Demokratiegeschichten

Berliner Appell: Frieden schaffen ohne Waffen!

Wenn es in Europa Krieg geben wird, so kann dieser Krieg nur ein Atomkrieg sein. Er wird Europa in eine Wüste verwandeln. Die in Europa in Ost und West angehäuften Waffen werden uns nicht schützen, sondern uns töten. Das ist ihre einzige Bestimmung.

Berliner Appell – Frieden schaffen ohne Waffen!, Punkt 1.

Mit diesen Worten begann der Berliner Appell – Frieden schaffen ohne Waffen! Heute vor 42 Jahren, am 25. Januar 1982, wurde das Dokument in Ost-Berlin veröffentlicht. Die Verfasser waren der Dissident Robert Havemann und der oppositionelle Pfarrer der Berliner Samaritergemeinde Rainer Eppelmann. In acht Punkten forderten sie die Schaffung einer dauerhaften Friedensordnung.

Der „Friedensstaat“ DDR

Die DDR verstand sich selbst als „Friedensstaat“. Ihre Führung behauptete, im Gegensatz zur BRD käme die DDR den Forderungen zur Entmilitarisierung und Abrüstung aus dem Potsdamer Vertrag nach. Unter anderem leitete sie den Anspruch des Friedensstaats aus dem Manifest der Kommunistischen Partei ab. Dort heißt es zum Frieden unter den Völkern:

In dem Maße, wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.

Karl Marx – Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei (1848), II Proletarier und Kommunisten.

Doch auch wenn an dieser Stelle von dem Wegfall der „feindliche[n] Stellung der Nationen gegeneinander“ die Rede ist, ist die Voraussetzung dafür eben die Einführung des Sozialismus. Von einem Frieden mit den ‚kapitalistischen, imperialistischen Staaten‘, wie die Westmächte bezeichnet wurden, konnte keine Rede sein. Vielmehr galt hier, was Marx an anderer Stelle zum Thema Krieg sagte:

Der Krieg der Geknechteten gegen ihre Unterdrücker ist der einzig rechtmäßige Krieg in der Geschichte.

Karl Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 358.

So lässt sich auch die zunehmende Militarisierung und Wiederbewaffnung der DDR verstehen. Schon in den 1950er Jahren begann die Wiederbewaffnung, ab 1962 gab es eine 18-monatige Wehrpflicht, ab 1978 den „Wehrkundeunterricht“. Wer den Wehrdienst ablehnte, konnte ab 1965 einen Dienst ohne Waffe als „Bausoldat“ ableisten. Wenn man auch dies ablehnte, drohte eine Gefängnisstrafe.

Die Friedensbewegung in der DDR

Außerhalb der offiziellen Friedenspolitik der DDR gab es lange Zeit keine Friedensbewegung. Während in Westdeutschland oppositionelle und außeroppositionelle Kritik an Aufrüstung schon in den 60er Jahren normal war, kam es in der DDR nicht dazu.

Originalbeschriftung ADN- Peer Grimm 20.9.90 Berlin: Volkskammertagung zum Einigungsvertrag- Mit der Forderung „Schwerter zu Pflugscharen“ vor dem ehemaligen ZK-Gebäude der SED, in dem die Volkskammer heute über den Einigungsvertrag abstimmt, wollen Gisela und Christian Freiwerk, Christen aus Neustadt an der Dosse, Verteidigungsminister Eppelmann an seine christliche Verantwortung erinnern.

Hier galt schon das Tragen eines Aufnähers mit den Worten „Schwerter zu Pflugscharen“ als unerwünschte Kritik der staatlichen Friedenspolitik. Das Symbol des Mannes, der ein Schwert zur Pflugschar umschmiedet, wurde 1980 zum Symbol der Friedensdekade. Sie verband die Friedensbewegung in West- und Ostdeutschland. Im Rahmen von Gottesdiensten verbreitete sich das Symbol in der DDR, bald schon liefen insbesondere junge Menschen mit dem Aufnäher herum.

Obwohl die Regierung mit Verboten und Strafen versuchte, gegenzuhalten, ließen sich weder Symbol noch Bewegung stoppen. Statt des Aufnähers trugen sie nun einen weißen Kreis, teilweise ausgefüllt mit den Worten „Hier war ein Schmied“.

Der Berliner Appell

Nach der Friedensdekade war der Berliner Appell die zweite Aktion, die sich gegen die „Friedenspolitik“ der DDR wandte. Im Apell äußerten Eppelmann und Havemann unter anderem, dass für einen dauerhaften Frieden alle Atomwaffen in Europa abzuschaffen seien. Außerdem seien beide deutschen Staaten zu entmilitarisieren und sich aus den politischen Blöcken zu lösen. Statt des Wehrkundeunterrichts solle es zudem besser einen Unterricht geben, der sich mit Friedensfragen beschäftige. Zum Schluss forderten die beiden Verfasser noch die DDR-Bürger:innen auf, ihren Appell zu unterzeichnen.

Robert Havemann (li.) und Rainer Eppelmann; Foto: Robert-Havemann-Gesellschaft/RHG_Fo_HAB_14977_a.

Der Versuch der SED-Führung, die Verbreitung des Berliner Appells zu verhindern, scheiterte. Zwar setzte sie die Unterzeichner:innen unter Druck, ihre Unterschriften zu widerrufen. Auch die evangelische Kirche bekam diesen Druck zu spüren. Trotzdem unterzeichneten zahlreiche Menschen, viele von ihnen aus der Friedensbewegung, den Appell.

Am 9. Februar veröffentlichte die Frankfurter Rundschau den Appell. In den folgenden Tagen griffen weitere Westmedien diesen auf und berichteten darüber. So verbreitete sich der Appell auch im Westen – was der SED-Führung überhaupt nicht passte.

Noch am 9. Februar ließ sie Rainer Eppelmann verhaften. Doch nach wenigen Tagen war er wieder frei. Die Kirchenleitung Berlin-Brandenburg hatte sich für seine Freilassung eingesetzt, wie sie am 13. Februar mitteilte. Im selben Zug erklärter der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Gottfried Forck, aber, dass der Appell die politische und militärische Realität ignoriere und ein Zerrbild der politischen Verantwortlichen beschreibe. Offizielle Unterstützung von Seiten der Kirche erhielt der Appell somit nicht.

Nach dem Appell

Nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Berliner Appells, am 9. April 1982, starb Robert Havemann. Er war seit längerer Zeit an Tuberkulose erkrankt, Rainer Eppelmann besuchte ihn noch einmal kurz vor seinem Tod. Heute ist die Robert Haveman Gesellschaft – Archiv der DDR-Opposition nach ihm benannt.

File:Bundesarchiv Bild 183-1990-0422-015, Rainer Eppelmann (DA).jpg
Rainer Eppelmann 1990 nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des Demokratischen Aufbruchs. Foto:  Bundesarchiv, Bild 183-1990-0422-015 / Wolfried Pätzold / CC-BY-SA 3.0.

Rainer Eppelmann blieb aktiv. Nach den Kommunalwahlen im März 1989 zeigte er die SED in Friedrichshain wegen Wahlfälschung an. Im Oktober war er Gründungsmitglied der Partei Demokratischer Aufbruch, für die er im März 1990 in den ersten freien Wahlen der DDR in die Volkskammer einzog. Von 1990 bis 2005 war er Mitglied im Bundestag für die CDU.
Seit ihrer Gründung 1998 ist Eppelmann ehrenamtlicher Vorsitzender des Vorstandes der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Artikel Drucken
Markiert in:,
Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

0 Kommentare

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert