Demokratiegeschichten

Deutsche Geschichte bei Kaffee und Kuchen – Die Rhöndorfer Konferenz (II)

An den Ausläufern des Siebengebirges fand am 21. August 1949 ein inoffizielles Treffen vieler führender CDU-Politiker im Privathaus Konrad Adenauers statt. Dieser hatte die Versammlung mit seinen politischen Verbündeten geplant, um schon frühzeitig entscheidenden Einfluss auf die versammelten Politiker und Parteifunktionäre auszuüben. Adenauer hatte bereits ausgeführt, warum er gegen eine Koalition mit der SPD war. Nun stand die Frage offen, wer denn stattdessen diese Rolle übernehmen sollte.

Akt II Der Auftritt der Liberalen

Statt einer großen Koalition suchte Adenauer nach einer Mehrheit im bürgerlichen Lager. Dabei wusste er vor allem die liberalen und konservativen Kräfte in den Unionsparteien hinter sich. Mit der Zusammenarbeit mit der FDP war nämlich auch ein Bekenntnis zu der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards verbunden. Adenauer versuchte seine Präferenz für die FDP und die konservative protestantische DP auch noch anders zu begründen. Für ihn war es wichtig, dass einer Regierung immer auch eine starke demokratische Opposition gegenüberstand. Auf diesem Wege könnte man verhindern, dass die politischen Ränder größeren Zulauf erhielten. Da dieses Argument durchaus häufiger bei Adenauer auftaucht, kann man zumindest davon ausgehen, dass es etwas mehr als ein Pseudoargument war.

Starker Bund oder starke Länder?

Gleichzeitig spielte ihm bei der Wahl des Koalitionspartners auch die Frage nach dem Staatsverständnis der neuen Regierungsparteien in die Hände. Im Unterschied zur SPD verstanden sich beide Unionsparteien als Vertreter eines starken Föderalismus. Bayern hatte zuvor aufgrund zu geringer Kompetenzen für die Länder dem Grundgesetz nicht zugestimmt. Aber auch in der CDU war der Wunsch nach starken Bundesländern vorhanden. 1949 gab es die Bundespartei der CDU noch gar nicht. Die wesentlichen Entscheidungen lagen immer noch bei den Landesverbänden und ihren Führungspersonen. Diese hatten kein Interesse an einer zu mächtigen Bundesgewalt.

Die SPD war für einen starken Föderalismus nicht zu haben. Die Deutsche Partei als Regionalpartei hatte jedoch ein ähnliches Interesse am Föderalismus wie die Union und auch die FDP konnte sich im Wesentlichen damit anfreunden. Das machte die Wahl der Partner einfacher.

Schließlich war es bei der Rhöndorfer Konferenz vor allem die Unterstützung anderer führender Unionspolitiker, die den Ausschlag gab. Auch Ludwig Erhard erklärte, dass er für eine große Koalition nicht zur Verfügung stünde und eine Koalition mit der FDP bevorzuge. In den Augen der bayerischen CSU hätte eine große Koalition wiederum weitreichende Folgen für die bayerische Politik gehabt, da die damals noch starke Bayernpartei den Christsozialen am rechten Flügel die Wähler abwerben könnte. Hier schimmerte wieder das Thema Föderalismus durch. Im Namen der Partei äußerte sich auch ihr junger Generalsekretär Franz-Josef Strauß vehement zugunsten einer Koalition mit der FDP.

Akt III: Die Auswahl des Bundespräsidenten

Es gab aber auch jetzt noch verschiedene Beschwerden über diese strategische Wendung. Wie wollte man denn zum Beispiel die FDP in eine Koalition bewegen und wer wird das neue Staatsoberhaupt? In seinen Beiträgen machte Adenauer noch einmal deutlich, dass im Politikalltag der Bundeskanzler und nicht der Bundespräsident die entscheidende Figur in der Bundespolitik sein würde. Als Präsident des Parlamentarischen Rates waren ihm der Verfassungsrahmen im Detail wohl auch bewusster als vielen anderen Teilnehmern. Letztlich müsste für die CDU die Benennung des Bundeskanzlers weitaus wichtiger sein als das Amt des Bundespräsidenten.

