Demokratiegeschichten

Auf dem „Wanderweg der Unabhängigkeit“ durch Tel Aviv

Tel Aviv ist heute in erster Linie bekannt für seine Strände, Bars und Clubs. Wer geschichtsinteressiert ist, besucht eher Jerusalem oder andere Orte. Dabei liegen in Tel Aviv etliche Orte, die eine zentrale Rolle bei der Gründung Israels und für die Demokratiegeschichte des Landes spielen. Zum 70. Geburtstag des Staates Israel im Mai 2018 hat die Stadt den sogenannten Independence-Trail (Wanderweg der Unabhängigkeit) errichtet.

Der „Wanderweg der Unabhängigkeit“ führt den Interessierten an zehn Stationen vorbei. Von der Gründung der Stadt Tel Aviv im Jahr 1909 bis zu David Ben-Gurions Ausrufung der Unabhängigkeit des israelischen Staates im Jahr 1948. Diese praktische Geschichtsstunde erledige ich gemütlich mit einem Eis in der Hand. Am Independence Trail Information Center am Rotschild Boulevard wird mir ein Tablet für die Führung angeboten. Ich nehme mir lieber eine der praktischen Karten, die es auch in Deutsch gibt.

Die kostenlose Wanderkarte in Deutsch.

Israels junge Demokratiegeschichte erwandern

Ich beginne die Wanderung am Rothschild Boulevard 10. Dort steht die Nachbildung des ersten Kiosks, der im neugegründeten Tel Aviv 1909 errichtet wurde. 66 jüdische Familien riefen 1909 auf Sanddünen die Stadt ins Leben. Der zweite Stopp der Wanderung ist der Gutmann-Brunnen. Der Brunnen, den der Künstler Naum Gutmann in den 1980er Jahren schuf, zeigt in farbigen Mosaiken die Jahrtausende alte Geschichte der Region um Tel Aviv und Jaffa bis hin zur Unabhängigkeitserklärung Israels.

Einrichtungen, die den gesellschaftlichen Grundstein für Tel Aviv legten

Jeder der zehn Stops auf der Wanderung hat eine eigene Informationstafel.

Station drei ist eines der letzten intakt gebliebenen Häuser des Jahres 1909. Es ist die Unterkunft von Akiva Arieh Weiss. Er war der erste Vorsitzende des Nachbarschaftsrates von Tel Aviv. Der Wanderweg zeigt den Besuchern als Stationen diverse Einrichtungen, die in den Anfängen den gesellschaftlichen Grundstein für Tel Aviv legten: das Herzlia-Gymnasium, das die erste hebräischsprachige Oberschule des Landes war. Das 1926 errichtete Palatin Hotel, wo die erste Demonstration gegen das britische Mandat in Palästina stattfand. Die Israel-Bank, wo das Amt der britischen Einkommenssteuer saß. Auf das Gebäude verübte 1944 die jüdische Untergrundbewegung Irgun einen Anschlag.

Die 1925 errichtete Große Synagoge unterstreicht in der Wanderung die jüdische Identität der Stadt. Sie vereint religiöse mit säkular lebenden Juden. Denn neben dem Gebet diente die Synagoge auch als Schutzraum für Opfer von Angriffen auf Juden. Ich genieße die Ruhe in der Synagoge, bevor ich meine Wanderung durch die wuselige Stadt fortsetze.

Große Synagoge, Tel Aviv

Kostenpflichtige Museen

Auf meinem Weg liegen noch zwei kostenpflichtige Museen: Das Hagana-Museum erzählt von der gleichnamigen paramilitärischen Untergrundorganisation. Aus ihr sind später die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte hervorgegangen. Das Museum befindet sich im historischen Zuhause von Elijahu Golomb, der die Hagana gründete. Das andere Museum ist die Independence Hall, die letzte Station des Rundgangs. Der erste Bürgermeister Tel Avivs, Meir Dizengoff, verwandelte sein Zuhause 1930 in ein Kunstmuseum der Stadt. Am 14. Mai 1948 rief David Ben-Gurion hier die Unabhängigkeit des israelischen Staates aus. Die Räumlichkeiten waren so eng, dass das Festaktorchester im Stockwerk über dem Museumssaal untergebracht war. Jedoch ist das Museum im Augenblick wegen Renovierung geschlossen.

Die Independence Hall am Rothschild Boulevard 16 (derzeit geschlossen) mit einer Statue von Meir Dizengoff

Meine Erkenntnis

Nach einer gemütlichen Stunde stehe ich wieder am Rothschild Boulevard. Meine Erkenntnis der Wanderung: In welch kurzer Zeit die jüdische Einwanderergeneration des frühen 20. Jahrhunderts diesen Staat möglich gemacht hat.

Übrigens: Besucher können Tablets ausleihen oder eine kostenlose App herunterladen. Über sie lassen sich Animationen und historische Fotos aufrufen. Da heute anstelle der einstigen Sanddünen Hochhäuser stehen, bieten die Fotos einen lohnenden Rückblick.

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