bonn

Politik erscheint stets als ein Kräftemessen von Alphatieren und kaum vergeht ein Tag in dem dieses Bild in den verschiedenen Medien nicht z.B. auf die momentane Debatte um den Vorsitz der CDU angewendet wird. Meist erinnern wir uns an die Personen an der Spitze wie Adenauer, Brandt, Schmidt und Kohl, die offensichtlich eine große Bedeutung für ihre jeweilige Zeit hatten.

Politiker, die gar kein Interesse daran haben, in vorderster Reihe zu stehen, und die nicht die Öffentlichkeit suchen, bleiben in der öffentlichen Erinnerung stets hinter besagten Frontpersonen. Das ist deswegen bedenklich, weil diese zweite Gruppe der Demokratie erst die Stabilität geben und mit ihrer Sacharbeit in den Parlamenten, Parteien oder Verbänden einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Bundesrepublik, ja jedes demokratischen Systems hat.

Politiker dieses Typs, die trotz ihres fehlenden Ehrgeizes immer noch recht gut in Erinnerung geblieben sind, gibt es nur wenige. Ein Idealbeispiel hierfür ist Heinrich Krone, der sowohl in der Weimarer Ära wie auch in der Bundesrepublik einen bedeutenden Einfluss auf die Geschehnisse innerhalb des politischen Katholizismus ausüben konnte, stets aus der zweiten Reihe.

Aufgewachsen in Preußen

Geboren 1895 in Hessisch-Oldenburg im damaligen Königreich Preußen wuchs Heinrich Krone in einer gläubigen katholischen Familie in einer evangelisch geprägten Region auf. Diese Prägung sollte ihn in der Folgezeit sehr beeinflussen. Er ging auf einem katholischen Gymnasium in Hildesheim zur Schule und begann nach seinem Abitur ein Studium der katholischen Theologie, was in dieser Zeit normalerweise von Priesteramtskandidaten studiert wurde. Seine Studien musste er jedoch aufgrund des Beginns des Ersten Weltkriegs unterbrechen. Aus dem Krieg zurückgekehrt wechselte er jedoch das Studium, da er sich nicht für geeignet hielt, im Priesteramt die Gesellschaft zu verändern. Er begann stattdessen ein Lehramtsstudium in Latein und neueren Sprachen. In der Zeit, in der er fertig wurde, war es aber schon absehbar, dass aufgrund der desolaten Finanzlage des Reiches und den Folgen des Krieges nur eine sehr geringe Anzahl an Lehrern neu eingestellt werden würde.

Für Krone stellte dies nur bedingt ein Problem dar, da er schon zuvor kein gesteigertes Interesse am Lehrerberuf gezeigt hatte und immer mehr Freude am Schreiben fand. Über sein Engagement in katholischen Akademikerkreisen und dem katholischen Studentenverein Unitas kam er schließlich in Kontakt mit der deutschen Zentrumspartei, der wichtigsten Partei des politischen Katholizismus in Deutschland.

Karriere in der Zentrumspartei

In der Partei erhielt die Möglichkeit, in der kurzlebigen Parteizeitschrift „Das Zentrum“ mitzuarbeiten. Dort wurde er zum Schriftleiter des Blattes ernannt, was heute der Funktion eines Chefredakteurs entsprechen würde. Bemerkenswert war daran, dass die Parteispitze mit ihm einen Kandidaten ausgesucht hatte, der sich vorbehaltlos auf die Seite der Republik gestellt hatte, was noch nicht für alle Kreise des Zentrums in den frühen 20ern selbstverständlich war. Zusätzlich bekam er die Aufgabe, im Dezernat für Jugendpolitik in der Berliner Reichsparteizentrale zu arbeiten. Schließlich wurde er in den Folgejahren der stellvertretende Generalsekretär der Partei.

Die persönliche Bedeutung seiner politischen Aktivität sollte nicht unterschätzt werden, da Krone sich gerade in der Zeit einer beginnenden Krise des jungen Staates engagierte. Es war eine Phase, in der die Gefahr politischer Unruhen nahezu allgegenwärtig war, und schon diverse Politiker, so beispielsweise Krones Parteifreund Matthias Erzberger, Opfer politischer Attentate geworden waren.

