Demokratiegeschichten

Flagge zeigen für demokratische Ideale – Johann Philipp Abresch und der Hambacher Festzug (Teil II)

Teil I dieses Beitrags ist hier zu finden.

Mit Schwarz-Rot-Gold hatte sich die Hambacher Volksversammlung unter einem einheitlichen, identitätsstiftenden und bundesweit ausstrahlenden Symbol zusammengefunden, hinter dem sich die deutsche Freiheits- und Einheitsbewegung versammelte. Es verwundert daher nicht, dass die Bundesversammlung bereits im Juli 1832 die öffentliche Verwendung der Farben Schwarz-Rot-Gold verbot.

Die Ideale werden weitergetragen

Johann Philipp Abresch (1804-1861). Quelle: Stadtarchiv Neustadt an der Weinstraße

Johann Philipp Abresch ist trotz aller obrigkeitlichen Nachstellungen und Unterdrückungsversuche seinen politischen Idealen treu geblieben. Dies zeigt ein schlaglichtartiger Ausblick auf das Revolutionsjahr 1848: Am 28. Mai fand auf der Neustadter Wolfsburg eine Feier zur Erinnerung an das Hambacher Fest statt.

Wiederum war es Johann Philipp Abresch, der in einem Festzug die „Hambacher Fahne“ von 1832 mit sich führte und dieses Mal auf der Ruine der Wolfsburg aufpflanzte. Die Redner – unter ihnen auch Abresch – bekannten sich zu den republikanischen und demokratischen Ideen der Revolution von 1848.

Schatten des Nationalsozialismus

Im Hinblick auf das noch immer angespannte Verhältnis der Deutschen zu ihrer Nationalflagge wirkt das Erbe des Nationalsozialismus mit seinem eliminatorischen Nationalismus und seiner übersteigerten Selbstinszenierung bis heute nach. Nüchtern betrachtet ließe sich anführen, dass Schwarz-Rot-Gold als einziges Staatssymbol der Bundesrepublik nicht von den Nationalsozialisten vereinnahmt worden ist.


Wappen des Deutschen Reiches in der Frühzeit der Weimarer Republik, eingeführt im November 1919. Quelle: nach dem Originalentwurf von Emil Doepler, CC BY-SA 3.0

Das Deutschlandlied als Nationalhymne wird in der Bundesrepublik nur in seiner dritten Strophe gesungen, weil im Dritten Reich dessen erste Strophe („Deutschland, Deutschland über alles“) intoniert wurde, unmittelbar gefolgt vom Horst-Wessel-Lied. Der Bundesadler als Teil des Bundeswappens knüpft zwar unmittelbar an die Tradition des Reichswappens der Weimarer Republik an, doch auch die Nationalsozialisten hatten den Weimarer Reichsadler adaptiert und massenhaft eingesetzt. Schwarz-Rot-Gold hingegen war für die Nationalsozialisten das Identifikationssymbol der von ihnen verhassten Republik von Weimar und des demokratischen Systems insgesamt.

Allein: Es liegt in der Natur von politischen oder staatlichen Symbolen, dass man sie kaum „nüchtern“ betrachten kann. Gerade weil sie jenseits rationaler Abwägungen zur Stärkung von Identität und Gemeinschaftsgefühl beitragen sollen, verfügen sie über eine starke emotionale Kraft, die zumal in Deutschland noch immer Skepsis oder offene Abwehr hervorruft.

Missbrauchtes Symbol der Demokratie

Seit rund acht Jahren ist indes eine neuartige Herausforderung zu beobachten: Ausgehend von den völkisch-rechtsextremen PEGIDA-Kundgebungen werden die Farben Schwarz-Rot-Gold zunehmend von Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik genutzt bzw. gekapert.

Die Nutzung dieses Symbols passt zu ihrer inhaltlichen Strategie, im Namen der Demokratie gegen den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik Front zu machen – sei es mit Verschwörungstheorien, mit Stimmungsmache gegenüber Minderheiten oder mit Angriffen gegen Politiker, Journalistinnen oder Institutionen des von ihnen verachteten „Systems“.

Pegida-Demonstration am 25. Januar 2015 in Dresden mit zahlreichen schwarz-rot-goldenen Flaggen. Quelle: Kalispera Dell, CC BY 3.0

Ihr Freiheitsverständnis ist frei von Verantwortung, Rücksichtnahme oder Solidarität; ihr Demokratieverständnis erschöpft sich darin, die Durchsetzung des eigenen Willens zum Maßstab dafür zu nehmen, ob wir in einer Demokratie oder in einer Diktatur leben. Auf eine (positive) Traditionslinie der deutschen Geschichte können sich derlei Vorstellungen von Demokratie und Freiheit nicht berufen.

Farbe bekennen für die Demokratie

Braucht es heute also mehr demokratische Bannerträger á la Johann Philipp Abresch? Im wörtlichen Sinne ist es sicherlich nicht erforderlich, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger eine Deutschlandflagge besitzen und diese regelmäßig öffentlich zeigen. Zugleich wäre es angesichts der gegenwärtigen Angriffe auf unsere Demokratie von innen und außen jedoch fahrlässig, den Symbolen unserer Bundesrepublik und ihrer Nutzung im öffentlichen Raum mit Unwissenheit oder Gleichgültigkeit zu begegnen.

Die schwarz-rot-goldene Deutschlandflagge ist mehr als ein farbig bemaltes Tuch. Sie ist das Symbol unserer freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Bundesrepublik. Zugleich verweist sie auf eine lange Tradition des standhaft-mutigen Ringens um eine solche politische Ordnung. Der Hambacher Fahnenträger Johann Philipp Abresch steht an den Anfängen einer solchen Tradition.

Schwarz-rot-goldene Flaggen schwenkende Revolutionäre in Berlin im März 1848, Kämpfer:innen für Demokratie und Freiheit. Quelle: gemeinfrei

Darüber hinaus steht Abreschs „Flagge zeigen“ symbolhaft für eine urdemokratische Tugend, die nichts an ihrer Aktualität und Notwendigkeit eingebüßt hat, nämlich öffentlich sichtbar für die eigenen Überzeugungen einzustehen, Verantwortung zu übernehmen und dabei mehr als nur die eigenen Interessen im Blick zu haben.

Ein so verstandenes „Farbe bekennen“ ist auch ohne öffentliches Amt oder politisches Mandat möglich. Es kann sich zeigen im ehrenamtlichen Engagement, im Einsatz für ein von Respekt und Solidarität geprägtes Zusammenleben oder im Widerspruch gegen menschenfeindliches und antidemokratisches Gedankengut. In einer solch aktiven Mitwirkung und Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zeigt sich, dass eine lebendige Demokratie immer beides ist: Staatsform und Lebensform.

Zum Autor

Kristian Buchna ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Hambacher Schloss und dort zuständig für die Bereiche Ausstellung, Forschung, Veranstaltungen und Vermittlung. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Demokratie- und Liberalismusgeschichte sowie in der politischen Kulturgeschichte.

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