Demokratiegeschichten

1. Februar 1990: Gelebte Wirklichkeit wird Gesetz

Heute vor 30 Jahren trat das „Gesetz über Reisen von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik in das Ausland“ offiziell in Kraft. Ab diesem Tag konnten alle Bürger*innen der DDR, die im Besitz eines Reisepasses waren, jederzeit das Gebiet der DDR verlassen. Das Kuriose daran: Sie taten es längst.

Denn seit der Öffnung der Berliner Mauer am 9. November besuchten unzählige DDR-Bürger*innen Westberlin und Westdeutschland. Nach geltenden Regelungen wäre dafür eigentlich immer noch ein Visum nötig gewesen, aber niemand kümmerte sich darum. Die Schlagbäume standen offen.

Nicht nur in Berlin konnte man ungehindert von Ost nach West reisen, sondern entlang der gesamten innerdeutschen Grenze entstanden neue Grenzübergänge. Im Februar 1990 waren es dann 192. Immer weiter wurden die Grenzanlagen zurückgebaut, teils durch DDR- Grenztruppen, teils durch beherzte Bürger*innen beiderseits der Grenze. Der Ansturm Richtung Westen ebbte kaum ab, in den im Westen gelegenen Städten in Grenznähe herrschte fröhlicher Ausnahmezustand.

Menschenrecht eingelöst

Die Reisefreiheit war eine der wichtigsten Forderungen der Friedlichen Revolution. Nicht umsonst wählte die „Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „Reisefreiheit“ zum Wort des Jahres 1989.

Am 1. Februar 1990 wurde die gelebte Wirklichkeit der Reisefreiheit Gesetz, beschlossen von der neunten Volkskammer der DDR am 11. Januar 1990. Damit wurde ein Menschenrecht eingelöst, an das sich rein theoretisch die DDR schon 1973 hätte halten müssen. Damals anerkannte die DDR nämlich die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“. Artikel 13, Absatz zwei lautet

„Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren“.

Reisefreiheit heute

Wie sieht es heute mit dem Artikel 13, Absatz zwei, aus?

Die DDR-Grenze ist Geschichte, mit einem deutschen Reisepass kommt man fast in jeden Winkel der Welt und auch wieder zurück. In vielen Ländern der Welt kann man aber nicht einfach mit dem Pass in der Hand winken und ausreisen. Menschen nehmen lebensgefährliche Wege auf sich, schleichen sich auf schmalen Pfaden über Grenzen, vertrauen sich Schlepperbanden an, nicht wenige bezahlen ihre Flucht mit dem Tod. Und diejenigen, die es geschafft haben, vor Krieg, Verfolgung und sozialem Elend zu fliehen, wissen oft nicht, ob sie jemals wieder in ihr Heimatland zurückkehren können.

Die im Artikel 13 formulierten Rechte sind heute global gesehen nicht gelebte Wirklichkeit, sondern uneingelöste Versprechen.

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Über uns 
Dennis R. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

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