Dieser Mut mag auch in seiner Verwurzelung im katholischen Glauben begründet sein. Religion spielte für ihn immer eine große Rolle und in seinen Tagebüchern begründet er oft seine Haltung und seine Handlungen aus seinem Glauben heraus. Es war mehr als nur eine starke politische Sozialisation, wie man sie von einem Zentrumspolitiker eher erwarten konnte. Auch in seiner Sprache nutzte er sehr häufig biblische Bilder oder zitierte katholische Autoren. Dies mag in einer ausdrücklich katholisch geprägten Partei auf den ersten Blick nicht auffallen. Jedoch war ein solches Verhalten sogar für die Zentrumspartei und später für die CDU sehr ungewöhnlich und man findet nur wenige vergleichbare Politiker. 

Geschäftsführer der Windthorstbünde

Für Krone ging es karrieretechnisch in den Windthorstbünden weiter, der Jugendorganisation der deutschen Zentrumspartei. Hier wurde er Mitte der 20er Jahre der Geschäftsführer, später sogar der Leiter des Verbandes. Dabei konnte er wiederum sein Können als Organisator und Herausgeber demonstrieren, da er insbesondere wieder für eine Zeitschrift, für das Verbandsblatt „Das junge Zentrum“, verantwortlich war. In dieser Zeit arbeitete er auch mit Vertretern anderer prorepublikanischer Jugendorganisationen zusammen, so z. B. mit dem späteren SPD-Parteichef Erich Ollenhauer. Schon jetzt zeigte sich bei ihm eine große Offenheit gegenüber anderen politischen Meinungen, ein Charakterzug, der auch seine Bonner Jahre prägen sollte.

Reichstagsabgeordneter des linken Zentrumsflügels und Verbandsfunktionär

1925 erhielt er zum ersten Mal die Möglichkeit, als Abgeordneter in den Reichstag nachzurücken. Er gehörte zu den jüngsten Mitgliedern seiner Fraktion. Durch sein Engagement in den Jugendverbänden war auch seine politische Themenwahl klar. Er fand in der Jugendpolitik ein Feld, in dem er mit besonderer Vorliebe arbeitete. Innerhalb der Partei konnte man ihn am ehesten noch dem linken Flügel um den früheren Reichskanzler Joseph Wirth zuordnen, der eine enge Zusammenarbeit mit der SPD suchte. Allerdings war es eher seine Verbundenheit mit Wirth als seine politische Überzeugung, die ihn in diesem Flügel hielten. So war es ein Merkmal seiner politischen Arbeit, dass er stets die Verbindung zu einer Leitfigur suchte, der er zuarbeiten konnte. Diese Person sollte in den folgenden Jahrzehnten noch wechseln.

Seine inhaltliche Vielseitigkeit zeigte sich auch innerhalb seiner Tätigkeit in politischen Verbänden jenseits des Zentrums. So war er als Repräsentant seiner Partei sowohl aktives Mitglied des Friedensbundes deutscher Katholiken wie auch Mitglied im prorepublikanischen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. In Ersterem zeigte er seine Ablehnung des Krieges als politisches Mittel. Zeitlebens blieb Krone ein überzeugter Pazifist. Letzteres war eine überparteiliche Organisation, die das republikanische Gegenstück zum Stahlhelm, zum Rotfrontkämpferbund oder auch zur SA bilden sollte und für die Sicherheit bei Veranstaltungen zuständig war. Besonders verdient machte sich Krone auch durch sein Engagement im Verein zur Abwehr des Antisemitismus.

Wechsel zum konservativen Flügel – die Spätphase der Republik

Die politische Entwicklung Krones ist in vielerlei Hinsicht ein Spiegelbild der Zentrumspartei. Ende der 20er Jahre wandte sich das Zentrum immer mehr einer konservativeren Agenda zu. Sie blieb in ihrer Mehrheit der Weimarer Republik verbunden. Jedoch wurde die Zusammenarbeit mit Parteien des linken Parteienspektrums immer schwieriger.

Ähnliches gilt auch für Heinrich Krone. So näherte er sich in der zweiten Hälfte der 20er Jahre einem anderen Jungpolitiker an, der im eher konservativen Flügel der Partei zu einem Rising Star wurde: Heinrich Brüning. Dieser sollte 1930 zum Reichskanzler und für die kommenden zwei Jahre zum Sinnbild einer Schwächung des Parlamentes werden. Er regierte weniger durch im Reichstag verabschiedete Gesetze als durch Notverordnungen des Reichspräsidenten am Parlament vorbei. Gestützt wurde er aber stets vom Zentrum und den liberalen Parteien. Eine Tolerierung durch die SPD gab seiner Regierung zumindest nominell auch den nötigen Rückhalt im Reichstag. Aber auch in dieser Zeit machte Krone durch sein Engagement gegen die Kommunisten und die Nationalsozialisten auf sich aufmerksam.

