Demokratiegeschichten

Demokratiegeschichten 2019 – ein Jahresrückblick

Im Januar 2019 haben wir einen Blick in die Zukunft gewagt. Jetzt am Jahresende schauen wir zurück auf zwölf Monate Demokratiegeschichten:

Januar

Das Jahr beginnt und wir bloggen weiter: wagen einen Vorausblick, erinnern daran, dass vor 100 Jahren Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden und Frauen zum ersten Mal wählen durften. Einer unserer Autoren berichtet von einer „Fridays for Future“-Demonstation in Berlin. Er vermutet, dass wir gerade einen „demokratiehistorischen Wendepunkt“ erleben, nämlich „den Einbruch des Generationenproblems in die gegenwartsfixierte Politik“. Nach diesem Jahr mit Klimagipfel, Greta und noch mehr „Fridays for Future“ kann man sagen: Er hatte recht.

Februar

Wir schauen nach Weimar und wieder 100 Jahre zurück, als am 6. Februar 1919 die verfassungsgebende Nationalversammlung im Deutschen Nationaltheater zusammentrat und Marie Juchacz dort am 19. Februar 1919 als erste Frau eine Rede hielt. Am 6. Februar 2019 hält zwar keine Frau die Rede beim Festakt „100 Jahre Weimarer Reichsverfassung“, aber dafür Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er sagt viel über Demokratiegeschichte und viel über heute. Z. B. den Satz:
„So wenig der Demokratie vor hundert Jahren ihr Scheitern vorherbestimmt war, so wenig ist heute ihr Gelingen garantiert.“

März

Im März meldet sich Steinmeier gleich noch einmal zur Demokratiegeschichte zu Wort. Dieses Mal lädt er in der Wochenzeitung „Die Zeit“ geradezu leidenschaftlich zur demokratiegeschichtlichen Spurensuche ein: „
„Wer sich mit unserem langen und verschlungenen Weg zur Demokratie, mit ihren vergessenen Heldinnen und Helden ebenso wie mit den Irr- und Abwegen beschäftigt, der wird sehen: Die Demokratie ist uns Deutschen wahrlich nicht in die Wiege gelegt. Wir müssen, immer aufs Neue, für sie arbeiten, für sie streiten. Deshalb verdient unsere Demokratiegeschichte mehr als freundliches Desinteresse. Sie braucht Neugier, Herzblut und, ja, auch finanzielle Mittel.“

April

Ausstellungen wurden in diesem Jahr viele eröffnet, aber wir wissen nur von einer einzigen Eröffnung eines „Schaudepots“. Sie fand am 25. April in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand statt, denn dort befindet sich nun in der ersten Etage das „Schaudepot Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“. Nun ist zu hoffen, dass die Geschichte dieser „Schutztruppe für die Demokratie“ etwas bekannter wird. Denn bisher wissen nur wenige, dass diese demokratische Masenorganisation 1926 dreieinhalb Millionen Mitglieder hatte, die bereit waren, die junge Republik gegen Feinde von rechts und links notfalls mit Gewalt zu verteidigen. Und dass es diese Organisation heute noch gibt, allerdings nicht als Kampftruppe, sondern als Träger historisch-politischer Bildung.

Mai

Wir beginnen auf dem Blog mit unserer ersten Themenreihe zu „70 Jahre Grundgesetz“ und beteiligen uns gleichzeitig an der Blogparade „Was bedeutet mir die Demokratie?“ des DHM. Außerdem gehen 20 unserer Regionalen Arbeitsgruppen für Demokratie auf die Straße, mit Postkarten, die zur Europawahl auffordern. Von der Aktion der Regionalen Arbeitsgruppe Frankfurt gibt es sogar ein Video.

Juni

Wir trauern um Walter Lübcke, den Regierungspräsidenten von Kassel, der Mitglied des Vereins „Rückblende – Gegen das Vergessen“ war und Weggefährte unseres langjährigen Regionalgruppensprechers Ernst Klein. Aber nicht nur Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. ist erschüttert, sondern die ganze Republik. Es ist das erste Mal seit 1945, dass ein deutscher Politiker von einem hasserfüllten Rechtsextremisten erschossen wird. Im August wird Ernst Klein während einer Gedenkstunde für Walter Lübcke einen Ginkgo-Baum in Kassel pflanzen „als nachhaltiges Zeichen unserer Achtung und Verbundenheit gegenüber ihm und seiner Familie“.

