Demokratiegeschichten

Die Gründung des Staates Israel – Die einzige Demokratie im Nahen Osten? (Teil I)

Diskussionen über Israel, seine Geschichte und Politik werden nicht selten kontrovers und hoch emotional geführt – gerade in Deutschland. Das Verhältnis zwischen diesen Ländern ist schlicht und ergreifend ein besonderes. Deutschlands historische Verantwortung Israel gegenüber, Meinungen zum grundsätzlichen Existenzrecht des jüdischen Staates und die Ablehnung gegenwärtiger politischer Verhältnisse dort werden nicht selten in einen Topf geworfen oder gegeneinander ausgespielt.

Zwei essentielle Punkte darf man dabei aber niemals aus den Augen verlieren. Zum einen steht die Existenz des Staates Israel immer außer Frage. Dies gilt unabhängig von Sympathien oder Antipathien für die jeweils aktuelle Regierung. Zum anderen sollten an Israel die gleichen Standards und Ansprüche gestellt werden wie an andere Staaten. Dies betrifft beispielsweise die Frage, ob es sich bei Israel um eine Demokratie handelt. Der jüdische Staat ist von mehr oder weniger autoritär regierten Nachbarn umgeben. Verdient er entsprechend den oft beschworenen Titel als „einzige Demokratie im Nahen Osten“? Wie so häufig lohnt sich zuerst einmal ein Blick in die Vergangenheit und hier auf die Gründungsgeschichte Israels.

Ein jüdischer Staat in Palästina

Theodor Herzl, Foto: gemeinfrei

Das 19. Jahrhundert ist das Zeitalter des Nationalismus. Auch Jüdinnen und Juden in vielen verschiedenen Ländern wünschen sich ihren eigenen Staat. Denn in vielen Ländern sind sie mit Diskriminierung und Ausgrenzung konfrontiert. Die Gründung eines jüdischen Staates scheint deshalb für viele die einzige Möglichkeit zu sein, endlich ohne Unterdrückung leben zu können. Der aus dieser Idee entstehende Zionismus setzt es sich deshalb zum Ziel, einen jüdischen Staat aufzubauen. Begründer und Vorreiter der Bewegung ist Theodor Herzl (1860-1904), sein Buch Der Judenstaat (1896) wird ihr Manifest. Immer mehr jüdische Auswanderer*innen zieht es nach Palästina, in die historische Heimat des Judentums.

Auch aus strategischen Gründen spricht sich Großbritannien während des Ersten Weltkriegs 1917 in der Balfour-Deklaration für einen jüdischen Staat in Palästina aus. Gleichzeitig sagt es den Araber*innen als Gegenleistung für Unterstützung im Kampf gegen das Osmanische Reich die Herrschaft über die Region zu. Dies scheint aus Sicht der Kolonialmacht Großbritannien kein Widerspruch zu sein.

Das Chaos des Weltkriegs verändert dann die politische Landkarte nicht nur Europas tiefgreifend. Zahlreiche Staaten fallen nach dessen Ende auseinander, so auch das Osmanische Reich im Nahen Osten. Daraufhin überträgt der frisch gegründete Völkerbund Großbritannien 1920 das Mandat über das ehemals osmanisch beherrschte Gebiet Palästina. Folglich kommen das heutige Israel, die Palästinensergebiete und Jordanien unter britische Verwaltung.

Jüdische Einwanderung und arabischer Widerstand

Die folgenden Jahrzehnte in Palästina sind geprägt von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den verschieden Bevölkerungsgruppen und mit der britischen Mandatsmacht. Die Konflikte drehen sich vor allem darum, wie viele Jüdinnen und Juden nach Palästina einwandern dürfen. Diese möchten selbstverständlich möglichst wenige Beschränkungen. Die ansässigen Araber*innen hingegen möglichst wenig jüdische Zuwanderung. Und Großbritannien?

Das King David Hotel in Jerusalem nach einem Anschlag der jüdischen Untergrundorganisation Irgun im Juli 1946, Foto: gemeinfrei

Das Empire hat vor allem Stabilität und keinen Ärger in der Region im Sinn. Deshalb sieht auch die Mandatsverwaltung die zunehmende jüdische Einwanderung kritisch. Aus Sicht der Briten führt sie nur zu mehr Unruhe. An dieser Einstellung ändert auch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die immer schärferen antijüdischen Gesetze in Deutschland nichts.

