Seit seiner Geburt scheint Karl Liebknecht ein Politikerleben vorherbestimmt zu sein. Für seine Überzeugungen saß er bereits im Gefängnis, wurde in mehrere Parlamente gewählt und hat sein Privatleben stets der großen Sache untergeordnet. Lesen Sie mehr zu Liebknechts Leben bis zum Ersten Weltkrieg im ersten Teil dieses Blog-Beitrags vom vergangenen Freitag.
Antimilitarismus in Zeiten des Weltkriegs
Im Sommer 1914 ist Liebknecht einer von wenigen, die sich nicht von Jubel und Kriegsbegeisterung mitreißen lassen. Dass seine Partei das Massensterben in Form der Zustimmung zur Kriegsfinanzierung unterstützt, kommt für ihn dem schlimmsten Verrat gleich. So votiert er bei der zweiten Kriegskredite-Abstimmung im Reichstag im Dezember 1914 als einziger Abgeordneter dagegen. Obwohl erste Forderungen laut werden, ihn aus der SPD auszuschließen, bleibt Liebknecht zunächst in der Partei. Er bildet nun mehr denn je den Gegenpol zur gemäßigten sozialdemokratischen Mehrheit.
In der Folge schart er Gleichgesinnte um sich, möchte Protestveranstaltungen organisieren. Doch selbst unter seinen wenigen verbliebenden Verbündeten findet er kaum jemanden, der sich an öffentlichen Kundgebungen gegen den Krieg beteiligen möchte. Eine von ihnen aber ist Rosa Luxemburg. Gemeinsam kämpfen die beiden nun gegen den Weltkrieg, organisieren sich in der Spartakusgruppe.
Von der eigenen Partei verstoßen
Doch schon bald kommt Luxemburg ins Gefängnis, Liebknecht wird zum Militärdienst eingezogen. Er kommt an die Ostfront und darf nun, abgesehen von seinen Tätigkeiten als Volksvertreter in Abgeordnetenhaus und Reichstag, eigentlich nicht mehr politisch aktiv sein. Auch aufgrund seiner Aktivitäten in der Spartakusgruppe, in der er sich immer wieder vehement gegen die Mehrheitsmeinung in der SPD-Reichstagsfraktion ausspricht, wird er schließlich aus dieser ausgeschlossen.
Am 1. Mai 1916 – als Reichstagsabgeordneter bekommt er für Sitzungen Fronturlaub – organisieren die Spartakisten um Liebknecht und Luxemburg verbotenerweise eine Protestkundgebung auf dem Potsdamer Platz. Liebknecht wird verhaftet und von einem Kriegsgericht zu vier Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt. Doch in den Schützengräben, wo der Glaube daran, den Krieg schnell und siegreich zu beenden, schon lange erloschen ist, wächst seine Popularität dadurch nur noch mehr.
Pünktlich zur Revolution zurück in Berlin
Im Oktober 1918 wird Liebknecht aufgrund einer allgemeinen Amnestie aus der Haft entlassen und wird, als er in Berlin ankommt, von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt. In der russischen Botschaft wird ihm zu Ehren ein Empfang gegeben, Glückwünsche von Lenin persönlich werden verlesen.
Am 8. November, knapp einen Monat später, bricht sich von Kiel aus die Revolution Bahn durchs ganze Land. Auch in Berlin strömen am 9. November die Massen ins Zentrum der Hauptstadt. Hier nun steht Karl Liebknecht auf dem Balkon des Berliner Schlosses und verkündet in einer flammenden Rede die „freie sozialistische Republik Deutschland“. Doch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann (1865-1939) ist ihm nur wenige Stunden zuvor gekommen. Vom Reichstag aus hat er bereits die „deutsche Republik“ ausgerufen.
Trotzdem erhält Liebknecht von Friedrich Ebert (1871-1925), seinem ehemaligen Parteikollegen, das Angebot, mit ihm zusammen eine neue Regierung zu bilden. Doch er lehnt ab. Ebert gilt für ihn als Verräter am Sozialismus, mit ihm möchte er nichts zu tun haben.
Neue Partei, neues Glück?
Zu diesem entscheidenden Moment der deutschen Geschichte die Zusammenarbeit mit Ebert abzulehnen, ist vielleicht Liebknechts größter politischer Fehler. Denn schon bald bröckelt die Unterstützung der Massen, die Liebknechts wichtigster Trumpf ist. Denn viele haben genug von Kampf und Gewalt, Revolution hin oder her. Liebknecht und seine Verbündeten drohen ins Abseits zu geraten.
Mit Luxemburg und anderen radikalen Linken gründet er am Jahreswechsel 1918/1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und wendet sich damit endgültig von seiner alten Partei ab, erklärt ihr sogar offen den Kampf an. Als Ebert den linken Polizeipräsidenten von Berlin am 5. Januar 1919 entlässt, organisiert die frisch gegründete Partei Massenproteste gegen die Regierung, Liebknecht fordert lautstark ihren Sturz.
Es brechen Unruhen aus. Das Polizeipräsidium und die Redaktion des Vorwärts werden von bewaffneten Demonstrierenden besetzt. Schnell entgleitet der KPD-Führung die Kontrolle, denn Liebknecht und seine revolutionären Kolleg*innen verrennen sich in kleinteiligen Debatten, statt die Proteste gezielt anzuführen.
Entführt, misshandelt, ermordet
Schließlich fällt der „Januaraufstand“ in sich zusammen, Regierungstruppen brechen den letzten Widerstand eines harten Kerns von kommunistischen Revolutionären. Liebknecht gilt nun als hauptverantwortlich für den Aufstand – und für die dabei ums Leben Gekommenen. Nicht nur das Militär macht ihn zum Sündenbock.
Am 15. Januar 1919 werden Liebknecht und Luxemburg, die sich in Berlin-Wilmersdorf verstecken, von Soldaten der Garde-Kavallerie-Schützen-Division unter dem Kommando eines ehemaligen kaiserlichen Offiziers festgenommen und brutal misshandelt. Bei der scheinbaren Überführung ins Gefängnis in der Nacht zum 16. Januar wird Liebknecht schließlich im Tiergarten ermordet.
Karl Liebknecht hat viel für seine politischen Überzeugungen geopfert, am Ende sogar sein eigenes Leben. Schnell werden er und Rosa Luxemburg, die ebenfalls in der Nacht nach ihrer Entführung ermordet wird, zu Ikonen des Sozialismus. So dauert Liebknechts Kampf gegen Militarismus und Krieg bis heute an.
1 Kommentar
Peter Blechschmidt
4. Januar 2023 - 21:45Dem eigenen Gewissen zu folgen, so wie Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg es beispielgebend getan haben, ist heute ungleich schwerer. Das der Mehrheit erst Klarheit vorangehen muss, so wie bei „Spartakus“zum Grundsatz gemacht, forderte eine Konsequenz – nicht mit Ebert zusammen zu gehen und auch organisatorisch so vorzugehen. Tragisch, wie es ausging. Liebknecht und Luxemburg traf der volle Hass. Die Akl steckte eine Niederlage ein und hatte sich dem Verrat durch den Parteiklüngel in der SPD zu erwehren. An der richtigen Stelle die richtige Entscheidung zu treffen – kann das Demokratie wirklich?