Demokratiegeschichten

Rede zum „Tag der deutschen Einheit“

„Am 3. Oktober wurde in Deutschland bereits früher Geschichte geschrieben. Demokratiegeschichte.“

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble weitete den historischen Bezugsrahmen in seiner Rede zum „Tag der deutschen Einheit“ aus. Ausdrücklich bezieht er sich auf die Ereignisse vor 100 Jahren, als unter Max von Baden eine Regierung gebildet wurde, die nicht allein dem Kaiser verantwortlich, sondern auf das Vertrauen der Reichstagsmehrheit angewiesen war, auf die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 sowie die Etablierung von Demokratien in europäischen Staaten in diesem Jahr.

Friedliche Revolution und Wiedervereinigung als „zweite Chance“

Schäuble greift ein Zitat des in Breslau geboren Historikers Fritz Stern auf, der die Jahre 1989/90 als „zweite Chance“ bezeichnete. Im folgenden erklärt Schäuble, dass wir dieser Chance und somit der Wahrung freiheitlicher Demokratie verpflichtet seien. Sie prägt unser demokratisches Miteinander:

„Freiheitliche Demokratie: Das bedeutet für jeden von uns Freiheit zur Mitbestimmung – und bei den unveräußerlichen Grundrechten Freiheit von Fremdbestimmung!
Sie gründet auf Gewaltverzicht, auf Meinungsvielfalt, Toleranz, gegenseitigem Respekt.
Die Mehrheit regiert. Aber der Mehrheitswille ist begrenzt durch die Prinzipien von Gewaltenteilung und Minderheitenschutz.
Das ist der Kern dessen, was uns in der westlichen Staatengemeinschaft verbindet.“

Krise und Selbstvertrauen

„Die offene Gesellschaft bewährt sich in ihrer Fähigkeit, Fehler zu erkennen, sie zuzugeben – und zu korrigieren. Um damit auf Veränderungen zu reagieren. Das haben wir vielfach bewiesen.
Wir haben deshalb Grund zum Selbstvertrauen. Und wir können diese Welt wirkungsvoll mit gestalten, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit bewahren – wenn wir es gemeinsam mit anderen tun.“

Schäuble bleibt konsequent bei seinem Ansatz, dass der historische Rückblick auch Kraft geben kann, gerade in Abgrenzung zum Dritten Reich. Er benennt Probleme der Gegenwart deutlich, und plädiert trotz allem für Zuversicht:

„Die Fähigkeit, an das Gelingen zu glauben. Den Mut, sich den Zukunftsaufgaben zu stellen. Und den Respekt vor denen, die anpacken.“

Eine inspirierende Rede für diejenigen, die daran interessiert sind, die heutige Situation in Deutschland auch im Vergleich mit der jüngeren Vergangenheit zu betrachten. Diesen kann der Bezug zur Demokratiegeschichte etwas Zuversicht geben. Auf diese Gedanken muss man sich aber einlassen. Wer seinen Fokus allein auf Krisensymptome der Gegenwart richtet, wird die Rede dagegen nicht als wegweisend sehen.

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