Das Ende der Weimarer Republik durchlebte er mit großer Sorge. Als die Nazis nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 ein neues Ermächtigungsgesetz in den Reichstag einbrachten, gehörte Krone zu den Abgeordneten der Reichstagsfraktion des Zentrums, die sich gegen die Gesetzesvorlage aussprachen. Dabei folgte er auch dem Kurs seiner früheren Mentoren Joseph Wirth und Heinrich Brüning. Jedoch gehörte er dieses Mal zur Minderheit.  Die Fraktion entschloss sich mehrheitlich zur Annahme des Gesetzesentwurfs und stimmte gemäß dem Fraktionszwang geschlossen für das Ermächtigungsgesetz.

Unauffällig im Nationalsozialismus

Im „Dritten Reich“ übernahm Krone eine Vielzahl verschiedener Berufe, von denen er die meisten nur für kurze Zeit ausüben konnte. So versuchte er sich sowohl als Kaffeevertreter wie auch als Herausgeber von Zeitungen. Gerade letzteres scheiterte an Publikationsverboten seiner Blätter und dem Zwang, sich als ehemaliger bekannterer Zentrumspolitiker unauffällig verhalten zu müssen.

Ein Engagement zu Anfang der NS-Zeit sticht jedoch besonders heraus: Seine Arbeit für das Caritas-Notwerk und dem „Hilfsausschuss für katholische Nichtarier“. Krone wurde von kirchlichen Stellen beauftragt, hilfsbedürftige Leute zu finden, die aufgrund der Naziherrschaft unverschuldet in Not geraten waren. Diese erhielten auf seine Vermittlung hin eine beachtliche finanzielle Unterstützung aus Mitteln einiger deutscher Diözesen. Noch heute kann man in seinen umfangreichen Briefwechseln jener Jahre erkennen, wie wichtig ihm diese Art der Arbeit war. Politisch hielt er sich zwar stets zurück, stand aber dennoch unter Verdacht. Obwohl er nichts mit den Planungen des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 zu tun hatte, kam er aufgrund seiner Kontakte zu Mitgliedern des christlichen Widerstands für einige Monate ins Gefängnis.

Mitbegründer der CDU

Das Kriegsende erlebte Krone in Berlin. Hier gehörte er zum engsten Gründerkreis der neuen christdemokratischen Partei, die in Berlin zum ersten Mal den noch heute bekannten Namen Christlich-Demokratische Union Deutschlands erhielt. Neben Krone gehörten insbesondere der frühere Finanz- und Landwirtschaftsminister Andreas Hermes und der katholische Gewerkschaftsführer Jakob Kaiser zu den führenden Vertretern der neuen Partei, die sozialpolitisch in vielen Feldern noch links der Mitte anzusiedeln war. Jakob Kaiser übernahm für die folgenden Jahre wiederum die Rolle des für Krone so wichtigen Mentors.

Politiker in Berlin

Mehr noch als die meisten anderen großen Städte in Deutschland war Berlin im Krieg umfassend zerstört worden. Krone engagierte sich von Anfang an in der Stadtpolitik und kümmerte sich um Fragen der Wiederherstellung des öffentlichen Lebens, insbesondere um die Belange der Berliner Schulen. Auch dieses Mal war seine katholische Prägung für sein Wirken entscheidend. Neben den Themen des Wiederaufbaus nannte er in seinen Reden immer wieder die konfessionelle Schule als eines der entscheidenden Felder, auf dem die Union aktiv werden sollte. Damit führte er einen der entscheidenden Punkte der Zentrumsagenda der Weimarer Republik an. Katholische Schüler sollten das Recht erhalten, auf katholischen Schulen unterrichtet zu werden, und Eltern sollten ihre Kinder auf Schulen schicken können, die Kinder im Geiste der eigenen Konfession ausbildeten. Dieses Thema verband sich für ihn in diesen Jahren aber auch mit dem Eindruck, dass er den Kommunismus in der sowjetischen Besatzungszone und in Osteuropa zunehmend als Gefahr für die Freiheit der Bürger Berlins wahrnahm.