Juli

Wir feiern unseren 100. Blogbeitrag und freuen uns darüber , dass in Weimar das Haus der Weimarer Republik eröffnet wird. Im September besuchen wir zur Jahrestagung der „AG Orte der Demokratiegeschichte“ die neue Dauerausstellung in diesem Haus.

August

Der Herbst ist gefühlt noch weit weg, aber wir starten am 19. August schon unsere Blog-Reihe zur Friedlichen Revolution mit einem Beitrag über das Paneuropäische Picknick , das im August 1989 an der ungarisch-österreichischen Grenze abgehalten wurde und ein Zeichen dafür war, dass der „Eiserne Vorhang“ immer durchlässiger wurde.

September

Während in ganz Europa an den deutschen Überfall auf Polen und an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren gedacht wird, wird in Brandenburg und Sachsen gewählt. Zweitstärkste Kraft in beiden Ländern wird dabei die AFD, die besonders im Brandenburger Wahlkampf mit Parolen wie „Wir sind das Volk“, „Vollende die Wende“ und „Wende_2.0“ aus der Friedlichen Revolution politisches Kapital schlagen möchte. Dagegen wenden sich u. a. ehemalige Aktivist*innen der Bürgerproteste von 1989 in einer offenen Erklärung. Sie stellen klar: „Die DDR war eine kommunistische Diktatur, und die Bundesrepublik ist eine freiheitliche Demokratie. Wer diese Unterschiede nicht anerkennt, verharmlost die SED-Diktatur. Deutschland braucht keine Revolution 2.0, wir werden nicht unterdrückt, wie es die Staatssicherheit im Auftrag der SED praktizierte.“

Oktober

Am 9. Oktober erinnern wir an Leipzig im Oktober 1989: 70.000 Demonstranten überwanden vor 30 Jahren ihre Angst und stellten sich mit Kerzen den bewaffneten Sicherheitskräften entgegen. Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. geht an diesem Tag mit der Postkartenaktion „Zeit für Demokratie“ auf die Straße. Während wir deutlich machen, dass der 9. Oktober der Demokratie gehört, erschießt ein Attentäter in Halle zwei Menschen, nachdem sein eigentlicher Plan, in der Synagoge ein Massaker anzurichten, scheitert. Die Worte unseres Vorsitzenden dazu sind auch noch im Rückblick leider wahr: „Mit Halle hat der Antisemitismus, dessen Anwachsen wir seit einiger Zeit mit Sorge betrachten, eine neue Stufe erreicht.“

November

Wir feiern 30 Jahre Friedliche Revolution und treffen uns zur Mitgliederversammlung von Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. in Karlsruhe. Dort zeichnen wir mit unserem Preis „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ eine Person aus, die sicherlich Demokratiegeschichte geschrieben hat: Hans Otto Bräutigam, ehemaliger Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR und von 1990 bis 1999 Justizminister in Brandenburg. Prof. D. Bernd Faulenbach ehrt ihn am 23. November mit den Worten: „Im gesamten Wirken Hans Otto Bräutigams zeigt sich das grundlegende demokratische Prinzip, dass Verständigung auf Haltung, Kompromissbereitschaft und Dialog beruht.“

Dezember

Am Jahresende gelingt es uns noch, zwei weitere Veröffentlichungen herauszugeben. Einmal gemeinsam mit mehreren Organisationen eine Broschüre zur „Peer Education in der Demokratiebildung„. Zum anderen gemeinsam mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand die Publikation „Vereinnahmung von Demokratiegeschichte durch Rechtspopulismus“.
Wir haben also viel geschafft in diesem Jahr 2019, das voller Herausforderungen war. Jetzt tanken wir Kraft und schreiben im nächsten Jahr noch mehr Demokratiegeschichten

Allen Leser*innen wünschen wir einen guten Start 2020!



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Über uns 
Dennis R. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

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