Demokratiegeschichten

Gepackt vom revolutionären Geist – Ein Michelstädter plant den Umsturz

„Der Beschluss! Ludwig Bogen ich verurteile Sie wegen Hochverrates zu acht quälenden Jahren im Zuchthaus“, so lautet das Urteil nach drei Jahren in Untersuchungshaft. Der Hammerschlag ist erklungen, die Würfel gefallen, das Urteil gefällt. Der Grund: Ein Putschversuch. Ludwig Bogen führte ein bewegtes Leben als Revolutionär und Visionär, er war eine starke Persönlichkeit und strebte nach Freiheit in einer stürmischen Zeit.

Ludwig Bogen (1809-1886). Quelle: LAGIS Hessen

Am 7. Juni 1809 geboren, wächst Ludwig Bogen behütet im Odenwald in Michelstadt auf. Von seinem nächsten Umfeld, dem Vater Georg Heinrich Bogen und der Mutter Katharina Rexroth, erhält er den liebevollen Spitznamen „Louis”. Bogen wächst in guten Verhältnissen auf, lernt fleißig und besucht eine Privatschule in Michelstadt, später ein Gymnasium in Darmstadt.

1827 beginnt er an der Universität in Gießen ein Studium der Rechtswissenschaften, das er 1833 mit Bravour beendet. Sein Leben verläuft ruhig, noch scheint es nicht denkbar, dass aus dem fleißigen Bogen später einmal ein Hochverräter und Revolutionär werden soll.

„Ehre, Freiheit, Vaterland“

Stolz legt sich Ludwig Bogen das in den Farben Schwarz-Rot-Gold schimmernde Band der Bonner Burschenschaft Germania um. „Ehre, Freiheit, Vaterland“. So lautet ihr Motto, eines dem er von nun an auch folgen möchte. Im Kreise Gleichaltriger und zwischen lebhaften Diskussionen wird das politische Interesse des jungen Bogens schnell geweckt.

Der Zug zum Hambacher Fest, Federzeichnung von 1832. Quelle: gemeinfrei

Durch das Hambacher Fest von 1832 ermutigt, sieht er die Zeit für einen Umsturz gekommen; weg muss die alte Politik – zur Not auch mit Gewalt. Er nimmt an einem geheimen Treffen von Burschenschaften in Stuttgart teil. Sie bilden den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein” und planen einen Umsturz. Deutschlandweit suchen sie nach Mitstreitern, appellieren an Bürger und Burschenschaften.

Die Begeisterung ist groß, der Umsturz heiß ersehnt. Trotz aller Vorsicht kommen die Behörden dahinter. Noch im selben Jahr wird der „Deutsche Preß- und Vaterlandsverein” verboten. Dennoch lassen sich einige tapfere Revolutionäre nicht verunsichern und wollen den geplanten Putschversuch Realität werden lassen. Unter ihnen befindet sich auch Ludwig Bogen.

Sturm auf die Wache

Am 3. April 1833 ist es so weit. Unter der Führung von Gustav Bunsen und Johann von Rauschenplatt stürmt Ludwig Bogen mit 100 Mitstreitern auf die Haupt- und Konstablerwache in Frankfurt am Main der Freiheit entgegen.  Doch die erhoffte Unterstützung bleibt aus, die Revolutionäre sehen sich wehrlos einer gut gerüsteten Übermacht an Soldaten gegenüber. Den Wachensturm hat Ludwig Bogen sich anders ausgemalt. Glorreicher, siegreicher. Doch hier ist sie nun, die Realität und sie ist erdrückend.

In einem Polizeibericht von 1834 ist die Rede von neun Toten, darunter zwei Revolutionäre und sieben Soldaten. Die Dunkelziffer ist jedoch wesentlich höher, so die Untersuchungsberichte der republikanischen Bewegung in Hessen. Mit dem Erreichen der Wache hatten die Revolutionäre die dort Inhaftierten befreit, ohne zu wissen, dass sie bald deren Platz einnehmen würden.

Der Frankfurter Wachensturm 1833. Quelle: Francois Georgin, gemeinfrei

Das Anrücken der Soldaten zermürbt die noch kampfeslustigen Revolutionäre und zwingt sie zur Aufgabe. Ein Großteil wird verhaftet, nur einem kleinen Teil gelingt die Flucht – unter ihnen Ludwig Bogen. Die Bundeszentralbehörde entsteht und mit ihr auch eine Schwarze Liste. Wer auf ihr steht, wird als Staatsfeind gekennzeichnet und politisch belangt.

Doch das durch den Wachensturm aufkeimende Nationalgefühl können auch die Behörden nicht unterdrücken. So schreibt Georg Büchner in einem seiner Briefe: „Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt […]” und stellt sich somit auf die Seite Bogens und seiner Mitstreiter.

Das Parlament ist ihm zu langsam

Bogen selbst bekommt zunächst noch nichts von den Folgen zu spüren.  Von 1834 bis 1835 arbeitet er unbehelligt als Hofgerichtssekretariatsakzessist in Darmstadt, doch dann beginnen die Frankfurter Ereignisse ihn einzuholen. Drei lange Jahre verbringt er in Untersuchungshaft, bis er sich vor Gericht verantworten muss und zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt wird. Schon 1839 wird er, nach einem Jahr in Haft, begnadigt. Enttäuscht wandert er in die Schweiz aus. Jedoch zieht ihn der Ruf der Revolution 1848 zurück nach Michelstadt, wo er für den Wahlkreis Erbach als Abgeordneter in die Paulskirche gewählt wird.

Die Nationalversammlung in der Paulskirche sei zwar revolutionär, jedoch in ihrer Entscheidungskraft zu langsam und eingeschränkt, findet Ludwig Bogen. Viele andere scheinen diese Auffassung zu teilen und so finden sie sich im badischen Ausland unter der Führung von Friedrich Hecker und Gustav Struve zusammen. Mit Gleichgesinnten will Bogen im April unter Hecker nach Konstanz ziehen. Dort wird die Republik und die Revolution eigenhändig vorangetrieben.

Man nimmt die Revolution in die eigenen Hände

Auf dem Weg nach Karlsruhe will man so viele Mitstreiter wie möglich gewinnen; so weit sollte es allerdings nie kommen. Auch Bogens Gesuch an die demokratischen Vogelsberger Vereine zu einem bewaffneten Aufstand hin wird nicht erhört und so zieht er erfolglos vom Odenwald her zu Hecker.

Die Schlacht bei Kaldern im April 1848. Quelle: gemeinfrei

In Schlachten bei Kadern, Freiburg und Steinen wird der Heckerzug zerschlagen. Nach dem Scheitern der badischen Aufstände sehen sich viele Teilnehmer gezwungen zu flüchten, Bogen jedoch beschließt in Deutschland zu bleiben. Erneut steht er als Landesverräter vor Gericht, diesmal im Dezember 1848, vor dem Assisenhof in Darmstadt. Doch auch diese Strafe soll nicht lange währen. 1850 wird er freigesprochen.

In seiner Zeit als Abgeordneter in Frankfurt ist er Teil des Deutschen Hofes, der stärksten Partei des linken Flügels. Unter der Führung von Robert Blum steht diese vor allem für die Einrichtung einer parlamentarisch-demokratischen Republik. Als jedoch im Mai 1849 die Nationalversammlung zerbricht, liegt auch Bogens Traum in Trümmern.

In Friedrich Römer sieht er eine letzte Chance für ein geeintes Deutschland und folgt ihm nach Stuttgart. Doch Glaube allein kann nichts ausrichten. Auch das hastig errichtete Rumpfparlament bricht in sich zusammen. Nichts hält Ludwig Bogen nun noch in seiner Heimat. 1854 folgt er schweren Herzens seiner Verlobten Margarethe Nix nach Amerika. Das dumpfe Geräusch des Stempels besiegelt es: Aus ist der Kampf für die Heimat, eine Heimat, für die er bereit war, alles zu geben.

Auf Ellis Island angekommen, bricht er auf in seine neue Heimat New Ulm in Minnesota. Im folgenden Jahr heiratet er Margarethe Nix und widmet sich einer alten Leidenschaft, den Rechtswissenschaften. 1864 übernimmt er die Zeitung „New Ulm Post”, welche sich selbst als „independent newspaper for freedom, justice and progress” bezeichnet. Diese vertreibt er bis zu seinem Tod am 6. April 1886.

Zurück lässt er die Erinnerung an einen tapferen Revolutionär, welcher nie aufgehört hat, sein Land und die Freiheit zu lieben und alles für diese zu geben.

Die Autoren: Carlo Hummel und Ian Warfsmann, Geschichte LK/Q2, Anna-Schmidt-Schule Frankfurt am Main

Dieser Beitrag ist Teil des Projekts „Geist der Freiheit“. Es hat Akteur*innen verschiedener Bereiche in der Rhein-Main-Region eingeladen, an einer Zeitung zum Revolutionsjubiläum 1848/49 mitzuwirken. Sie berichten über Orte, Ereignisse und Personen der Zeit und fragen, was uns die Revolution auch nach 175 Jahren heute angeht. Acht Beiträge von Schüler:innen der Anna-Schmidt-Schule erscheinen in Kooperation mit Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. vorab auf dem Blog „Demokratiegeschichten“. Das „Extrablatt im Geist der Freiheit“ ist kostenfrei bei der KulturRegion FrankfurtRheinMain erhältlich. Weitere Informationen finden Sie hier.

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1 Kommentar

  1. Womenik Ditzel

    26. März 2024 - 11:39
    Antworten

    Ausführlich recherchiert, der Schreibstil gefällt mir sehr gut. Lob an die beiden Jungautoren! Bin jetzt ein Ludwig Bogen Fan.

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