Demokratiegeschichten

100 Jahre politischer Mord in Deutschland – Sehnsucht nach der Monarchie

„Die feierliche Beisetzung des Königs Ludwigs III. zeigt ostentativ die wahre Gesinnung der Münchner, die durch die Revolution nur neu gestärkt wurde. Alle Kreise der Bevölkerung beteiligen sich an der Leichenfeier, nur die bewußten Elemente bleiben grollend fern, ohne zu ahnen, welches Armutszeugnis sie sich dadurch ausstellen.“

Fotografie eines Gemäldes des aufgebahrten Leichnams Ludwigs III. in Ungarn, 1921. Quelle: Bildarchiv Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann D.23 6, hoff 5706

So kommentiert eine Zeitung namens „Bayern-Warte“ am 29. Oktober 1921 die Überführung des letzten bayerischen Königs aus dem ungarischen Exil auf den Münchner Friedhof. In der Novemberrevolution 1918 war auch der Wittelsbacher Monarch Ludwig III. gestürzt worden. Am 18. Oktober 1921 starb er im ungarischen Exil. Nun regt sich die Sehnsucht nach der geordneten Welt der Monarchie – gespeist nicht zuletzt von dem „parteilosen Wochenblatt“, das sich dem „Schutz des Bayerntums“ verpflichtet fühlt.

Die Sehnsucht nach einer geordneten Welt

„Man lasse das Bayernvolk abstimmen, welche Regierungsform es will, und das Resultat wird ein Ueberraschendes sein. Noch hängt die Frucht unreif auf dem politischen Baume, aber sie reift langsam, die jetzigen Zustände im Lande sind die Sonnen, die sie sicher zeitigen werden.“

Als schauriger Kontrast zur monarchischen Vergangenheit erscheint in der „Bayern-Warte“ die republikanische Gegenwart:

Die Parteien […] gleichen den wilden Tieren, sie zerfleischen sich gegenseitig. Eine feste Hand ist notwendig und diese wird die wahre Freiheit bringen. Abwarten und Tee trinken.“

Trauerzug am 5. November 1921 am Königsplatz in München, Quelle: Bildarchiv Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann D.23, hoff 5696, Foto: Hans Möller

Bei der Überführung der sterblichen Überreste hatten schon an der Bahnstrecke Hunderte von Menschen dem einstigen Wittelsbacher Monarchen gehuldigt. Aber selbst wenn die Zeitung für den „Schutz des Bayerntums“ besonders deutliche Worte findet, steht sie mit ihrer monarchistischen Gesinnung keineswegs allein.

Trauerfeiern als politische Demonstrationen

Ein halbes Jahr zuvor nahm ein Großteil der Potsdamer Bevölkerung an der Beerdigung von Auguste Victoria von Preußen, der populären Frau Wilhelms II. und letzten deutschen Kaiserin, teil. Der Trauerzug mit vielen tausend Menschen glich einer Manifestation für die Monarchie.

Originalunterschrift: Von der Beisetzung der Kaiserin Auguste Viktoria von Deutschland. Der Sarg, eskortiert von Generalen, auf dem Wege zur Gruft, Quelle: Bundesarchiv Bild 183-R52486 , April 1921, Foto: o. Angabe

Im Oktober 1921 wird in Ludwigsburg der ehemalige württembergische König Wilhelm II. beerdigt – zwar „ohne großes Gepränge“, wie der „Badische Beobachter“ berichtet, aber:

„Als die Angehörigen dem Toten den letzten Gruß gebracht hatten, zogen Tausende und Abertausende am Grab vorüber, um ihrem einstigen, aufrichtig verehrten König das letzte Geleit zu geben.“

Im Schatten der Monarchie

Ob in Bayern, Württemberg oder Preußen – viele Deutsche trauern der untergegangenen Monarchie offen nach. In Aachen beispielsweise scheitert der Versuch der SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, die Vergangenheit aus dem Stadtbild zu verbannen. Über die Entfernung der Kaiserbilder und die Umbenennung von Straßen diskutiert man dort im Oktober 1921 nicht einmal. In Berlin misslingt 1922 ein Versuch der USPD das Standbild Kaiser Wilhelms I. aus der Wandelhalle des Reichstags zu entfernen. Die Trauerfeier für den ermordeten Walther Rathenau findet daraufhin im Plenarsaal statt.

… selbst im Gerichtssaal

In den Gerichtssälen, in denen sich die Attentäter verantworten müssen, blicken die gekrönten Häupter vergangener Jahrhunderte auf die Richter herab, die schließlich im Sinne der republikanischen Verfassung entscheiden sollen. Die fühlen sich jedoch einem imaginären „Volkswohl“ mehr verpflichtet als den Gesetzen der Republik. Die Entfernung aller nicht loyalen Beamten und die Demokratisierung des Verwaltungsapparats sei ein Gebot der Stunde, fordert nach dem Rathenau-Attentat 1922 der sozialdemokratische „Lübecker Volksbote“. Ein Kommentar wie ein Kassandraruf:

„Und dann muß rücksichtslos Schluß gemacht werden mit den Prinzenparaden, mit den Regimentsfeiern und dem Kriegervereinswesen. Solange diese Klimbimrummel nur Hetzzwecke gegen die Republik verfolgen, müssen sie rücksichtslos unterdrückt werden.“

Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe 100 Jahre politischer Mord in Deutschland.  

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Über uns 
Historikerin, Autorin, Kuratorin Mitarbeiterin im Projekt "Gewalt gegen Weimar" am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

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