Demokratiegeschichten

Albert Grzesinski – ein Wegbereiter der Weimarer Demokratie

Albert Grzesinski hat dem Versprechen der Novemberrevolution 1919, einen demokratischen Rechtsstaat Wirklichkeit werden zu lassen, sein politisches Leben gewidmet. So sind in zentralen Bereichen der jungen Weimarer Demokratie seine Spuren sichtbar. Der Weg vom kaiserlichen Obrigkeitsstaat zur demokratischen Republik bedeutete anhaltende Auseinandersetzungen mit den Feinden des Demokratie-Projektes – und dazu war Grzesinski mit nicht nachlassender Energie bereit.

Von Pommern in den Landtag

Heute erinnert in Kassel nur dieses Foto in den Räumen der IG Metall an den Gewerkschafter und Politiker Albert Grzesinski. Quelle: IG Metall Kassel

Am 28. Juli 1879 in Pommern geboren, schloss Grzesinski eine Lehre im Metalldrücker- und Gürtlerhandwerk erfolgreich ab. Im Berufsleben angekommen, trat er früh dem Deutschen Metallarbeiterverein und der Sozialdemokratie bei. Über Offenbach kam er schließlich nach Kassel, wo er 1913 Vorsitzender des dortigen Gewerkschaftskartells wurde.

Grzesinskis umfassende politische Fähigkeiten, seine Sachkompetenz, Initiativ- und Führungsfähigkeit sowie seine Verwaltungserfahrungen verhalfen ihm im preußischen Staat nach 1918 zu herausgehobenen Ämtern. So bewältigte er etwa als Reichskommissar mit großen Geschick die schwierige Abwicklung der Militärverwaltung. Darüber hinaus war er erst Mitglied der Preußischen Landesversammlung, dann des Preußischen Landtags.

Auf der Flucht und ausgebürgert

Von Mai 1925 bis Oktober 1926 war Grzesinski Polizeipräsident in Berlin, dann für vier Jahre preußischer Innenminister. Anschließend ernannte ihn die Regierung Braun erneut zum Polizeipräsidenten in Berlin. Als einer der ersten sozialdemokratischen Spitzenbeamten wurde er jedoch im Juli 1932 im Rahmen des Staatsstreichs der Reichsregierung unter Franz von Papen entlassen.

Im März 1933 musste er schließlich fliehen und gelangte über verschiedene Stationen vier Jahre später nach New York. Dort nahm er 1943 in verschiedenen Fabriken seinen alten Beruf als Metalldrücker wieder auf. Eine Initiative der Sozialdemokratischen Partei, ihn nach Deutschland zu holen, erfolgte zu spät. Er starb am 31. Dezember 1947.

Demokratisierung der Polizei

Als preußischer Innenminister hat Grzesinski in beispielloser Konsequenz die Republikanisierung der Polizei vorangetrieben. Sie war für ihn sowohl „Freund und Helfer“ der Bürgerinnen und Bürger wie auch „Hüter der Verfassung“. Den Gebrauch der Waffe suchte er hingegen einzuschränken. Grzesinski machte zudem den Polizeidienst zum Lebensberuf.

Verkehrsposten der Schutzpolizei in Berlin, 1924. Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-00327A / CC-BY-SA 3.0

Mit der Aussicht auf einen solchen konnten die Anwärter gesicherten Verhältnissen entgegensehen.  Im Gegenzug erwartete Grzesinski von den Polizisten die Bereitschaft, sich einer gründlichen und praxisorientierten Ausbildung zu unterziehen. Ihm war dabei besonders wichtig, dass die Polizisten berufsnah die Hintergründe erfuhren, die zu bestimmen Gesetzen und Verordnungen führten. So sollten politisch gebildete, rechtsstaatlich gefestigte Demokraten die Polizeischulen verlassen.

