Demokratiegeschichten

18.10.1907: Zweite Haager Friedenskonferenz

Als sich die Delegierten aus 44 Ländern zur zweiten Haager Friedenskonferenz trafen, war ihr Ziel klar. Sie wollten Regeln zur friedlichen Beilegung von internationalen Konflikten vereinbaren.

Wofür die Konferenz bekannt wurde, ist letztlich ein Dokument, dass vereinbart, wie im Kriegsfall miteinander umzugehen ist: Die Haager Landkriegsordnung.

Eine Friedenskonferenz, die Kriegsrecht regelt – ist das nicht paradox?

Ius ad bellum – Das Recht zum Krieg

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine erste Friedensbewegung. Vereine wie die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinte Kriegsdienstgegnerinnen gewannen nach und nach an Zulauf. Ihre Mitglieder hatten es allerdings nicht einfach, denn insbesondere das Jahrhundertende war geprägt von Militarismus, Nationalismus und Kolonialismus. Mit ihren Ideen der internationalen Verständigung standen sie daher oft alleine da.

Die Idee, kriegerische Konflikte zu vermeiden und friedliche Lösungen zu finden, standen der damals verbreiteten Idee des Rechts auf Krieg entgegen. Dieses Recht – ius ad bellum – hatte lange Bestand; nach diesem Verständnis war Krieg also nichts unrechtes. In gewisser Weise war es eine Verlängerung des Naturrechts, also des Rechts des Stärkeren. Laut diesem setzt sich am Ende die Seite durch, die härter arbeitet – oder auch kämpft. Die Friedensbewegung hoffte, sich von diesem Naturrecht zu entfernen und ein positives Recht einzuführen – eben das Recht auf Frieden. Frieden und nicht Krieg sollte als Normalzustand im Miteinander der Nationen gelten.

Delegiertender Zweiten Haager Friedenskonferenz.

Ius in bello – Das Recht im Krieg

Ein weiterer Gedanke der Friedensbewegung war, dass, wenn man Krieg nicht gänzlich vermeiden könnte, man zumindest Regeln zur Einschränkung von Gewalt haben sollte. Diese könnten sowohl Kriegsteilnehmende als auch Unbeteiligte schützen.

Die erste Regelung, die die Versorgung verwundeter Soldaten und den Schutz von Helfenden regelte, war die erste Genfer Konvention von 1864. Sie führte die Kennzeichnung von medizinischem Personal ein, beispielsweise durch die Einführung des roten Kreuzes und des roten Halbmondes auf weißem Grund. Noch heute sind Mitglieder des roten Kreuzes und roten Halbmonds mit diesen Symbolen gekennzeichnet und helfen in Kriegs- und Krisengebieten.

(Einer der Gründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Henry Dunant, war 1859 Zeuge der Schlacht von Solferino und San Martino. Die mangelnde medizinische Versorgung und das Leid der Soldaten bewegten ihn dazu, seine Erinnerungen festzuhalten und an führende europäische Generäle zu schicken. 1863 war er einer der Mitausrichter des Internationales Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege. An diesem nahmen immerhin schon 36 Personen, davon 18 Delegierte verschiedener Regierungen teil.)

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Originaldokument der ersten Genfer Konvention. Foto: Kevin Quinn/CC BY 2.0 DEED.

Die Haager Konferenzen, 1899 und 1907, legten weitere Regeln für das Verhalten im Krieg fest. Zivilist:innen und am Kampf unbeteiligte Personen sowie Kriegsgefangene sollten fortan unter Schutz stehen. Auch der Einsatz bestimmter Waffen wurde verboten, etwa das Abwerfen von Projektilen aus Ballonen. Gerade letzter Punkt sollte ohne großen Erfolg bleiben.

Die Bedeutung der Haager Friedenskonferenzen

Die Haager Friedenskonferenzen waren der erste ernsthafte Versuch durch eine internationale Gemeinschaft, Krieg abzuschaffen. (Die Anregung zur Konferenz stammte übrigens vom russischen Zar Nikolaus II.) Der erhoffte Durchbruch blieb allerdings aus: Auf konkrete Schritte zur Abrüstung konnte man sich nicht einigen. Auch die Einführung eines internationalen Schiedsgerichts scheiterte an der erforderlichen Einstimmigkeit in der Abstimmung. Ein Schiedsgerichthof wurde dennoch in Den Haag errichtet, dort ist der Internationale Gerichtshof heute noch aktiv.

Nur wenige Jahre nach der Verabschiedung der Haager Landkriegsordnung stand sie auf der Probe. Doch im Ersten Weltkrieg kam es zu zahlreichen Kriegsverbrechen, die die Regeln der Konvention überschritten. Von den Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg ganz zu schweigen. Die völkerrechtliche Verurteilung derselben bedeutet zwar, dass sich das Bild, das man von Krieg hatte, allmählich wandelte. Krieg galt nicht länger als natürlicher Zustand, der eben passierte. Doch half und hilft das im Zweifel den Betroffenen und Opfern nicht.

Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs legte man ein Gewaltverbot in der UN-Charta fest. Somit gilt Krieg grundsätzlich als geächtet. Nur im Verteidigungsfall ist er weiterhin erlaubt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der UN-Charta ein allgemeines Gewaltverbot verankert, um „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“. Kriege werden also grundsätzlich geächtet und sind somit völkerrechtswidrig. Ausschließlich zur Selbstverteidigung sind sie weiterhin erlaubt. Weiterhin sind die Staaten laut Artikel 2, Ziffer 3, verpflichtet, „ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei[zulegen], dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden“.

Einen wirklich positiven Abschluss zu diesem Artikel zu finden, fällt mir mit Blick auf die aktuelle Weltlage schwer. Was denkt ihr, was man tun muss, damit Krieg irgendwann völlig aus der Welt verschwindet?

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Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

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