Eine neue Karriere in der deutschen Politik stand aber erst einmal nicht an. In den frühen Nachkriegsjahren hielt er sich weitestgehend aus der überregionalen Parteipolitik heraus. Auch war er kein Mitglied des Parlamentarischen Rates. Dies änderte sich dann mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes. 1949 wurde er für die CDU vom Berliner Abgeordnetenhaus in den ersten Deutschen Bundestag entsandt. Dort fiel er als fleißiger Hinterbänkler auf, der sich jedoch nie aktiv in den Vordergrund drängte.

Vertrauter Konrad Adenauers und „Vater der Fraktion“

Andere führende Politiker der CDU wurden jedoch auf ihn aufmerksam. Im „Hohen Haus“ fand er dann den letzten Fixpunkt seiner politischen Karriere. Bundeskanzler Konrad Adenauer, auch er ein früherer Zentrumsfunktionär, lernte Krone aufgrund seiner Effizienz und des wenig ausgeprägten, persönlichen Ehrgeizes zu schätzen und förderte ihn bis zum Ende seiner Kanzlerschaft. Krone sollte für Adenauer zu einem wichtigen Berater und politischen Vertrauten werden.

Felix von Eckhardt (li.), Heinrich Krone und Bundeskanzer Konrad Adenaue auf dem 9. Bundesparteitag der CDU 1960; Foto: Peter Bouserath; CC-BY-SA 3.0 DE

1951 wurde Krone aufgrund seines Organisationstalents auf den neuen Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion berufen. In dieser Rolle unterstützte er den Fraktionsvorsitzenden Heinrich von Brentano bei dessen Alltagsgeschäft in der Fraktion. Brentano, der schon bald Ambitionen auf den Posten des Außenministers entwickelte, interessierte sich mehr für Diplomatie und Europa als für die Alltagsarbeit in der Fraktion und überließ seinem Geschäftsführer große Aufgabenbereiche. Dadurch in die Schaltstellen der Fraktion gerückt, machte sich Krone einen Namen als pragmatischer Netzwerker. Wie wenige war er in der Lage, die Vorstellungen der verschiedenen Interessengruppen in der Fraktion in Einklang zu bringen. Als Brentano 1955 schließlich in das ersehnte Auswärtige Amt wechselte, war für viele Parlamentarier und für das Kanzleramt die Nachfolge quasi schon geklärt. Krone setzte sich in einer Kampfabstimmung deutlich gegen den jungen, aufstrebenden und eloquenten Abgeordneten und späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger durch.

Krones Fähigkeit zum Kompromiss

Als Fraktionsvorsitzender veränderte Heinrich Krone sein Auftreten und Vorgehen aber kaum. Den Glanz der politischen Debatte im Bundestag überließ er wann immer möglich anderen und widmete sich der Fraktionsarbeit. Für den Kanzler organisierte er die Mehrheiten in der eigenen Fraktion. Und wahrte ein gutes Verhältnis zu seinen Amtskollegen bei den Koalitionspartnern. Seine Fähigkeit, Kompromisse durchzusetzen, wurde geradezu sprichwörtlich. Der Satz „Im Falle eines Falles leimt Krone wirklich alles“ wurde zum geflügelten Wort dieser Zeit und spiegelte sein Vermögen wieder, sowohl in der Fraktion, der Koalition wie auch im Zusammenspiel mit der Opposition als ein anerkannter Vermittler zu agieren.

Thematisch wurde die Frage der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu einer der wichtigsten für ihn und er setzte einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die deutsch-deutschen Fragen. Seine zentrale Rolle sorgte auch dafür, dass er immer wieder als Kandidat für höhere politische Weihen galt. Im Rahmen der Bundespräsidentenkrise 1959 gehörte er sogar zu den inoffiziellen Kandidaten sowohl für die Nachfolge Adenauers als Bundeskanzler wie auch für Nachfolge Theodor Heuss als Bundespräsident. Wieder einmal machte er aber deutlich, dass er an diesen Positionen kein Interesse hatte.

Bundesminister unter Adenauer und Erhard – das Ende einer langen Laufbahn

Heinrich Krones Zeit als Fraktionsvorsitzender endete für ihn mit der Bundestagswahl 1961. In den Koalitionsverhandlungen forderte die FDP den Posten eines Staatsministers im Auswärtigen Amt. Brentano empfand das jedoch als Kritik an seiner Arbeit und wollte keinen solchen Aufpasser in seinem Haus haben. Schließlich verzichtete er auf seinen Ministerposten und wurde wieder zum Chef der Bundestagsfraktion gewählt. Konrad Adenauer holte Krone stattdessen in sein Kabinett und machte ihn zum Bundesminister für besondere Aufgaben. Hier sollte er sich um die Themen kümmern, die die Stadt Berlin betrafen.

