„Heute vormittag fand in Kassel ‚U.T.-Kino‘ eine Sondervorstellung des Fridericus-Rex-Films für die Kasseler Reichswehr statt. Teile der Regimenter 15 und 16 erschienen in geschlossenem Zuge unter Führung ihrer Offiziere. Außerdem erschienen zahlreiche hohe Offiziere mit Frauen und Töchtern. Mit Rücksicht auf die ganze Tendenz des Films hat diese Demonstration der Kasseler Reichswehr großes Befremden unter der Kasseler Bevölkerung hervorgerufen und das umso mehr, als noch nicht ein Fall bekannt geworden ist, daß die Kasseler Reichswehr es für notwendig gefunden hätte, an der Vorführung von Bildungsfilms geschlossen teilzunehmen.“
„Fridericus Rex“ – der erste Preußenfilm …
Das berichtet der „Lübecker Volksbote“ am 24. März 1922. Zu diesem Zeitpunkt läuft „Fridericus Rex“, der von der Jugend des preußischen Königs Friedrich II. bis zur Thronbesteigung erzählt, bereits seit Ende Januar 1922 in den deutschen Kinos. Den Inhalt skizziert die liberale „Vossische Zeitung“ am 31. Januar 1922:
„[Regisseur und Drehbuchautor] rollen die Geschichte des jungen Königs ab, die ja an bewegenden Episoden reich genug ist, so ziemlich wie man sie in volkstümlichen Geschichtsbüchern zu lesen gewöhnt ist. Dabei ergeben sich eine Reihe sehr hübsche Landschafts- und Figurenbilder, die mit großem Geschick gestellt und photographiert sind.“
Die Filmkritik der „Freiheit“, der Zeitung der unabhängigen Sozialdemokratie, kritisiert, der Film beschränke sich darauf,
„[…] geschichtliche Treue nur auf Kostüme und Paläste anzuwenden, mit der Fälschung der Geschichte aber überall da zu operieren, wo dem monarchistischen Gedanken die Wahrheit nicht förderlich wäre.
Daß der größte Teil des Volkes noch nicht imstande ist, aus aufgehäuftem Flittertand des Königtums den Pesthauch herauszuspüren, ist traurig, aber wahr!“
… und sein Publikum
Dramatischer schildert das liberale „Berliner Tageblatt“ am 18. März 1922, wie sich der Film als Vehikel für Nationalisten eigne:
„Da sitzen allabendlich versammelt die reaktionären Kreise Berlins, die ‚Spitzen‘ der Potsdamer Gesellschaft, und unter ihnen ehemalige Hohenzollernprinzen, um nationale Demonstrationen zu veranstalten. Man singt während der Vorstellung des Films ‚Deutschland, Deutschland über alles‘ und ‚Heil dir im Siegerkranz‘ und läßt das Haus Hohenzollern hoch leben. Anders Gesinnte, die anläßlich dieser Demonstrationen nicht Hurra schreien oder sich nicht von den Plätzen erheben oder gar das Theater verlassen, setzen sich der Gefahr aus, verprügelt zu werden.“
Proteste in den Arbeitervierteln …
Es gibt allerdings auch andere Reaktionen auf den Fridericus Rex-Film. In den Arbeitervierteln kommt es zu Protesten gegen die Aufführung, wie die „Freiheit“ am 22. April 1922 berichtet.
„So werden wir in Kenntnis gesetzt von republikanischen Kundgebungen, die eine nach Tausenden zählende Menge in den letzten Tagen vor einem Lichtspieltheater am Kottbusser Damm veranstaltete, in dem der Fridericus-Film gespielt wurde.“
… werden unterdrückt
Anders aber als die nationalistischen Feiern im Berliner Westen werden die republikanischen Proteste unterdrückt:
„Doch unser Berliner Polizeivater ist auf dem Posten. Ein auf Lastkraftwagen anrückendes Kommando der Schutzpolizei jagte die Menge auseinander und schließlich spielte man den Film unter dem Schutze von fünfundzwanzig zurückgelassenen Beamten weiter. Die Dinge stehen auf dem Kopf. […]
Kann ein sozialdemokratischer Polizeipräsident nicht einsehen, daß der Republik keine Gefahr droht von Staatsbürgern, die für diese demonstrieren? Ist er so blind, um nicht zu merken, daß im Gegenteil dieser Film eine einzige, wütende Demonstration gegen die Republik und ihren Bestand ist? Wenn jemals die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet erschien, so durch den von allen Reaktionären bejubelten ‚Fridericus Rex‘.“
Weitere Preußenfilme folgen in den nächsten Jahren, „Fridericus Rex“ begründet ein neues Filmgenre. Häufig begleiten nationalistische Kundgebungen im Kinosaal diese kommerziell sehr erfolgreichen Filme. Gegen Protestkundgebungen geht die Polizei vor.
Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe „100 Jahre politischer Mord in Deutschland“ .
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