Zurück zu der Versammlung im Haus der Adenauers in Rhöndorf: Gegen die Widerstände der konservativen und kirchennahen Kreise in der Union konnte Adenauer somit noch einen weiteren Coup landen. Er setzte durch, dass der Vorsitzende der FDP, Theodor Heuss, zum ersten Bundespräsidenten gewählt werden sollte. Damit konnte Adenauer den Liberalen ein überzeugendes Angebot für die Koalition machen. Gleichzeitig würde ein Protestant in die Villa Hammerschmidt ziehen, was einen Katholiken im Kanzleramt unproblematisch machen würde. Außerdem konnte er damit verhindern, dass seine parteiinternen Gegner ihn selbst auf diesen Posten setzten.

Akt IV: Wer soll denn im Kanzleramt sitzen?

Die Frage der Kanzlerschaft war immer noch offen. Konrad Adenauer war zwar die inzwischen wohl wichtigste Figur in der Union. Er war Vorsitzender des bedeutendsten Landesverbandes, konnte schon auf eine lange Karriere in der Politik zurückblicken und war als Präsident des Parlamentarischen Rates neben Ludwig Erhard die sichtbarste Figur in der Partei. Außerdem war er bei der Bundestagswahl schon auf Plakaten als Werbefigur der Union genutzt worden. Die Wähler kannten ihn und konnten mit seinem Bild und Namen etwas anfangen. Aber gegen ihn sprach sein bereits fortgeschrittenes Alter. Im Sommer 1949 war Adenauer schon 73 Jahre alt. Es kam noch hinzu, dass er als Diabetiker in dieser Zeit noch mit schwereren gesundheitlichen Problemen rechnen musste.

Gab es Alternativen

In den starken Landesverbänden hätte es aber noch diverse Alternativen zu ihm als Kanzler gegeben, die auch teils deutlich jünger waren. Außerdem gab es immer noch eine große Gruppe prominenter CDU-Politiker, die sich gegen ihn als Kanzler strebten, da sie sich eine andere Agenda, gerade auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, erhofften. Nachdem Adenauer von seinen Anhängern vorgeschlagen wurde, entstand die berühmte Formulierung, dass er mit seinem Arzt gesprochen habe und gegen zwei oder drei Jahre als Kanzler nichts einzuwenden wären. Es wurden schließlich 14, was man damals freilich noch nicht absehen konnte. Auch hier konnte sich Adenauer durchsetzen und wurde als Kanzlerkandidat der Union bestätigt.

Das Resultat kennen wir: Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer schließlich mit einer Stimme Mehrheit von den Fraktionen der Union, der FDP und der DP zum ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.

Der Epilog – Mythos und Bedeutung der Rhöndorfer Konferenz

Was ist nun die wirkliche Bedeutung der Rhöndorfer Konferenz? Es wäre sicher falsch zu glauben, dass Adenauer bei einer Art „Kaffeekränzchen“ zum Bundeskanzler auserkoren wurde. Viele Ergebnisse der Konferenz waren im Wesentlichen schon absehbar und stießen später auch nur auf geringen Widerstand. Adenauer war aus Sicht vieler Repräsentanten der Union die offensichtliche Wahl und ging auch mit den größten Chancen in die Gespräche. Richtig ist es auch, dass dieses Treffen in keiner Weise eine formelle Parteiveranstaltung war. Entscheidungen durften an sich gar keine getroffen werden.

Aber beide Einwände ändern nichts am skurrilen und zugleich entscheidenden Charakter dieses Treffens. Man muss es sich nur einmal bildhaft vorstellen, dass eine Gruppe von Politikern im Privathaus des späteren Kanzlers zusammenkam. Bis dahin war Rhöndorf weit davon entfernt,

politisch auch nur irgendeine Rolle in der Bundespolitik zu spielen. Dennoch wurden hier die Weichenstellungen für die Politik der neugegründeten Bundesrepublik beschlossen. Ja. Beschlossen. Auch wenn die Entscheidungen nominell keine rechtlichen Konsequenzen hatten, war es doch klar, dass man hinter diese Beschlüsse nicht mehr zurückgehen konnte.

Mit der sorgfältigen Planung und Leitung konnte der Gastgeber, also der spätere Bundeskanzler, großen Einfluss geltend machen und die Diskussion in seinem Sinne lenken. Nach der Veranstaltung war der weitere Weg festgelegt. Adenauer wurde Bundeskanzler und eine nach ihm benannte Ära eingeleitet.

Informationen zum Adenauerhaus:
Das Adenauerhaus ist Di-So für Besucher geöffnet.
Weitere Infos unter
www.adenauerhaus.de oder Tel. 02224-921234 . 

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Über uns 
Björn Höfer ist Mitglied von Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. und promoviert in St Andrews und Potsdam im Bereich "Politischer Katholizismus zwischen Weimar und Bonn".

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