Diesen Posten übte er bis 1964 aus, als er von Bundeskanzler Erhard zum ersten und einzigen Bundesminister für die Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates berufen wurde. Hier war er vor allem für das Gremium des Bundesverteidigungsrates an sich zuständig. Zugleich koordinierte er alle deutschen Geheimdienste, die zuvor verschiedenen anderen Bundesministerien zugeordnet waren. Im Jahr 1966 wurde mit der Bildung der großen Koalition sein Ministerium wieder aufgelöst und Krone schied aus der Bundesregierung aus. Darauf entschied sich Krone 1969, nun schon 74 Jahre alt, gegen eine neuerliche Kandidatur und verließ das Parlament.

Für Krone begann damit nur ein weiterer, nach wie vor aktiver Lebensabschnitt. Er blieb weiterhin sehr rege und baute schon früh Netzwerke ehemaliger Unionsparlamentarier auf. Besonders machte er sich um die historischen Wissenschaften verdient. So ging die Gründung des Archivs für Christlich-Demokratische Politik, also das Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung und quasi das Parteiarchiv der CDU, mit auf seine Initiative zurück. Außerdem war er eine der entscheidenden Figuren bei der Gründung der Kommission für Zeitgeschichte. Diese setzt sich insbesondere mit der Geschichte des Katholizismus in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert auseinander.

Heinrich Krone starb schließlich im Alter von 94 Jahren im August 1989, nur wenige Monate vor dem Fall der Berliner Mauer.

Heinrich Krone – Katholik zwischen Weimar und Bonn

Heinrich Krone steht mit seiner Arbeit und mit seinem Leben in bemerkenswerter Weise für die Kontinuitätslinien der Demokratie in Deutschland. In der Weimarer Zeit setzte er sich für die Versöhnung Deutschlands und vor allem der Jugend mit der Weimarer Republik ein. Zu keinem Zeitpunkt stand für ihn in Frage, ob es Deutschland mit einer anderen Staatsform besser ergangen wäre. Seine Texte und die noch vorhandenen Reden lesen sich durchweg als starke Appelle, für diesen neuen Staat einzustehen und ihn gegen die politischen Ränder zu verteidigen. Darüber hinaus war auch schon zu Weimarer Zeiten der Kampf gegen den wachsenden Antisemitismus ein wichtiges Anliegen für ihn.

Innerhalb des demokratischen Parteienspektrums setzte er sich außerdem über lange Zeit hinweg für eine Zusammenarbeit mit den Parteien links und rechts der Zentrumspartei ein und förderte die Kompromissbereitschaft innerhalb des Zentrums. Manch einer mag ihm seine Stimme für das Ermächtigungsgesetz vorwerfen. Jedoch muss man hier miteinbeziehen, dass er innerparteilich gegen den Entwurf stimmte und stets ein vehementer Gegner des Nationalsozialismus war und blieb.

Diese verschiedenen Wesenszüge machten ihn auch so wichtig für die frühe Bonner Republik. Er wurde zu einem Stabilitätsfaktor in den frühen Regierungskoalitionen und verhalf diesem scheinbaren Himmelfahrtskommando Bundesrepublik mit zum Erfolg. Hier zahlte sich auch noch ein anderer Wesenszug von ihm aus: Helmut Schmidt sagte einmal in einem Interview, dass keiner der Politiker nach 1945 in die Politik gegangen wäre, um in erster Linie Karriere zu machen. Dies mag für Krone geradezu in doppelter Hinsicht wahr sein, da er um seine Stärken und Schwächen wusste und auf verschiedene Karrieresprünge verzichtete, auch dann, wenn sich diese für ihn eröffneten. Man mag sogar die Frage aufwerfen, ob er im eigentlichen Sinne überhaupt ein Politiker war.

Was wir heute von Heinrich Krone lernen können

Gerade seine Zurückhaltung macht ihn aber auch zu einem Musterbeispiel für das Wirken in einer Demokratie, in der jeder Bürger aufgefordert ist, im Rahmen seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten am Staat und an der Gesellschaft mitzuwirken, auch ohne Spitzenposten einzunehmen. Hier wird der Vorbildcharakter Heinrich Krones, gerade für unsere heutige Zeit, besonders deutlich. 

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Über uns 
Björn Höfer ist Mitglied von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. und promoviert in St Andrews und Potsdam im Bereich "Politischer Katholizismus zwischen Weimar und Bonn".

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