Zwischen 1936 und 1939 eskalieren die Konflikte zwischen den verschiedenen Fraktionen in Palästina vollends. Faktisch herrscht während dieser Zeit ein Bürgerkrieg, der sogenannte Arabische Aufstand. Unter dem Eindruck der gewaltsamen Auseinandersetzungen wird 1937 erstmals vorgeschlagen, Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat zu teilen. Dies soll zukünftige Konflikte zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen verhindern. Doch zunächst werden erst einmal die Einwanderungsbeschränkungen verschärft. Jüdische Untergrundorganisationen antworten darauf immer häufiger mit Gewalt.

Der Weg in die Unabhängigkeit

Menschenmenge vor dem Gebäude, in dem die Unabhängigkeit Israels verkündet wird, Foto: gemeinfrei

Nach dem Bekanntwerden der unvorstellbaren Opferzahlen der Shoah erhält die Idee der Gründung eines jüdischen Staates breite internationale Unterstützung. Deshalb entscheidet Großbritannien, sich aus Palästina zurückzuziehen. Am 29. November 1947 beschließt die Generalversammlung der noch jungen UNO die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Die Mehrheit der Jüdinnen und Juden im Mandatsgebiet befürworten diese Entscheidung, von den meisten Araber*innen wird sie abgelehnt. Am 14. Mai 1948 ziehen schließlich die letzten britischen Truppen aus Palästina ab. David Ben-Gurion (1886-1973) verkündet in Tel Aviv unverzüglich die Unabhängigkeit eines neuen jüdischen Staates. Damit geht ein jahrzehntelanger zionistischer Traum in Erfüllung. Eine entsprechende Staatsgründung auf arabisch-palästinensischer Seite findet nicht statt.

Der Name des Staates lautet Israel. Der Staat Israel wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil offenstehen. Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.

Aus der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel
David Ben-Gurion verliest am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeitserklärung Israels, Foto: gemeinfrei

Der erste von vielen Kriegen

Israelische Soldaten hissen während des ersten arabisch-israelischen Krieges die Flagge Israels, Foto: Creative Commons

Die arabischen Nachbarstaaten Israels – Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien, Transjordanien, Libanon, Irak und Syrien – erklären dem neu gegründeten jüdischen Staat umgehend den Krieg. Dieser erste von vielen arabisch-israelischen Kriegen geht in die jüdische Geschichte als Israelischer Unabhängigkeitskrieg ein. Auf arabischer Seite hingegen wird dieser Konflikt und seine Folgen als Nakba (dt. Katastrophe, Unglück) bezeichnet. Vor allem die Flucht und Vertreibung eines großen Teils der arabischen Bevölkerung im Laufe des Krieges tragen zu diesem Verständnis bei.

Israel schafft es, die Armeen der angreifenden Staaten abzuwehren. Die jüdischen Streitkräfte erobern sogar einige der Gebiete, die im Teilungsplan einem noch zu gründenden arabisch-palästinensischen Staat zugesprochen wurden. So bringen sie etwa den Westteil der Stadt Jerusalem unter ihre Kontrolle. 1950 wird ihn die israelische Regierung zur Hauptstadt erklären. Nach Monaten des Kampfes und dann zähen Verhandlungen kommt es zu mehreren Waffenstillstandsabkommen zwischen dem jüdischen Staat und seinen Nachbarn.

Am 25. Januar 1949 finden erstmals Wahlen in Israel statt. Die verfassungsgebende Versammlung erklärt sich dann wenige Tage nach ihrem ersten Zusammenkommen zum israelischen Parlament, der Knesset. David Ben-Gurion von der Arbeiterpartei Mapai wird erster Premierminister, Chaim Weizmann (1874-1952) der erste Präsident Israels.

Der Staat Israel wurde als Demokratie gegründet und hat sich von Anfang an die Umsetzung von Freiheit und Gleichheit zum Ziel gesetzt. Ob es diesen Anspruch bis heute einhalten konnte, werden wir in Teil II dieses Beitrags in der kommenden Woche diskutieren.

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Über uns 
Ulli E. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinator im Bereich Demokratiegeschichte.

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