Demokratiegeschichten

„Gier – Weimar, die erhitzte Republik“

Gier ist laut einer Definition des Dudens ein „auf Genuss und Befriedigung, Besitz und Erfüllung von Wünschen gerichtetes, heftiges, maßloses Verlangen“, eine „ungezügelte Begierde“. Im Deutschland der 1920er Jahre war Gier allgegenwärtig. Rausch und Ektase, Partys und Vergnügen prägten während der „Goldenen Zwanziger“ den Alltag – zumindest den der wohlhabenenden Gesellschaft. Die Gier nach Ablenkung von den traumatisierenden Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, Ablenkung von dem immer größer werdenden Elend der breiten Bevölkerung und Ablenkung von der ungewissen Zukunft.

Die Jahre nach 1918 wurden von vielen politischen, sozialen und ökonomischen Krisen begleitet. Die chaotischen Zustände der jungen Republik sind ein sehr deutlicher Ausdruck für diese Unsicherheit. Die, die es sich leisten konnten, betäubten ihre Angst und Unsicherheit in rauschenden Nächten. Damit prägten sie das Bild einer ausschweifenden Gesellschaft ohne den Blick über den eigenen Tellerrand. Und dennoch betraf die Gier der 20er Jahre nicht nur das Verlangen nach Betäubung und Vergnügen. Sondern eben auch die Begierde nach einer besseren Zukunft. Die Gier der aufreibenden Zeit zwischen den zwei großen Weltkriegen war auch eine Gier nach Freiheit, nach Gleichheit und nach Demokratie. 

Das Theaterstück von Axensprung

Das ungewöhnliche Theaterstück des Axensprung Theaters verdeutlicht beide Aspekte der „ungezügelten Begierde“ der Weimarer Republik. Am Beispiel von fünf fiktiven Figuren wird von der ausschweifenden Vergnügungssucht der Feiergesellschaft erzählt, aber auch von der Armut der weniger wohlhabenden Menschen, den Kriegstraumata und politischen Erdrutschen. Fünf ganz unterschiedliche Menschen erleben auf ganz unterschiedliche Art und Weise diese aufregende Zeit. Gemeinsam haben sie einen Nachtclub, in dem sich ihre Wege immer wieder kreuzen. Zwischendurch kommen außerdem auch immer wieder reale historische Personen wie Walter Rathenau oder der Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher zu Wort. Eine abwechslungsreiche Mischung aus belegten Fakten und unterhaltsamer Fiktion erzählt eine lehrreiche und doch auch sehr unterhaltsame Geschichte. Dabei muss zugehört werden: Schnelle Szenenwechsel und viel viel Text verlangen auch den Zuschauerinnen und Zuschauern so einiges ab.

Dennoch schaffen es die fünf Schauspieler Oliver Hermann, Angelina Kamp, Mignon Remé, Erik Schäffler und Markus Voigt, dass man dem Geschehen gerne zuschaut und eigentlich gar nicht möchte, dass die Geschichte rund um die Kommunistin Martha Knies, den überzeugten Anhänger der Republik Paul Schätzing oder dem unpolitischen Freigeist Lucy Lewin – und ihrer Gier nach Freiheit, Demokratie oder Vergnügen – endet.

Das Theaterstück ist im Februar noch einmal am Sa. 22.02 im Theater Combinale und Lübeck und am So. 23. Februar im Museum für Hamburgische Geschichte zu sehen. Weitere Termine findet ihr hier.

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