Auflösung der Gutsbezirke

In Preußen hatten sich nach der Novemberrevolution die aus der Zeit der Gutsherrschaft stammenden Gutsbezirke als territorial selbständige Einheiten erhalten. Die etwa 1,5 Millionen in diesen Bezirken lebenden Menschen konnten kein kommunales Wahlrecht ausüben, weil der Gutsbezirk keiner politischen Gemeinde angehörte. Die Gutsherren waren Inhaber der Polizeigewalt und sie entschieden in allen Verwaltungsfragen.

In den Augen Grzesinskis waren diese Gutsbezirke durch und durch reaktionäre Einrichtungen, ohne Daseinsberechtigung in einer demokratischen Republik. Nach schwierigen Verhandlungen setzte sich Innenminister Grzesinski schließlich durch. Das Gesetz zur Auflösung der Gutsbezirke wurde am 27. Dezember 1927 verkündet. Dies entsprach in Grzesinskis Augen schlicht dem Auftrag eines demokratisch republikanischen Volksstaates. Dieser dürfe die dem demokratischen Wahlrecht zugrunde liegende Gleichheitsfrage aller Bürger und Bürgerinnen nicht einer kommunalen Selbstverwaltung überlassen.

Eine demokratische Personalpolitik

Grzesinski auf der Verfassungsfeier der Berliner Schutzpolizei 1929. Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-08224 / CC-BY-SA 3.0

Grzesinski betrieb mit gleichem Eifer die personelle Besetzung von Ämtern in der Verwaltung mit uneingeschränkt demokratischen-republikanischen Persönlichkeiten. Er verstand die Verwaltungsbeamten nicht als Repräsentanten obrigkeitsstaatlicher Macht, sondern als „Vertrauensleute“ der Bevölkerung. Dazu gehörte für ihn auch eine verstärkte Berufung von Frauen in die Exekutive. So forderte er als Abgeordneter des Preußischen Landtags „republikanisch demokratisch denkende und fühlende Personen“ in „Leitung, Verwaltung und Exekutive“.

Seine zutiefst republikanische und an der Verfassung orientierte politische Haltung bewies er nicht nur mit Blick auf klare Republikgegner, sondern auch – wo erforderlich – bei Mitgliedern seiner eigenen Partei.   Als Innenminister berief er etwa zwei sozialdemokratische Spitzenbeamte ab. Beide hatten ihre parteipolitische Unabhängigkeit als Staatsbeamte mehrfach verletzt und konnten nach seinem Verständnis die demokratische Republik nicht mehr überzeugend vertreten.

Schutz von Demokratie und Republik

Dass die demokratische Republik von den Tagen ihrer Gründung an gegen Feinde und Gegner verteidigt und gesichert werden musste, war Grzesinski schon sehr früh klar.  Nicht zuletzt auch angesichts dieser fundamentalen Bedrohung hatte in seinem Konzept die Demokratisierung der staatlichen Polizei höchste Priorität. Darüber hinaus galt Grzesinski als glänzender politischer Redner, der Tausende begeistern konnte.  Grzesinski nahm in der öffentlichen Meinungsbildung, im Rundfunk und in parlamentarischen Debatten  immer wieder die Auseinandersetzung mit den Feinden der Republik offensiv auf.

Entsprechend zieht sich die öffentliche politische Zurückweisung antidemokratischen Denkens und Handelns wie ein roter Faden durch seine politische Vita. Bereits bei den Beratungen der preußischen Landesversammlung wies er in seiner Jungfernrede die von deutsch-nationaler Seite erhobene Dolchstoßlegende scharf zurück. Auch nach der Ermordung Walther Rathenaus im Preußischen Landtag forderte er die Wehrfähigkeit der Republik. Hier, wie in zahlreichen anderen Momenten seines (politischen) Lebens, bewies Grzesinski seine Treue zur Demokratie und ihrer Werte.

Zum Autor

Dr. phil. Dietfrid Krause-Vilmar, geboren 1939, war von 1975 bis 2005 Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Kassel. Dort betrieb er schwerpunktmäßig Forschungen zur regionalen Zeitgeschichte. Darüber hinaus ist er Mitgründer der Gedenkstätte Breitenau in Guxhagen.

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