Demokratiegeschichten

100 Jahre politischer Mord: Ernst von Salomon – Karriere eines Rechtsterroristen

„Schwere Strafen in Düsseldorf.
Bei der Vernehmung gab einer der Angeklagten zu, daß die Organisation Consul mit der Brigade Ehrhardt in Verbindung steht […]. Er fügte hinzu, daß bei der Brigade Ehrhardt und ihren Unterabteilungen Fehmgerichte bestehen, deren Mitglieder und Tagungsorte den Angehörigen der Organisation unbekannt sind. Als erwiesen ist anzusehen, daß sich die Organisation Ehrhardt über das ganze Reich erstreckt und rund 10.000 Mitglieder zählt.“

Mord als Mittel der Disziplinierung

Das berichtet der „Vorwärts“ am 4. März 1922 über einen Strafprozess gegen Mitglieder jener Organisation, die auch für die Ermordung des ehemaligen Finanzministers Matthias Erzberger verantwortlich ist. In dem Verfahren wird deutlich, wie groß der rechtsterroristische Untergrund der Weimarer Republik ist und welche Praktiken dort herrschen. Die Hälfte der 10.000 Mitglieder zählenden Brigade Ehrhardt hat sich nach dem missglückten Putschversuch 1920 zur Organisation Consul zusammengeschlossen. Mit Femegerichten geht sie gegen Leute vor, die ihre Aktionen verraten oder angeblich verraten haben. Dass in Düsseldorf ein Verfahren stattfindet und die beiden Hauptangeklagten sowie weitere der insgesamt 21 Beschuldigten verurteilt werden, hängt mit dem Sonderstatus des Rheinlandes zusammen, das unter alliierter Kontrolle steht.

Zeichnung mit Orten, in denen die Organisation Consul vertreten ist, Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Staatsarchiv Freiburg F 179/4 Nr. 89

Andernorts in Deutschland können die rechten Netzwerke unbehelligt weitermachen, obwohl sie mit dem Erzberger-Mord in Verbindung gebracht werden. Im hessischen Bad Nauheim versuchen in der Nacht auf den 5. März 1922 vier Angehörige der Organisation Consul den angeblichen Verräter Erwin Wagner umzubringen. Unter ihnen sind der spätere Rathenau-Attentäter Erwin Kern und der 19-jährige Ernst von Salomon.

„Ursprünglich hatten Kern und ich die Absicht, Wagner zu töten. […] Daß die Tötung nicht geschah, war, wie Kern ausdrückte, einfach ein Versager.

Von Salomons Weg in die rechte Szene

Das berichtet Ernst von Salomon ganz ungeniert in einem Buch, das er 1951 in der Bundesrepublik veröffentlicht. Wagner hat den versuchten Fememord schwer verletzt überlebt und rettet sich, indem er untertaucht. Erst 1927 kommt der Mordanschlag vor Gericht. Einer der Angeklagten ist Ernst von Salomon. Er ist Sohn eines hochrangigen Polizisten, hat bis 1918 die Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde besucht und anschließend verschiedenen Freikorpsverbänden angehört. Er war nach 1918 an den Kämpfen im Baltikum und in Oberschlesien sowie am Kapp-Putsch beteiligt. Nach dem Verbot der Brigade Ehrhardt wurde er Mitglied der „Organisation Consul“.

Ernst von Salomon während der Verhandlung in Gießen, Quelle: Hessisches Landesarchiv/Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Sign.: R 4 Nr. 16445

Im Gießener Fememordprozess wird Salomon 1927 wegen Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt sitzt er bereits wegen seiner Beteiligung am Rathenau-Mord im Zuchthaus, wird aber Ende 1927 von Reichspräsident Hindenburg begnadigt.

Karriere als Autor für die rechte Presse

Nach der Entlassung unterstützt von Salomon inhaftierte Gesinnungsgenossen und beginnt als Autor für den nationalsozialistischen „Angriff“ und andere rechte Zeitungen zu schreiben. So berichtet der „Vorwärts“ am 5. Februar 1929:

„Der Ehrhardt-Mann von Salomon hat in der Zeitschrift ‚Deutsche Front‘ zwei Artikel über die Morde an Erzberger und Rathenau veröffentlicht, in denen er die Behauptung aufstellte, die Vorsehung habe sich der Mörder zu ihren Zwecken bedient. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Vergehens gegen das Republikschutzgesetz, die Hamburger Strafkammer sprach ihn frei. Sie erblickte in den Aufsätzen weder eine Verherrlichung noch eine Billigung der Morde. Ein merkwürdiges Urteil. […]

Also: es ist Gotteslästerung, Christus in der Gestalt eines gefallenen Kriegers zu zeichnen. Es ist aber keine Gotteslästerung, zu behaupten, daß Gott sich feige Mörder zu seinen Werkzeugen erwählt und daß er die Morde an Erzberger und Rathenau gewollt habe.“

Auch in seinen autobiografisch geprägten Romanen, die von Salomon ab 1930 veröffentlicht, distanziert er sich nicht von seinen Verbrechen. Seine Bücher verkaufen sich gut, nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten schreibt er außerdem Drehbücher für NS-Propagandafilme. Er tritt jedoch nicht in die NSDAP ein und schützt seine jüdische Frau vor Verfolgung.

Bestsellerautor in der Bundesrepublik

Nach 1945 verhaften ihn die amerikanischen Besatzungsbehörden wegen seiner rechtsterroristischen Vergangenheit in der Weimarer Republik. Ab September 1946, nach seiner Freilassung, verarbeitet von Salomon Lager- und Entnazifizierungserfahrungen in dem Roman „Der Fragebogen“. Dieser erscheint 1951 und wird in der der Bundesrepublik Deutschland ein Bestseller.

Originaltitel: Zentralbild 10.5.1968 [Herausgabedatum] Westdeutschland Ernst von Salomon Schriftsteller; Quelle Bundesarchiv Bild 183-G0510-0205-010, Foto: o. Angabe

1972 stirbt Ernst von Salomon als geachteter Drehbuchautor und Schriftsteller in Niedersachsen. Seine Haltung war typisch für bürgerliche Nationalisten, die sich mit den pöbelhaften Nazis nicht gemein machen wollten – und diesen dennoch den Weg bereiteten.

Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe 100 Jahre politischer Mord in Deutschland.

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Über uns 
Historikerin, Autorin, Kuratorin Mitarbeiterin im Projekt "Gewalt gegen Weimar" am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

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