Demokratiegeschichten

12. Februar 1848: Forderung nach einer gesamtdeutschen Nationalversammlung

12. Februar 1848: Noch ist es ruhig in den deutschen Ländern. Doch es ist die Ruhe vor dem Sturm. Denn in gerade einmal zehn Tagen wird von Frankreich aus eine Revolution über Europa rollen. Die ersten Winde sind schon seit längerem zu spüren. So etwa fünf Monate zuvor in Offenburg, wo nach einem Auftritt Friedrich Heckers die „13 Forderungen des Volkes“ verabschiedet werden.

Und auch an diesem Tag lässt sich die Revolution erahnen. Fünf Monate nach der Offenburger Versammlung hält Friedrich Daniel Bassermann eine Rede vor der Badischen Zweiten Kammer. Die Badische Ständeversammlung (Sitz in Karlsruhe) gilt damals als das liberalste und einflussreichste Kammerparlament im Deutschen Bund.

Zurecht, wenn man den Worten des Abgeordneten Bassermann lauscht. Dieser begründet an diesem Tag seinen kurz zuvor eingebrachten Antrag, indem er fordert,

„dass durch Vertretung der deutschen Ständekammern am Bundestage ein sicheres Mittel zur Erzielung gemeinsamer Gesetzgebung und einheitlicher Nationaleinrichtungen geschaffen werde“

Friedrich Daniel Bassermann im Jahr 1842; Lithographie: gemeinfrei.

Mit anderen Worten: Bassermann fordert die Einführung eines gesamtdeutschen Parlaments. Und damit verbunden die Gründung eines deutschen Nationalstaates.

Gerade einmal 14 Tage später finden sich diese Forderungen in den Märzforderungen. Sie sind die Kernpunkte, für die Deutsche in allen Ländern auf die Straße gehen. Diverse Parlamente greifen sie auf, so auch die Frankfurter Nationalversammlung. Der Streit um die Umsetzung im Parlament – Bildung eines Staates mit oder ohne Österreich – war einer der Gründe für das spätere Scheitern für die Revolution.

Warum aber war die Forderung nach einem Nationalstaat so zentral für die Revolution

1848 ist „Deutschland“, wenn man davon sprechen will, in viele Länder zerteilt. Hier herrschen Fürsten über ihre Territorien. Je nachdem, wie liberal oder konservativ ein Herrscher ist, fallen die Rechte seiner Untertanen aus. Eine nationale Regelung würde diese Ungleichheit verhindern.

Die Gründung eines Nationalparlaments und eines Nationalstaats wäre ein bedeutender Einschnitt für die Fürstenherrschaft. Denn an das Parlament ist die Mitbestimmung des Volkes gebunden, „vox populi“. Die neu entstehenden Regierungen sollen nicht mehr als verlängerter Arm des Fürsten agieren, sondern im Namen des Volkes.

„Nicht das Volk ist für die Regierung da sondern die Regierung für das Volk.“

Auch dies ist ein Ausspruch Bassermanns für der badischen Kammer. Zu seiner Zeit war dies ein revolutionäres Verständnis von Macht und Legitimation. Denn Fürsten herrschten noch „nach Gottes Gnaden“, waren souverän. Die Bevölkerung waren Untertanen, Bürgerrechte gab es noch nicht. Doch das Bewusstsein für die eigene Identität begann sich zu ändern, insbesondere und erst im Bildungsbürgertum, dann auch in der „Arbeiterklasse“.

Was ist ein Nationalstaat?

Tatsächlich war die Idee eines deutschen Nationalstaates noch relativ jung. Jahrhundertelang hatten sich die Menschen über regionale Identitäten identifiziert, eben etwa als Frankfurter, Bayern, Sachsen und so weiter. Dass es eine gemeinsame deutsche Identität geben könnte – und daran geknüpft einen deutschen Nationalstaat – war eine neue Idee. Die Idee der Kulturnation kam im 19. Jahrhundert auf: Sie meint, dass eine Nation eine Gemeinschaft von Menschen ist, die auf gemeinsame Traditionen, Sprache und eben Kultur zurückgreifen.

File:Goethe-Schiller-Denkmal Weimar 1.JPG
Das Goethe-Schiller Denkmal in Weimar. Foto: Dr. Bernd Gross, CC BY-SA3.0.de.

Mit der Forderung nach einem Nationalstaat war auch die Forderung nach einem neuen nationalen politischen System verbunden. Wie bereits angesprochen veränderte sich das Bewusstsein der Bürger- und Arbeiterklasse. Durch Bildung erhoffte man sich gesellschaftlichen Aufstieg, viele wollten nicht mehr dieselbe Position ausfüllen, die zuvor Generationen der Familie innehatten. Wortwörtlich strebte man nach höherem; die feste gesellschaftliche Ordnung der deutschen Fürstenstaaten hinderte diese Ambitionen. Sozialer Aufstieg war nicht angedacht und nicht erwünscht.

Artikel Drucken
Markiert in:
Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

0 Kommentare

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert