Demokratiegeschichten

100 Jahre politischer Mord in Deutschland: Der Niedergang des Linksliberalismus

„Jung-Demokraten.
Nachdem in ganz Deutschland die demokratische Jugend sich zusammengeschlossen hat, soll auch hier, vielfachen Wünschen entsprechend, eine Ortsgruppe der ‚deutsch-demokratischen Jugend‘ ins Leben gerufen werden. Wer zur Entgiftung des politischen Kampfes beitragen will, wer auf dem Boden demokratisch-republikanischer Staatsauffassung steht, wer jugendlich denkt und fühlt, möge seine Adresse schriftlich Herrn stud. phil. et rer. pol. Ludwig Herrmann, Bonn a. Rh., mitteilen. Es wird gebeten, nach Möglichkeit auch Adressen von Gesinnungsfreunden mitzuteilen.“

Zur Bedeutung der DDP …

Die Deutsche Demokratische Partei entstand 1918 als Nachfolgerin der linksliberalen Fortschrittspartei. Sie ist die staatstragende Partei der Weimarer Republik: So war nicht nur der Vater der Weimarer Verfassung, der Staatsrechtler Hugo Preuß, einer ihrer Gründer, sondern die Partei ist auch an fast allen Kabinetten bis 1932 beteiligt. Der Aufruf in der Bonner „Deutschen Demokratischen Zeitung“ vom 10. Dezember 1921 dokumentiert aber auch ihr Problem: Gerade junge Leute können wenig mit der als Professoren- oder Kapitalistenpartei wahrgenommenen DDP anfangen. Tatsächlich ist die Liste der bedeutenden Persönlichkeiten, die der Partei zumindest zeitweise angehören, beeindruckend:

  • Marie-Elisabeth Lüders
  • Georg Bernhard
  • Gertrud Bäumer
  • Thomas Dehler
  • Hellmuth von Gerlach
  • Walther Rathenau
  • Elly Heuss-Knapp
  • Adolf Grimme
  • Harry Graf Kessler
  • Theodor Heuss
  • Helene Lange
  • Thomas Mann
  • Friedrich Meinecke
  • Friedrich Naumann
  • Ludwig Quidde
  • Max Weber
Originaltitel: „Die bürgerl. Parteien und ihre führenden Vertreter Frl. Dr. [Alice] Salomon spricht auf einer Frauenversammlung der Deutschen Demokratischen Partei in Berlin“, 8. Dez. 1920, Quelle: Bundesarchiv Bild Y 541-11951, Foto: o. Angabe


… und ihrem Bedeutungsverlust

Trotz der großen Namen steht es schon Anfang der 1920er Jahre nicht gut um die liberale Partei, die eigentlich ein Stützpfeiler der Weimarer Demokratie sein müsste. So bemerkt die „Deutsche Demokratische Zeitung“ resigniert in ihrer letzten Ausgabe an Silvester 1921,

„ [dass] unser Bürgertum noch immer im Vornovembersumpf steckt. Echte Demokraten suchen ihr Heil bei der Mehrheitssozialdemokratie, wie unlängst noch der demokratische Kultusminister im Hessenlande, dem wohl viele vorausgegangen und viele noch folgen werden.“

Wahlplakat der DDP, Februar 1921, Quelle: Bundesarchiv Bild Plak 002-028-002, Verlag: KW Propaganda, Berlin

Der hessische Kultusminister Reinhard Strecker hat aus Protest gegen die Politik seines Parteikollegen, des Reichswehrministers Otto Geßler, im Oktober 1921 die DDP verlassen und daraufhin sein Amt verloren. Auch an den Wahlurnen zeichnet sich der Niedergang der DDP ab: Bei den Reichstagswahlen 1919 hat sie noch fast 20 Prozent der Stimmen erhalten, im September 1930 werden es dann nur noch knapp vier Prozent sein.

Vergebliche Rettungsversuche

Kurz vor dieser Wahl versucht sich die DDP neu aufzustellen: Sie schließt sich mit der Volksnationalen Reichsvereinigung zur Deutschen Staatspartei zusammen und vollzieht damit einen deutlichen Rutsch nach rechts. Der linke Flügel der Partei um die Pazifisten Ludwig Quidde und Hellmuth von Gerlach weigert sich, diesen Kurs mitzugehen und ruft im August 1930 die Radikaldemokratische Partei ins Leben, die allerdings keinen politischen Einfluss gewinnt. Der Niedergang des Linksliberalismus als stabilisierende Kraft der Republik ist unaufhaltsam. Am 8. November 1930 löst sich die Deutsche Demokratische Partei schließlich auf und überträgt ihr Vermögen der Staatspartei.

Wahlplakat der Deutschen Staatspartei, April 1932, Quelle: Bundesarchiv Bild
Plak 002-027-033, Verlag: Lindemann und Lüdecke, Berlin; Conrad Schütt, Berlin, Grafik: Wolff

Von 334 Delegierten stimmen nur 16 gegen diesen Vorschlag. Bei der letzten Reichstagswahl 1933 erhält sie 0,9 % der Stimmen. Ihre Abgeordneten, darunter der spätere Bundespräsident Theodor Heuß, stimmen dann wenig später für das Ermächtigungsgesetz, mit dem Hitlers NSDAP die Institutionen der Weimarer Demokratie zerschlagen kann.

Deutschlandfunk Kultur sendet in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam) ab dem 25. August 2021 jeweils mittwochs gegen 19:25 Uhr die Reihe 100 Jahre politischer Mord in Deutschland

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Über uns 
Historikerin, Autorin, Kuratorin Mitarbeiterin im Projekt "Gewalt gegen Weimar" am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

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