Demokratiegeschichten

Sozial, ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei – Die Gründung der Partei Die Grünen

Umweltbewusstsein und der Anspruch, respektvoll mit der Natur umzugehen, nicht zuletzt zum Schutz der Menschheit selbst, sind historisch gesehen zwar keine radikal neuen Ideen. Aber dass sich die Ideale des Umweltschutzes im politischen System in Form von Organisationen und Parteien widerspiegeln, ist erst ein Phänomen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der Bundesrepublik ist es vor allem die Partei Die Grünen, die vor vier Jahrzehnten damit beginnt, ökologisches Denken in der Politik salonfähig zu machen.

Ein Kind der 68er

Die Umweltpartei entsteht aus einer Vielzahl von politischen und sozialen Bewegungen der 1960er und 70er Jahre heraus. Dabei sind es bei diesen Neuen sozialen Bewegungen vor allem Gruppen aus der Ökologie-, Anti-Atomkraft-, der Friedens- und der Frauenbewegung, die eine Institutionalisierung ihrer Bestrebungen vorantreiben. Nachdem unter anderem die Verabschiedung der Notstandsgesetze durch den Bundestag im Mai 1968, gegen den sich die Außerparlamentarische Opposition (APO) und der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) massiv engagiert hatten, nicht verhindert werden konnte, setzt sich bei vielen die Überzeugung durch, dass das System nur von innen heraus reformiert werden könne.

Der Protest der 68er entzündete sich maßgeblich an der geplanten Verabschiedung der Notstandsgesetze. Aufkleber mit Protestaufruf, Mai 1968. Quelle: gemeinfrei

Von Angehörigen maoistischer K-Gruppen bis zu konservativ geprägten Umweltschützer:innen ist ein breites Spektrum an politisch Aktiven in dieser zutiefst heterogenen Gruppe von Vereinigungen vertreten. Nicht zuletzt die Angst vor Atomenergie, Kaltem Krieg und im schlimmsten Fall einer Kombination aus beidem ist ausschlaggebend. Sie motiviert diese Menschen, einen umweltbewussten Umschwung in der deutschen Politik und Gesellschaft herbeizuführen. So gut wie alle „grünen“, „bunten“ oder „alternativen“ Vereinigungen und Listen, die in dieser Zeit aktiv sind, scheitern aber bei verschiedenen Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde.

Aus einer Niederlage das beste gemacht

Petra Kelly im Bundestag, 1987. Quelle: gemeinfrei

Es lässt sich nicht leugnen: Obwohl all diese Organisationen und Listen grundsätzlich das gleiche Ziel haben – ökologisches Bewusstsein in die deutschen Parlamente zu bringen –, ist jede einzelne für sich zu klein, um tatsächlich etwas bewirken zu können. Auch deshalb gründet sich im März 1979 die Sonstige Politische Vereinigung Die Grünen (SPV/Die Grünen), eine zunächst eher bürgerlich-konservative Vereinigung.

Wenngleich sie noch keine Partei darstellt, darf die SPV/Die Grünen im Juni bei der Europawahl antreten. Sie ist die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament. Spitzenkandidat:innen sind Petra Kelly, Herbert Gruhl und Joseph Beuys. Die Wählergemeinschaft kommt zwar nur auf 2,3 Prozent Stimmenanteil und verpasst damit den Einzug ins Parlament. Allerdings bildet die Rückerstattung der Wahlkampfkosten, rund 4,8 Millionen D-Mark, die Grundlage für die Weiterentwicklung der politischen Bewegung – und für die spätere Gründung der eigentlichen Partei auf Bundesebene.

Zunächst kommt es aber zur Gründung erster Landesverbände in Baden-Württemberg (September 1979) und Nordrhein-Westfalen (Dezember 1979). Auch politische Erfolge kann die Öko-Bewegung mittlerweile vorweisen. Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen im Oktober 1979 gelingt der Bremer Grünen Liste (BGL) mit 5,1 Prozent der Stimmen erstmals der Einzug in ein deutsches Landesparlament.

Linker oder rechter Umweltschutz?

Herbert Gruhl. Quelle: CC BY-SA 3.0 DE

Am 13. Januar 1980 ist es dann auch auf Bundesebene so weit: Während eines etwas chaotischen Gründungsparteitags rufen die bisherigen Angehörigen der SPV nun die Partei Die Grünen in Karlsruhe ins Leben. Die 1.000 Delegierten, die dem Gründungsbeschluss zustimmen, verstehen sich als „sozial, ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei“ sowie als „Anti-Parteien-Partei“. Im weitesten Sinne übernehmen sie zunächst Satzung und Programm der ehemaligen SPV und ändern nur den Namen.

Doch anschließend ist diese Gründungs- und Entstehungsphase geprägt von Auseinandersetzungen zwischen linkem und rechtem Flügel über die künftige Ausrichtung. Die Umwelt und ihre Bewahrung stehen im Zentrum der Bemühungen, darin sind sich alle einig. Doch auf welchem Weg dieses Ziel erreicht werden soll, wird heftig debattiert.

Einige der Angehörigen des rechten Flügels stehen außerdem unter dem Verdacht, völkisches Gedankengut zu pflegen, rechtsextremen Gruppierungen nahezustehen oder auch eine NS-Vergangenheit zu haben. In der Tat versuchen Rechtsextreme in der Gründungsphase der Grünen, die Partei zu unterwandern und ökofaschistisch auszurichten.

Mit wehenden Bärten in den Bundestag

Dieser grundsätzliche Konflikt lässt sich letztlich nicht durch einen Kompromiss lösen. In der Folge spaltet sich schon während des dritten Parteitags im Juni 1980 die junge Partei auf. Der rechte bis völkische Flügel um Herbert Gruhl verlässt die Partei. Bis spätestens Mitte der 80er Jahre verschwinden alle ökofaschistischen Ideen aus Programm und Konzept der Grünen.

Otto Schily und Petra Kelly auf einer Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 1983. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F065187-0022 / Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0

Bei ihrer ersten Bundestagswahl im Oktober 1980 erreicht die Partei dann zwar nur 1,5 Prozent der Stimmen. Aber in der Folge gelingt ihr bis 1982 der Einzug ins Parlament bei Landtagswahlen in Berlin, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. In den Bundestag gelangen die Grünen dann erstmals 1983. Dort fallen die ökologisch bewussten Abgeordneten in ihren Strickjacken und Turnschuhen, mit langen Haaren und buschigen Bärten schnell auf. Doch vor allem ist es ihre Herangehensweise, den politischen Status quo der damaligen Bundesrepublik Deutschland radikal zu hinterfragen, der die deutsche Demokratie auch langfristig weiterentwickelt.

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Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

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