Als im November 1918 die Revolution in der deutschen Hauptstadt Berlin ankommt, ist die große Stunde von Karl Liebknecht gekommen. Der sozialistische Politiker steht auf dem Balkon des Berliner Stadtschlosses und blickt in die Gesichter von Tausenden begeistert jubelnden Menschen, die nur darauf warten, dass er zu ihnen spricht. Seine politische Karriere, ja vielleicht sogar sein gesamtes Leben, liefen auf diesen Moment und die darauffolgenden Wochen hinaus.
Den Sozialismus in die Wiege gelegt
Karl Liebknecht wird am 13. August 1871 in Leipzig geboren. Seit Vater, Wilhelm Liebknecht, ist eine herausragende Persönlichkeit der deutschen Arbeiterbewegung, Taufpaten des kleinen Karl sind keine Geringeren als Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895). Sein künftiger politischer Werdegang scheint schon da vorherbestimmt zu sein.
Der zweitälteste Sohn Karl folgt den Forderungen seines Vaters und studiert Jura, um später der sozialdemokratischen Partei als Rechtsanwalt nützlich zu sein. Sein Studium, während dem er sich auch intensiv mit sozialistischen Ideen auseinandersetzt, beginnt 1890 an der Leipziger Universität.
Weil Vater Wilhelm die Stelle als Chefredakteur des Vorwärts bekommt, zieht die Familie bald darauf nach Berlin. Dort lernt Liebknecht Julia Paradies kennen, die Tochter einer befreundeten Bankiersfamilie. Die beiden heiraten im Mai 1900 und werden zusammen zwei Söhne und eine Tochter bekommen. Die Pläne seines Vaters erfüllend, gründet Liebknecht nach Abschluss seiner Promotion zusammen mit seinem Bruder eine Kanzlei. Er arbeitet vor allem als politischer Anwalt, verteidigt zahlreiche Sozialdemokraten.
Wie der Vater, so der Sohn
Als Vater Wilhelm im August 1900 stirbt, kommen zu seinem Trauerzug durch Berlin mehr als 150.000 Menschen. Nun ist es an Liebknecht, das politische Erbe des Vaters anzunehmen. Er tritt, beeindruckt von den Menschenmassen, die am Trauerzug teilnahmen, wenige Tage nach der Beerdigung in die SPD ein. Bereits im November des folgenden Jahres wird er in die Berliner Stadtverordnetenversammlung gewählt, zwischen 1907 und 1910 ist er zudem Präsident der Sozialistischen Jugendinternationale.
In allem Militärischen sieht Liebknecht die wichtigste Stütze des kaiserlichen und kapitalistischen Deutschlands und damit das größte Hindernis auf dem Weg zur Herrschaft des Proletariats. Den Behörden wird er zunehmend ein Ärgernis. Wegen seiner Kampfschrift Militarismus und Antimilitarismus sieht er sich dann im Oktober 1907 wegen Hochverrats angeklagt.
Doch Liebknecht nutzt den Prozess als politische Bühne, kritisiert weiter die Rolle des Militärs in Deutschland – und sogar den Kaiser selbst. Am Ende wird er zwar zu einem Jahr und sechs Monaten Festungshaft verurteilt, doch die Berichterstattung zum Prozess macht ihn in ganz Deutschland bekannt. Bei vielen aus dem Arbeitermilieu wird er extrem beliebt.
Die politische Karriere steht über allem
Auch deshalb wird er im Juni 1908 ins Preußische Abgeordnetenhaus gewählt, wo er nach dem Ende seiner Haft ein Jahr später mit voller Überzeugung seine politische Arbeit fortsetzt. Es bleibt wenig Zeit fürs Private. Von seiner Familie, speziell von seinen Kindern, entfernt er sich zunehmend. 1911 stirbt seine Frau Julia und lässt die Kinder ohne wirkliche Bezugsperson zurück. Der Vater ist so gut wie nie da.
Im folgenden Jahr werden Liebknechts beruflichen Mühen belohnt und er zieht für die SPD auch noch in den Reichstag ein. Er steht am äußersten linken Rand der sozialdemokratischen Partei, der radikale Antimilitarismus ist der Fixpunkt seiner politischen Überzeugungen. Noch 1912 heiratet er die russisch-jüdische Kunsthistorikerin Sophie Ryss (1884-1964), seine langjährige Geliebte. Die Verbindung soll auch garantieren, dass seine drei Kinder nicht ohne Mutter aufwachsen müssen.
Der Kornwalzer-Skandal
Die intensive Rüstungspolitik des Deutschen Reichs und alles, was damit einhergeht, ist Liebknecht ein Dorn im Auge. Als er im November 1912 entsprechende Unterlagen zugespielt bekommt, deckt er den bis dahin größten Korruptionsskandal der deutschen Geschichte auf. Seit mehreren Jahren geben Beamte im Kriegsministerium gegen Bezahlungen geheime Informationen an Mitarbeiter der Friedrich Krupp AG weiter. Der Rüstungskonzern will sich dadurch einen Vorteil gegenüber anderen Firmen verschaffen.
Der Kriegsminister muss in der Folge von seinem Amt zurücktreten, Liebknecht erlangt europaweite Bekanntheit. Für ihn ist der Skandal ein eindeutiger Beweis dafür, dass Deutschlands Feinde nicht im Ausland, sondern in der heimischen Großindustrie zu finden sind. Die Rüstungsfirmen verkörpern für ihn alles Hassenswerte am kapitalistischen System.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 stellt Liebknechts Loyalität zu seiner Partei, für die er ja in mehreren Parlamenten sitzt, auf eine existenzielle Probe. Wie er mit dieser Herausforderung umgeht und welche Umstände ihn schließlich auf dem Balkon des Berliner Schlosses bringen, lest ihr im zweiten Teil dieses Blog-Beitrags in der kommenden Woche.
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